Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

dieser Reiseflor für die zweite Welt, war die¬
sem Herkules längst ein brennendes, mit Nes¬
sus Giftblute getränktes, Gewand geworden,
daher sie ihn nicht mehr vor ihm tragen dür¬
fen. Der Schluß, daß der Wahn des Todes
die Wahrheit desselben säe, und daß in der
herübergerückten tiefen Wolke ein Zufall den
schlagenden Funken des Todes leicht locke, fiel
wie eine Trauer in seine Liebesfeste ein. So
sind alle fremde Meerwunder der Phantasie
(wie dieser Sterbens-Wahn) nur in der Phan¬
tasie (im Roman), aber nicht im Leben er¬
wünscht, ausser einmal auf phantastischen Hö¬
hen; aber dann müssen solche Schwanzsterne
sich wie andere bald wieder aus unserem Him¬
mel zurückziehen.

Er sprach jetzt sehr ernst -- von selbstmörderi¬
schen Phantasieen -- von Lebenspflichten -- von
eigensinniger Verblendung gegen die schönsten
Zeichen ihrer Genesung, zu denen er das Ver¬
schwinden der optischen Karoline so gut rech¬
nete wie das Blühen ihrer Farbe. -- Sie hör¬
te ihn geduldig an; aber durch die Prinzessin,
die ihrer Liebe ungeachtet ihm selten erfreuliche

dieſer Reiſeflor für die zweite Welt, war die¬
ſem Herkules längſt ein brennendes, mit Nes¬
ſus Giftblute getränktes, Gewand geworden,
daher ſie ihn nicht mehr vor ihm tragen dür¬
fen. Der Schluß, daß der Wahn des Todes
die Wahrheit deſſelben ſäe, und daß in der
herübergerückten tiefen Wolke ein Zufall den
ſchlagenden Funken des Todes leicht locke, fiel
wie eine Trauer in ſeine Liebesfeſte ein. So
ſind alle fremde Meerwunder der Phantaſie
(wie dieſer Sterbens-Wahn) nur in der Phan¬
taſie (im Roman), aber nicht im Leben er¬
wünſcht, auſſer einmal auf phantaſtiſchen Hö¬
hen; aber dann müſſen ſolche Schwanzſterne
ſich wie andere bald wieder aus unſerem Him¬
mel zurückziehen.

Er ſprach jetzt ſehr ernſt — von ſelbſtmörderi¬
ſchen Phantaſieen — von Lebenspflichten — von
eigenſinniger Verblendung gegen die ſchönſten
Zeichen ihrer Geneſung, zu denen er das Ver¬
ſchwinden der optiſchen Karoline ſo gut rech¬
nete wie das Blühen ihrer Farbe. — Sie hör¬
te ihn geduldig an; aber durch die Prinzeſſin,
die ihrer Liebe ungeachtet ihm ſelten erfreuliche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0050" n="38"/>
die&#x017F;er Rei&#x017F;eflor für die zweite Welt, war die¬<lb/>
&#x017F;em Herkules läng&#x017F;t ein brennendes, mit Nes¬<lb/>
&#x017F;us Giftblute getränktes, Gewand geworden,<lb/>
daher &#x017F;ie ihn nicht mehr vor ihm tragen dür¬<lb/>
fen. Der Schluß, daß der Wahn des Todes<lb/>
die Wahrheit de&#x017F;&#x017F;elben &#x017F;äe, und daß in der<lb/>
herübergerückten tiefen Wolke ein Zufall den<lb/>
&#x017F;chlagenden Funken des Todes leicht locke, fiel<lb/>
wie eine Trauer in &#x017F;eine Liebesfe&#x017F;te ein. So<lb/>
&#x017F;ind alle fremde Meerwunder der Phanta&#x017F;ie<lb/>
(wie die&#x017F;er Sterbens-Wahn) nur in der Phan¬<lb/>
ta&#x017F;ie (im Roman), aber nicht im Leben er¬<lb/>
wün&#x017F;cht, au&#x017F;&#x017F;er einmal auf phanta&#x017F;ti&#x017F;chen Hö¬<lb/>
hen; aber dann mü&#x017F;&#x017F;en &#x017F;olche Schwanz&#x017F;terne<lb/>
&#x017F;ich wie andere bald wieder aus un&#x017F;erem Him¬<lb/>
mel zurückziehen.</p><lb/>
          <p>Er &#x017F;prach jetzt &#x017F;ehr ern&#x017F;t &#x2014; von &#x017F;elb&#x017F;tmörderi¬<lb/>
&#x017F;chen Phanta&#x017F;ieen &#x2014; von Lebenspflichten &#x2014; von<lb/>
eigen&#x017F;inniger Verblendung gegen die &#x017F;chön&#x017F;ten<lb/>
Zeichen ihrer Gene&#x017F;ung, zu denen er das Ver¬<lb/>
&#x017F;chwinden der opti&#x017F;chen Karoline &#x017F;o gut rech¬<lb/>
nete wie das Blühen ihrer Farbe. &#x2014; Sie hör¬<lb/>
te ihn geduldig an; aber durch die Prinze&#x017F;&#x017F;in,<lb/>
die ihrer Liebe ungeachtet ihm &#x017F;elten erfreuliche<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0050] dieſer Reiſeflor für die zweite Welt, war die¬ ſem Herkules längſt ein brennendes, mit Nes¬ ſus Giftblute getränktes, Gewand geworden, daher ſie ihn nicht mehr vor ihm tragen dür¬ fen. Der Schluß, daß der Wahn des Todes die Wahrheit deſſelben ſäe, und daß in der herübergerückten tiefen Wolke ein Zufall den ſchlagenden Funken des Todes leicht locke, fiel wie eine Trauer in ſeine Liebesfeſte ein. So ſind alle fremde Meerwunder der Phantaſie (wie dieſer Sterbens-Wahn) nur in der Phan¬ taſie (im Roman), aber nicht im Leben er¬ wünſcht, auſſer einmal auf phantaſtiſchen Hö¬ hen; aber dann müſſen ſolche Schwanzſterne ſich wie andere bald wieder aus unſerem Him¬ mel zurückziehen. Er ſprach jetzt ſehr ernſt — von ſelbſtmörderi¬ ſchen Phantaſieen — von Lebenspflichten — von eigenſinniger Verblendung gegen die ſchönſten Zeichen ihrer Geneſung, zu denen er das Ver¬ ſchwinden der optiſchen Karoline ſo gut rech¬ nete wie das Blühen ihrer Farbe. — Sie hör¬ te ihn geduldig an; aber durch die Prinzeſſin, die ihrer Liebe ungeachtet ihm ſelten erfreuliche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/50
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/50>, abgerufen am 25.04.2024.