Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

"Hand schüttelt und Dir ins Auge sieht
"und sagt: wir bleiben noch fester bei¬
"sammen? --

"Fremder, wenn Du keinen Freund hät¬
"test, hast Du einen verdient? -- Wenn
"der Frühling glühte und alle seine Ho¬
"nigkelche öffnete und seinen reinen Him¬
"mel und alle hundert Thore an seinem
"Paradiese: hast Du da schmerzlich aufge¬
"blickt wie ich und Gott um ein Herz ge¬
"beten für Deines? -- O wenn abends die
"Sonne einsank wie ein Berg und ihre
"Flammen aus der Erde fuhren und nur
"noch ihr rother Rauch hinanzog an den
"silbernen Sternen: sahest Du aus der
"Vorwelt die verbrüderten Schatten der
"Freundschaft, die auf Schlachtfeldern wie
"Gestirne Eines Sternbildes miteinander
"untergiengen, durch die blutigen Wolken
"als Riesen ziehen und dachtest Du daran,
"wie sie sich unvergänglich liebten und Du
"warst allein wie ich? -- Und, Einsamer,
"wenn die Nacht, wo der Geist des Men¬
"schen, wie in heißen Ländern, arbeitet

Titan. I. Gg

„Hand ſchüttelt und Dir ins Auge ſieht
„und ſagt: wir bleiben noch feſter bei¬
„ſammen? —

„Fremder, wenn Du keinen Freund hät¬
„teſt, haſt Du einen verdient? — Wenn
„der Frühling glühte und alle ſeine Ho¬
„nigkelche öffnete und ſeinen reinen Him¬
„mel und alle hundert Thore an ſeinem
„Paradieſe: haſt Du da ſchmerzlich aufge¬
„blickt wie ich und Gott um ein Herz ge¬
„beten für Deines? — O wenn abends die
„Sonne einſank wie ein Berg und ihre
„Flammen aus der Erde fuhren und nur
„noch ihr rother Rauch hinanzog an den
„ſilbernen Sternen: ſaheſt Du aus der
„Vorwelt die verbrüderten Schatten der
„Freundſchaft, die auf Schlachtfeldern wie
„Geſtirne Eines Sternbildes miteinander
„untergiengen, durch die blutigen Wolken
„als Rieſen ziehen und dachteſt Du daran,
„wie ſie ſich unvergänglich liebten und Du
„warſt allein wie ich? — Und, Einſamer,
„wenn die Nacht, wo der Geiſt des Men¬
„ſchen, wie in heißen Ländern, arbeitet

Titan. I. Gg
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0485" n="465"/>
&#x201E;Hand &#x017F;chüttelt und Dir ins Auge &#x017F;ieht<lb/>
&#x201E;und &#x017F;agt: wir bleiben noch fe&#x017F;ter bei¬<lb/>
&#x201E;&#x017F;ammen? &#x2014;</p><lb/>
            <p>&#x201E;Fremder, wenn Du keinen Freund hät¬<lb/>
&#x201E;te&#x017F;t, ha&#x017F;t Du einen verdient? &#x2014; Wenn<lb/>
&#x201E;der Frühling glühte und alle &#x017F;eine Ho¬<lb/>
&#x201E;nigkelche öffnete und &#x017F;einen reinen Him¬<lb/>
&#x201E;mel und alle hundert Thore an &#x017F;einem<lb/>
&#x201E;Paradie&#x017F;e: ha&#x017F;t Du da &#x017F;chmerzlich aufge¬<lb/>
&#x201E;blickt wie ich und Gott um ein Herz ge¬<lb/>
&#x201E;beten für Deines? &#x2014; O wenn abends die<lb/>
&#x201E;Sonne ein&#x017F;ank wie ein Berg und ihre<lb/>
&#x201E;Flammen aus der Erde fuhren und nur<lb/>
&#x201E;noch ihr rother Rauch hinanzog an den<lb/>
&#x201E;&#x017F;ilbernen Sternen: &#x017F;ahe&#x017F;t Du aus der<lb/>
&#x201E;Vorwelt die verbrüderten Schatten der<lb/>
&#x201E;Freund&#x017F;chaft, die auf Schlachtfeldern wie<lb/>
&#x201E;Ge&#x017F;tirne Eines Sternbildes miteinander<lb/>
&#x201E;untergiengen, durch die blutigen Wolken<lb/>
&#x201E;als Rie&#x017F;en ziehen und dachte&#x017F;t Du daran,<lb/>
&#x201E;wie &#x017F;ie &#x017F;ich unvergänglich liebten und Du<lb/>
&#x201E;war&#x017F;t allein wie ich? &#x2014; Und, Ein&#x017F;amer,<lb/>
&#x201E;wenn die Nacht, wo der Gei&#x017F;t des Men¬<lb/>
&#x201E;&#x017F;chen, wie in heißen Ländern, <hi rendition="#g">arbeitet</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Titan. <hi rendition="#aq">I</hi>. Gg<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[465/0485] „Hand ſchüttelt und Dir ins Auge ſieht „und ſagt: wir bleiben noch feſter bei¬ „ſammen? — „Fremder, wenn Du keinen Freund hät¬ „teſt, haſt Du einen verdient? — Wenn „der Frühling glühte und alle ſeine Ho¬ „nigkelche öffnete und ſeinen reinen Him¬ „mel und alle hundert Thore an ſeinem „Paradieſe: haſt Du da ſchmerzlich aufge¬ „blickt wie ich und Gott um ein Herz ge¬ „beten für Deines? — O wenn abends die „Sonne einſank wie ein Berg und ihre „Flammen aus der Erde fuhren und nur „noch ihr rother Rauch hinanzog an den „ſilbernen Sternen: ſaheſt Du aus der „Vorwelt die verbrüderten Schatten der „Freundſchaft, die auf Schlachtfeldern wie „Geſtirne Eines Sternbildes miteinander „untergiengen, durch die blutigen Wolken „als Rieſen ziehen und dachteſt Du daran, „wie ſie ſich unvergänglich liebten und Du „warſt allein wie ich? — Und, Einſamer, „wenn die Nacht, wo der Geiſt des Men¬ „ſchen, wie in heißen Ländern, arbeitet Titan. I. Gg

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/485
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/485>, abgerufen am 28.03.2024.