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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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gefärbte feste sondern rege brennende Regen¬
bogen durch die Zweige des Berges. Warum
stand ich heute in einem Glanze wie niemals
sonst?*) Und als die Morgenluft mich wie
ein Flügel anflatterte und hob und als ich
mich tiefer in den blauen Himmel tauchte: so
sagt' ich: nun bist du in Elysium. -- Da war
mir als sage eine Stimme: das ist das irrdi¬
sche und du bist noch nicht geheiligt für das
andre. O feurig faßt' ich wieder den Entschluß,
mich von so manchen Mängeln loszuwickeln
und besonders dem zu schnellen Wahne der
Kränkung abzusagen, den ich andern zwar
verhehle womit ich sie aber doch verletze. Und
da betete ich am Altare und sagte der ewigen
Güte Dank und weinte unbewußt vielleicht zu
sehr, aber doch ohne Augenschmerzen.

Zuletzt schrieb ich das hier beigelegte Dank¬
gedicht, das ich in Verse bringe, wenn es der
fromme Vater gutheißet.

*) Die Ursache ist, weil sie nach der Genesung
noch kurzsichtig war, und ein Kurzsichtiger sieht
den Thau glänzender.

gefärbte feſte ſondern rege brennende Regen¬
bogen durch die Zweige des Berges. Warum
ſtand ich heute in einem Glanze wie niemals
ſonſt?*) Und als die Morgenluft mich wie
ein Flügel anflatterte und hob und als ich
mich tiefer in den blauen Himmel tauchte: ſo
ſagt' ich: nun biſt du in Elyſium. — Da war
mir als ſage eine Stimme: das iſt das irrdi¬
ſche und du biſt noch nicht geheiligt für das
andre. O feurig faßt' ich wieder den Entſchluß,
mich von ſo manchen Mängeln loszuwickeln
und beſonders dem zu ſchnellen Wahne der
Kränkung abzuſagen, den ich andern zwar
verhehle womit ich ſie aber doch verletze. Und
da betete ich am Altare und ſagte der ewigen
Güte Dank und weinte unbewußt vielleicht zu
ſehr, aber doch ohne Augenſchmerzen.

Zuletzt ſchrieb ich das hier beigelegte Dank¬
gedicht, das ich in Verſe bringe, wenn es der
fromme Vater gutheißet.

*) Die Urſache iſt, weil ſie nach der Geneſung
noch kurzſichtig war, und ein Kurzſichtiger ſieht
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[421/0441] gefärbte feſte ſondern rege brennende Regen¬ bogen durch die Zweige des Berges. Warum ſtand ich heute in einem Glanze wie niemals ſonſt? *) Und als die Morgenluft mich wie ein Flügel anflatterte und hob und als ich mich tiefer in den blauen Himmel tauchte: ſo ſagt' ich: nun biſt du in Elyſium. — Da war mir als ſage eine Stimme: das iſt das irrdi¬ ſche und du biſt noch nicht geheiligt für das andre. O feurig faßt' ich wieder den Entſchluß, mich von ſo manchen Mängeln loszuwickeln und beſonders dem zu ſchnellen Wahne der Kränkung abzuſagen, den ich andern zwar verhehle womit ich ſie aber doch verletze. Und da betete ich am Altare und ſagte der ewigen Güte Dank und weinte unbewußt vielleicht zu ſehr, aber doch ohne Augenſchmerzen. Zuletzt ſchrieb ich das hier beigelegte Dank¬ gedicht, das ich in Verſe bringe, wenn es der fromme Vater gutheißet. *) Die Urſache iſt, weil ſie nach der Geneſung noch kurzſichtig war, und ein Kurzſichtiger ſieht den Thau glänzender.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/441>, abgerufen am 24.04.2024.