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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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"Strom; ewig blühen die Jahreszeiten
"in den Gärten des Gestades hinauf und
"hinab, aber nur wir rauschen einmal vor
"den Gärten vorbei und kehren nicht um.

"Aber der Freund geht mit. O wenn
"Du in dieser Stunde der Gaukeleien des
"Todes den bleichen Fürsten mit den Ju¬
"gend-Bildern auf der Brust ansiehst und
"an den grauen Freund denkst, der ihn
"verborgen im Tartarus betrauert: so
"wird Dein Herz zerfließen und in sanften
"warmen Flammen in der Brust umher¬
"rinnen und leise sagen: ich will lieben
"und dann sterben und dann lieben:
"o Allmächtiger, zeige mir die Seele, die
"sich sehnet wie ich!"

"Wenn Du das sagst, wenn Du so bist,
"so komm an mein Herz, ich bin wie Du.
"Fasse meine Hand und behalte sie bis sie
"welkt. Ich habe heute Deine Gestalt ge¬
"sehen und auf ihr die Wunden des Le¬
"bens; tritt an mich, ich will neben Dir
"bluten und streiten. Ich habe Dich schon
"früh gesucht und geliebt. Wie zwei

Gg 2

„Strom; ewig blühen die Jahreszeiten
„in den Gärten des Geſtades hinauf und
„hinab, aber nur wir rauſchen einmal vor
„den Gärten vorbei und kehren nicht um.

„Aber der Freund geht mit. O wenn
„Du in dieſer Stunde der Gaukeleien des
„Todes den bleichen Fürſten mit den Ju¬
„gend-Bildern auf der Bruſt anſiehſt und
„an den grauen Freund denkſt, der ihn
„verborgen im Tartarus betrauert: ſo
„wird Dein Herz zerfließen und in ſanften
„warmen Flammen in der Bruſt umher¬
„rinnen und leiſe ſagen: ich will lieben
„und dann ſterben und dann lieben:
„o Allmächtiger, zeige mir die Seele, die
„ſich ſehnet wie ich!“

„Wenn Du das ſagſt, wenn Du ſo biſt,
„ſo komm an mein Herz, ich bin wie Du.
„Faſſe meine Hand und behalte ſie bis ſie
„welkt. Ich habe heute Deine Geſtalt ge¬
„ſehen und auf ihr die Wunden des Le¬
„bens; tritt an mich, ich will neben Dir
„bluten und ſtreiten. Ich habe Dich ſchon
„früh geſucht und geliebt. Wie zwei

Gg 2
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[467/0487] „Strom; ewig blühen die Jahreszeiten „in den Gärten des Geſtades hinauf und „hinab, aber nur wir rauſchen einmal vor „den Gärten vorbei und kehren nicht um. „Aber der Freund geht mit. O wenn „Du in dieſer Stunde der Gaukeleien des „Todes den bleichen Fürſten mit den Ju¬ „gend-Bildern auf der Bruſt anſiehſt und „an den grauen Freund denkſt, der ihn „verborgen im Tartarus betrauert: ſo „wird Dein Herz zerfließen und in ſanften „warmen Flammen in der Bruſt umher¬ „rinnen und leiſe ſagen: ich will lieben „und dann ſterben und dann lieben: „o Allmächtiger, zeige mir die Seele, die „ſich ſehnet wie ich!“ „Wenn Du das ſagſt, wenn Du ſo biſt, „ſo komm an mein Herz, ich bin wie Du. „Faſſe meine Hand und behalte ſie bis ſie „welkt. Ich habe heute Deine Geſtalt ge¬ „ſehen und auf ihr die Wunden des Le¬ „bens; tritt an mich, ich will neben Dir „bluten und ſtreiten. Ich habe Dich ſchon „früh geſucht und geliebt. Wie zwei Gg 2

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/487>, abgerufen am 25.04.2024.