Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

wa ein Herr anmerkt, Menschen und Musik¬
noten, Musiknoten und Menschen, kurz und
gut und schlecht, bald ist bei beiden der Kopf
oben, bald der Schwanz, wenns nämlich schnell
gehen soll. Das sind Gleichnisse, ich weiß wohl,
Bester, aber die Bäcker kündigen das weiche
Gebäck durch steinernes oder tönernes im La¬
den an, Menschen indeß ihre härtesten Sachen,
worunter das Herz gehört, durch ihre weichsten,
wozu Worte gehören."

Stumm auf diese Ströme führte Albano
ihn an der Hand nach Lilar vor Linda's Woh¬
nung. Alles war an dieser ohne Licht und
schwarz. "Sprich droben sanft Dein Wort,
mein Schoppe, und morgen ziehen wir wei¬
ter!" sagte sehr leise unten Albano scheidend
und ließ ihn ins finstere Trauerschloß allein hin¬
aufgehen. -- "Welch eine Gegenwart!" sagte
Albano auf dem Rückweg durch den Garten.

133. Zykel.

Lange erwartete Albano seinen Freund am
andern Tag, niemand erschien, kein Mensch
wußte von ihm. Am zweiten Morgen lief das
Gerücht, die Gräfinn sey in der Nacht und

wa ein Herr anmerkt, Menſchen und Muſik¬
noten, Muſiknoten und Menſchen, kurz und
gut und ſchlecht, bald iſt bei beiden der Kopf
oben, bald der Schwanz, wenns nämlich ſchnell
gehen ſoll. Das ſind Gleichniſſe, ich weiß wohl,
Beſter, aber die Bäcker kündigen das weiche
Gebäck durch ſteinernes oder tönernes im La¬
den an, Menſchen indeß ihre härteſten Sachen,
worunter das Herz gehört, durch ihre weichſten,
wozu Worte gehören.“

Stumm auf dieſe Ströme führte Albano
ihn an der Hand nach Lilar vor Linda's Woh¬
nung. Alles war an dieſer ohne Licht und
ſchwarz. „Sprich droben ſanft Dein Wort,
mein Schoppe, und morgen ziehen wir wei¬
ter!“ ſagte ſehr leiſe unten Albano ſcheidend
und ließ ihn ins finſtere Trauerſchloß allein hin¬
aufgehen. — „Welch eine Gegenwart!“ ſagte
Albano auf dem Rückweg durch den Garten.

133. Zykel.

Lange erwartete Albano ſeinen Freund am
andern Tag, niemand erſchien, kein Menſch
wußte von ihm. Am zweiten Morgen lief das
Gerücht, die Gräfinn ſey in der Nacht und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0451" n="439"/>
wa ein Herr anmerkt, Men&#x017F;chen und Mu&#x017F;ik¬<lb/>
noten, Mu&#x017F;iknoten und Men&#x017F;chen, kurz und<lb/>
gut und &#x017F;chlecht, bald i&#x017F;t bei beiden der Kopf<lb/>
oben, bald der Schwanz, wenns nämlich &#x017F;chnell<lb/>
gehen &#x017F;oll. Das &#x017F;ind Gleichni&#x017F;&#x017F;e, ich weiß wohl,<lb/>
Be&#x017F;ter, aber die Bäcker kündigen das weiche<lb/>
Gebäck durch &#x017F;teinernes oder tönernes im La¬<lb/>
den an, Men&#x017F;chen indeß ihre härte&#x017F;ten Sachen,<lb/>
worunter das Herz gehört, durch ihre weich&#x017F;ten,<lb/>
wozu Worte gehören.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Stumm auf die&#x017F;e Ströme führte Albano<lb/>
ihn an der Hand nach Lilar vor Linda's Woh¬<lb/>
nung. Alles war an die&#x017F;er ohne Licht und<lb/>
&#x017F;chwarz. &#x201E;Sprich droben &#x017F;anft Dein Wort,<lb/>
mein Schoppe, und morgen ziehen wir wei¬<lb/>
ter!&#x201C; &#x017F;agte &#x017F;ehr lei&#x017F;e unten Albano &#x017F;cheidend<lb/>
und ließ ihn ins fin&#x017F;tere Trauer&#x017F;chloß allein hin¬<lb/>
aufgehen. &#x2014; &#x201E;Welch eine Gegenwart!&#x201C; &#x017F;agte<lb/>
Albano auf dem Rückweg durch den Garten.</p><lb/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>133. <hi rendition="#g">Zykel</hi>.<lb/></head>
          <p>Lange erwartete Albano &#x017F;einen Freund am<lb/>
andern Tag, niemand er&#x017F;chien, kein Men&#x017F;ch<lb/>
wußte von ihm. Am zweiten Morgen lief das<lb/>
Gerücht, die Gräfinn &#x017F;ey in der Nacht und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[439/0451] wa ein Herr anmerkt, Menſchen und Muſik¬ noten, Muſiknoten und Menſchen, kurz und gut und ſchlecht, bald iſt bei beiden der Kopf oben, bald der Schwanz, wenns nämlich ſchnell gehen ſoll. Das ſind Gleichniſſe, ich weiß wohl, Beſter, aber die Bäcker kündigen das weiche Gebäck durch ſteinernes oder tönernes im La¬ den an, Menſchen indeß ihre härteſten Sachen, worunter das Herz gehört, durch ihre weichſten, wozu Worte gehören.“ Stumm auf dieſe Ströme führte Albano ihn an der Hand nach Lilar vor Linda's Woh¬ nung. Alles war an dieſer ohne Licht und ſchwarz. „Sprich droben ſanft Dein Wort, mein Schoppe, und morgen ziehen wir wei¬ ter!“ ſagte ſehr leiſe unten Albano ſcheidend und ließ ihn ins finſtere Trauerſchloß allein hin¬ aufgehen. — „Welch eine Gegenwart!“ ſagte Albano auf dem Rückweg durch den Garten. 133. Zykel. Lange erwartete Albano ſeinen Freund am andern Tag, niemand erſchien, kein Menſch wußte von ihm. Am zweiten Morgen lief das Gerücht, die Gräfinn ſey in der Nacht und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/451
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/451>, abgerufen am 28.03.2024.