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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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statt ihres halben Feiertages, wo sie nur Nach¬
mittags frohnen, einen ganzen Werkeltag und
standen schon am Waschtische -- der Huldi¬
gungsprediger Schäpe glaubte fast alles von
seiner Rede, weil er sie zu oft gelesen und die
Nähe der Publikazion flößte ihm Rührung ein
-- kein Domino für den Abend war mehr zu
haben, außer bei den Juden -- -- als ein
Mann vor der Hausthüre des Doktors abstieg,
ders unter allen mit der Huldigung am redlich¬
sten und wärmsten meinte, der Direktor Wehr¬
friz. Es war ein Sohn und ein Vater einan¬
der in den Armen, ein feuriger Jüngling und
ein feuriger Mann. Albano schien ihm nicht
mehr der Alte zu seyn, sondern noch -- wär¬
mer als sonst. Er brachte von "seinen Wei¬
"bern" wie er sie nannte, glückwünschende Brie¬
fe und Angebinde für den Geburtstag mit; er
selber machte nicht viel aus dem Tage oder ver¬
gaß ihn, und Albano hatt' ihn nur nach dem
Erwachen ein wenig gefeiert. Diese Feste gehö¬
ren mehr weiblichen Wesen an, die gern mit
Zeiten liebend und gebend tändeln.

Der Titularbibliothekar marschirte auf ein

Titan. I. Hh

ſtatt ihres halben Feiertages, wo ſie nur Nach¬
mittags frohnen, einen ganzen Werkeltag und
ſtanden ſchon am Waſchtiſche — der Huldi¬
gungsprediger Schäpe glaubte faſt alles von
ſeiner Rede, weil er ſie zu oft geleſen und die
Nähe der Publikazion flößte ihm Rührung ein
— kein Domino für den Abend war mehr zu
haben, außer bei den Juden — — als ein
Mann vor der Hausthüre des Doktors abſtieg,
ders unter allen mit der Huldigung am redlich¬
ſten und wärmſten meinte, der Direktor Wehr¬
friz. Es war ein Sohn und ein Vater einan¬
der in den Armen, ein feuriger Jüngling und
ein feuriger Mann. Albano ſchien ihm nicht
mehr der Alte zu ſeyn, ſondern noch — wär¬
mer als ſonſt. Er brachte von „ſeinen Wei¬
„bern“ wie er ſie nannte, glückwünſchende Brie¬
fe und Angebinde für den Geburtstag mit; er
ſelber machte nicht viel aus dem Tage oder ver¬
gaß ihn, und Albano hatt' ihn nur nach dem
Erwachen ein wenig gefeiert. Dieſe Feſte gehö¬
ren mehr weiblichen Weſen an, die gern mit
Zeiten liebend und gebend tändeln.

Der Titularbibliothekar marſchirte auf ein

Titan. I. Hh
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[481/0501] ſtatt ihres halben Feiertages, wo ſie nur Nach¬ mittags frohnen, einen ganzen Werkeltag und ſtanden ſchon am Waſchtiſche — der Huldi¬ gungsprediger Schäpe glaubte faſt alles von ſeiner Rede, weil er ſie zu oft geleſen und die Nähe der Publikazion flößte ihm Rührung ein — kein Domino für den Abend war mehr zu haben, außer bei den Juden — — als ein Mann vor der Hausthüre des Doktors abſtieg, ders unter allen mit der Huldigung am redlich¬ ſten und wärmſten meinte, der Direktor Wehr¬ friz. Es war ein Sohn und ein Vater einan¬ der in den Armen, ein feuriger Jüngling und ein feuriger Mann. Albano ſchien ihm nicht mehr der Alte zu ſeyn, ſondern noch — wär¬ mer als ſonſt. Er brachte von „ſeinen Wei¬ „bern“ wie er ſie nannte, glückwünſchende Brie¬ fe und Angebinde für den Geburtstag mit; er ſelber machte nicht viel aus dem Tage oder ver¬ gaß ihn, und Albano hatt' ihn nur nach dem Erwachen ein wenig gefeiert. Dieſe Feſte gehö¬ ren mehr weiblichen Weſen an, die gern mit Zeiten liebend und gebend tändeln. Der Titularbibliothekar marſchirte auf ein Titan. I. Hh

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/501>, abgerufen am 28.03.2024.