Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

streng sie konnte, aber nicht strenger. Am Mor¬
gen stiegen wenige vor ihren eignen Hausthü¬
ren ab, die meisten vor fremden, um die Neu¬
igkeit auszuschiffen sammt dem Verbote der Für¬
stin, die Sache eclatant zu machen, weils sonst
der Fürst erführe.

War je das vornehme Pestiz in Massa
glücklich: so wars an diesem Morgen. Nichts
fehlte der allgemeinen Freude als eine Kammer¬
frau, die nur so viel französisch verstanden hät¬
te wie ein Jagdhund.

92. Zykel.

Albano vernahm das Gerücht, der Mini¬
ster war ihm längst als eine kalte Seelen-Lei¬
che verunreinigend erschienen; jetzt haßt' er ihn
noch mehr als quälenden, blutsaugenden Tod¬
ten. Für die Fürstin stand ihm bisher sein Herz.
Sie war ihm ein blauer Tag-Himmel, worin
Andern nur eine heisse Sonne blitzt, woran er
aber aus dem Geheimniß der Freundschaft und
der Seelentiefe sanfte Sternbilder gefunden.
Allein jetzt seit dem Gerüchte, das wie die Zau¬
berer neben Moses, Ruß in ihren Himmel

ſtreng ſie konnte, aber nicht ſtrenger. Am Mor¬
gen ſtiegen wenige vor ihren eignen Hausthü¬
ren ab, die meiſten vor fremden, um die Neu¬
igkeit auszuſchiffen ſammt dem Verbote der Für¬
ſtin, die Sache éclatant zu machen, weils ſonſt
der Fürſt erführe.

War je das vornehme Peſtiz in Maſſa
glücklich: ſo wars an dieſem Morgen. Nichts
fehlte der allgemeinen Freude als eine Kammer¬
frau, die nur ſo viel franzöſiſch verſtanden hät¬
te wie ein Jagdhund.

92. Zykel.

Albano vernahm das Gerücht, der Mini¬
ſter war ihm längſt als eine kalte Seelen-Lei¬
che verunreinigend erſchienen; jetzt haßt' er ihn
noch mehr als quälenden, blutſaugenden Tod¬
ten. Für die Fürſtin ſtand ihm bisher ſein Herz.
Sie war ihm ein blauer Tag-Himmel, worin
Andern nur eine heiſſe Sonne blitzt, woran er
aber aus dem Geheimniß der Freundſchaft und
der Seelentiefe ſanfte Sternbilder gefunden.
Allein jetzt ſeit dem Gerüchte, das wie die Zau¬
berer neben Moſes, Ruß in ihren Himmel

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0337" n="325"/>
&#x017F;treng &#x017F;ie konnte, aber nicht &#x017F;trenger. Am Mor¬<lb/>
gen &#x017F;tiegen wenige vor ihren eignen Hausthü¬<lb/>
ren ab, die mei&#x017F;ten vor fremden, um die Neu¬<lb/>
igkeit auszu&#x017F;chiffen &#x017F;ammt dem Verbote der Für¬<lb/>
&#x017F;tin, die Sache <hi rendition="#aq">éclatant</hi> zu machen, weils &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
der Für&#x017F;t erführe.</p><lb/>
          <p>War je das vornehme Pe&#x017F;tiz in Ma&#x017F;&#x017F;a<lb/>
glücklich: &#x017F;o wars an die&#x017F;em Morgen. Nichts<lb/>
fehlte der allgemeinen Freude als eine Kammer¬<lb/>
frau, die nur &#x017F;o viel franzö&#x017F;i&#x017F;ch ver&#x017F;tanden hät¬<lb/>
te wie ein Jagdhund.</p><lb/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>92. <hi rendition="#g">Zykel.</hi><lb/></head>
          <p>Albano vernahm das Gerücht, der Mini¬<lb/>
&#x017F;ter war ihm läng&#x017F;t als eine kalte Seelen-Lei¬<lb/>
che verunreinigend er&#x017F;chienen; jetzt haßt' er ihn<lb/>
noch mehr als quälenden, blut&#x017F;augenden Tod¬<lb/>
ten. Für die Für&#x017F;tin &#x017F;tand ihm bisher &#x017F;ein Herz.<lb/>
Sie war ihm ein blauer Tag-Himmel, worin<lb/>
Andern nur eine hei&#x017F;&#x017F;e Sonne blitzt, woran er<lb/>
aber aus dem Geheimniß der Freund&#x017F;chaft und<lb/>
der Seelentiefe &#x017F;anfte Sternbilder gefunden.<lb/>
Allein jetzt &#x017F;eit dem Gerüchte, das wie die Zau¬<lb/>
berer neben Mo&#x017F;es, Ruß in ihren Himmel<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[325/0337] ſtreng ſie konnte, aber nicht ſtrenger. Am Mor¬ gen ſtiegen wenige vor ihren eignen Hausthü¬ ren ab, die meiſten vor fremden, um die Neu¬ igkeit auszuſchiffen ſammt dem Verbote der Für¬ ſtin, die Sache éclatant zu machen, weils ſonſt der Fürſt erführe. War je das vornehme Peſtiz in Maſſa glücklich: ſo wars an dieſem Morgen. Nichts fehlte der allgemeinen Freude als eine Kammer¬ frau, die nur ſo viel franzöſiſch verſtanden hät¬ te wie ein Jagdhund. 92. Zykel. Albano vernahm das Gerücht, der Mini¬ ſter war ihm längſt als eine kalte Seelen-Lei¬ che verunreinigend erſchienen; jetzt haßt' er ihn noch mehr als quälenden, blutſaugenden Tod¬ ten. Für die Fürſtin ſtand ihm bisher ſein Herz. Sie war ihm ein blauer Tag-Himmel, worin Andern nur eine heiſſe Sonne blitzt, woran er aber aus dem Geheimniß der Freundſchaft und der Seelentiefe ſanfte Sternbilder gefunden. Allein jetzt ſeit dem Gerüchte, das wie die Zau¬ berer neben Moſes, Ruß in ihren Himmel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/337
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/337>, abgerufen am 29.03.2024.