Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

seine leidenschaftliche Veränderung, die sie mit
der reichsten Aussteuer für ihre zartesten Hoff¬
nungen, aus ihrer Abreise und sogar aus ih¬
res Gemahls bevorstehender herzuleiten wußte.
Aber sie verbarg die größere Bewegung hinter
die kleinere. Beide schieden mit gegenseitigen
Freuden und Irrthümern aus einander. Al¬
bano wurde immer seeliger durch den genesen¬
den Vater; die Fürstinn wurd' es durch den
wärmern Sohn, und ihr Leben stieg aus dem
Kriegsschiff in ein fliegendes Friedensschiff über.
So kamen beide immer dichter an den Vor¬
hang, dessen Gemählde sie für die Bühne sel¬
ber hielten, um desto mehr zu staunen, wenn
er aufgieng.

107. Zykel.

Im Ritter war das vertrocknete Bette des
Lebens wieder reichlich angequollen durch die
Erschütterungen seines Herzens; -- eben weil
er in gesunden Tagen sich gleich Bergen durch
Eis und Moos zusammenhielt, so stellte in
kranken, schien es, eine rechte innere Bewe¬
gung leichter die alte Kraft und Ruhe wieder

Titan IV. F

ſeine leidenſchaftliche Veränderung, die ſie mit
der reichſten Ausſteuer für ihre zarteſten Hoff¬
nungen, aus ihrer Abreiſe und ſogar aus ih¬
res Gemahls bevorſtehender herzuleiten wußte.
Aber ſie verbarg die größere Bewegung hinter
die kleinere. Beide ſchieden mit gegenſeitigen
Freuden und Irrthümern aus einander. Al¬
bano wurde immer ſeeliger durch den geneſen¬
den Vater; die Fürſtinn wurd' es durch den
wärmern Sohn, und ihr Leben ſtieg aus dem
Kriegsſchiff in ein fliegendes Friedensſchiff über.
So kamen beide immer dichter an den Vor¬
hang, deſſen Gemählde ſie für die Bühne ſel¬
ber hielten, um deſto mehr zu ſtaunen, wenn
er aufgieng.

107. Zykel.

Im Ritter war das vertrocknete Bette des
Lebens wieder reichlich angequollen durch die
Erſchütterungen ſeines Herzens; — eben weil
er in geſunden Tagen ſich gleich Bergen durch
Eis und Moos zuſammenhielt, ſo ſtellte in
kranken, ſchien es, eine rechte innere Bewe¬
gung leichter die alte Kraft und Ruhe wieder

Titan IV. F
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0093" n="81"/>
&#x017F;eine leiden&#x017F;chaftliche Veränderung, die &#x017F;ie mit<lb/>
der reich&#x017F;ten Aus&#x017F;teuer für ihre zarte&#x017F;ten Hoff¬<lb/>
nungen, aus ihrer Abrei&#x017F;e und &#x017F;ogar aus ih¬<lb/>
res Gemahls bevor&#x017F;tehender herzuleiten wußte.<lb/>
Aber &#x017F;ie verbarg die größere Bewegung hinter<lb/>
die kleinere. Beide &#x017F;chieden mit gegen&#x017F;eitigen<lb/>
Freuden und Irrthümern aus einander. Al¬<lb/>
bano wurde immer &#x017F;eeliger durch den gene&#x017F;en¬<lb/>
den Vater; die Für&#x017F;tinn wurd' es durch den<lb/>
wärmern Sohn, und ihr Leben &#x017F;tieg aus dem<lb/>
Kriegs&#x017F;chiff in ein fliegendes Friedens&#x017F;chiff über.<lb/>
So kamen beide immer dichter an den Vor¬<lb/>
hang, de&#x017F;&#x017F;en Gemählde &#x017F;ie für die Bühne &#x017F;el¬<lb/>
ber hielten, um de&#x017F;to mehr zu &#x017F;taunen, wenn<lb/>
er aufgieng.</p><lb/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>107. <hi rendition="#g">Zykel.</hi><lb/></head>
          <p>Im Ritter war das vertrocknete Bette des<lb/>
Lebens wieder reichlich angequollen durch die<lb/>
Er&#x017F;chütterungen &#x017F;eines Herzens; &#x2014; eben weil<lb/>
er in ge&#x017F;unden Tagen &#x017F;ich gleich Bergen durch<lb/>
Eis und Moos zu&#x017F;ammenhielt, &#x017F;o &#x017F;tellte in<lb/>
kranken, &#x017F;chien es, eine rechte innere Bewe¬<lb/>
gung leichter die alte Kraft und Ruhe wieder<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Titan <hi rendition="#aq">IV</hi>. F<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0093] ſeine leidenſchaftliche Veränderung, die ſie mit der reichſten Ausſteuer für ihre zarteſten Hoff¬ nungen, aus ihrer Abreiſe und ſogar aus ih¬ res Gemahls bevorſtehender herzuleiten wußte. Aber ſie verbarg die größere Bewegung hinter die kleinere. Beide ſchieden mit gegenſeitigen Freuden und Irrthümern aus einander. Al¬ bano wurde immer ſeeliger durch den geneſen¬ den Vater; die Fürſtinn wurd' es durch den wärmern Sohn, und ihr Leben ſtieg aus dem Kriegsſchiff in ein fliegendes Friedensſchiff über. So kamen beide immer dichter an den Vor¬ hang, deſſen Gemählde ſie für die Bühne ſel¬ ber hielten, um deſto mehr zu ſtaunen, wenn er aufgieng. 107. Zykel. Im Ritter war das vertrocknete Bette des Lebens wieder reichlich angequollen durch die Erſchütterungen ſeines Herzens; — eben weil er in geſunden Tagen ſich gleich Bergen durch Eis und Moos zuſammenhielt, ſo ſtellte in kranken, ſchien es, eine rechte innere Bewe¬ gung leichter die alte Kraft und Ruhe wieder Titan IV. F

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/93
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/93>, abgerufen am 28.03.2024.