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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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hinter den hohen Bäumen im Tartarus gege¬
ben wird? Und wenn sie etwas vermuthet, o
wie wird sie nicht so innig trauern? --

-- Dieses alles hörte der edle Jüngling in
seiner Seele an und er dürstete heiß nach der
Freundschaft des Herzens; -- ihm war als
wehe ihre Berg- und Lebensluft aus der Ewig¬
keit herab und treibe den Todtenstaub weg
vom Lebenssteige und er sehe droben den Ge¬
nius die umgestürzte Fackel auf den kalten Bu¬
sen stellen, nicht um das unsterbliche Leben aus¬
zulöschen, sondern um die unsterbliche Liebe
anzuzünden.

Er konnte nun nicht anders, sondern
mußte ins Freie gehen und unter dem fliegen¬
den Getöne des Frühlings und unter dem
dumpf-zurückmurmelnden Todtenmarsche die
folgenden Worte an Lianens Bruder schreiben,
womit er ihm jugendlich sagte: sey mein
Freund!

hinter den hohen Bäumen im Tartarus gege¬
ben wird? Und wenn ſie etwas vermuthet, o
wie wird ſie nicht ſo innig trauern? —

— Dieſes alles hörte der edle Jüngling in
ſeiner Seele an und er dürſtete heiß nach der
Freundſchaft des Herzens; — ihm war als
wehe ihre Berg- und Lebensluft aus der Ewig¬
keit herab und treibe den Todtenſtaub weg
vom Lebensſteige und er ſehe droben den Ge¬
nius die umgeſtürzte Fackel auf den kalten Bu¬
ſen ſtellen, nicht um das unſterbliche Leben aus¬
zulöſchen, ſondern um die unſterbliche Liebe
anzuzünden.

Er konnte nun nicht anders, ſondern
mußte ins Freie gehen und unter dem fliegen¬
den Getöne des Frühlings und unter dem
dumpf-zurückmurmelnden Todtenmarſche die
folgenden Worte an Lianens Bruder ſchreiben,
womit er ihm jugendlich ſagte: ſey mein
Freund!

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[463/0483] hinter den hohen Bäumen im Tartarus gege¬ ben wird? Und wenn ſie etwas vermuthet, o wie wird ſie nicht ſo innig trauern? — — Dieſes alles hörte der edle Jüngling in ſeiner Seele an und er dürſtete heiß nach der Freundſchaft des Herzens; — ihm war als wehe ihre Berg- und Lebensluft aus der Ewig¬ keit herab und treibe den Todtenſtaub weg vom Lebensſteige und er ſehe droben den Ge¬ nius die umgeſtürzte Fackel auf den kalten Bu¬ ſen ſtellen, nicht um das unſterbliche Leben aus¬ zulöſchen, ſondern um die unſterbliche Liebe anzuzünden. Er konnte nun nicht anders, ſondern mußte ins Freie gehen und unter dem fliegen¬ den Getöne des Frühlings und unter dem dumpf-zurückmurmelnden Todtenmarſche die folgenden Worte an Lianens Bruder ſchreiben, womit er ihm jugendlich ſagte: ſey mein Freund!

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/483>, abgerufen am 28.03.2024.