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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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sunkne Birkenwäldchen, das er an jenem gold¬
nen Morgen so breit und lang gefunden --
und vorbei vor den östlichen ofnen Triumph¬
bogen, hinter denen das Meer des vielgestalti¬
gen Lilars seine Reize wogen ließ -- und hin¬
ter der Bergmauer des Flötenthals schickten sie
den Wagen zurück.

Sie gingen auf einer herrlichen Erde un¬
ter einem herrlichen Himmel. Rein und weiß
schwamm die Sonne wie ein Schwan durch
die blaue Fluth -- Fluren und Dörfer dräng¬
ten sich dichter an die fernen niedrigen Ge¬
bürge -- ein sanfter Wind trieb die grünen
Ähren-Wogen auf der Ebene umher -- an
den Hügeln ruhten Schatten unter den Schwin¬
gen weisser Wölkchen fest -- und hinter den
Gipfeln der Anhöhe zogen die Mastbäume der
Rheinschiffe majestätisch weg.

Wie Albano so nahe neben der Geliebten
gieng, fiel das unter seinem Eden brennende
Fegfeuer immer tiefer in den Erdkern zurück;
voll Unruhe und Hofnung warf er das feurige
Auge bald auf den Sommer, bald auf den milden
Hesperus-Stern, der so nahe an ihm aus dem

Titan II. M

ſunkne Birkenwäldchen, das er an jenem gold¬
nen Morgen ſo breit und lang gefunden —
und vorbei vor den öſtlichen ofnen Triumph¬
bogen, hinter denen das Meer des vielgeſtalti¬
gen Lilars ſeine Reize wogen ließ — und hin¬
ter der Bergmauer des Flötenthals ſchickten ſie
den Wagen zurück.

Sie gingen auf einer herrlichen Erde un¬
ter einem herrlichen Himmel. Rein und weiß
ſchwamm die Sonne wie ein Schwan durch
die blaue Fluth — Fluren und Dörfer dräng¬
ten ſich dichter an die fernen niedrigen Ge¬
bürge — ein ſanfter Wind trieb die grünen
Ähren-Wogen auf der Ebene umher — an
den Hügeln ruhten Schatten unter den Schwin¬
gen weiſſer Wölkchen feſt — und hinter den
Gipfeln der Anhöhe zogen die Maſtbäume der
Rheinſchiffe majeſtätiſch weg.

Wie Albano ſo nahe neben der Geliebten
gieng, fiel das unter ſeinem Eden brennende
Fegfeuer immer tiefer in den Erdkern zurück;
voll Unruhe und Hofnung warf er das feurige
Auge bald auf den Sommer, bald auf den milden
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[177/0185] ſunkne Birkenwäldchen, das er an jenem gold¬ nen Morgen ſo breit und lang gefunden — und vorbei vor den öſtlichen ofnen Triumph¬ bogen, hinter denen das Meer des vielgeſtalti¬ gen Lilars ſeine Reize wogen ließ — und hin¬ ter der Bergmauer des Flötenthals ſchickten ſie den Wagen zurück. Sie gingen auf einer herrlichen Erde un¬ ter einem herrlichen Himmel. Rein und weiß ſchwamm die Sonne wie ein Schwan durch die blaue Fluth — Fluren und Dörfer dräng¬ ten ſich dichter an die fernen niedrigen Ge¬ bürge — ein ſanfter Wind trieb die grünen Ähren-Wogen auf der Ebene umher — an den Hügeln ruhten Schatten unter den Schwin¬ gen weiſſer Wölkchen feſt — und hinter den Gipfeln der Anhöhe zogen die Maſtbäume der Rheinſchiffe majeſtätiſch weg. Wie Albano ſo nahe neben der Geliebten gieng, fiel das unter ſeinem Eden brennende Fegfeuer immer tiefer in den Erdkern zurück; voll Unruhe und Hofnung warf er das feurige Auge bald auf den Sommer, bald auf den milden Heſperus-Stern, der ſo nahe an ihm aus dem Titan II. M

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/185>, abgerufen am 25.04.2024.