Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

Jahre, nur drei Tage lang ordentlich hinter
der seeligen Tochter nachläuten müßte. Er er¬
mahnte den Müller, "von den Zitronen zu
"kaufen, weil's gute wären, saftig, von dünner
"Rinde -- und Er und der ""Pfarrbube"" *)
"kennten sie von dem Begräbniß des gnädigen
"Fräuleins her -- und in 14 Tagen brauch'
"Er doch für die gesammte Geistlichkeit welche,
"als Brautvater!" -- Wie sind hier die Sit¬
ten? fragte Albano.

"Wenn nehmlich jemand stirbt, (sagte der
Küster sehr ehrerbietig und freundlich,) so be¬
kommt der Pfarrer und meine Wenigkeit eine
Zitrone und so auch die Leiche. -- Wird aber
jemand getrauet, so bekommt die Geistlich¬
keit und so auch die Braut dergleichen. Das
ist aber bei uns so Sitte, mein gnädigster
Herr!" --

Albano gieng in den nahen Garten am
Haus, in welchen die aufgedeckten Mühlenrä¬
der ihre Silberfunken warfen und welcher vom
Glanze und Getöse des offnen Wassers wie ver¬

*) So heisset z. B. in Ungarn der Diakonus.

Jahre, nur drei Tage lang ordentlich hinter
der ſeeligen Tochter nachläuten müßte. Er er¬
mahnte den Müller, „von den Zitronen zu
„kaufen, weil's gute wären, ſaftig, von dünner
„Rinde — und Er und der „„Pfarrbube““ *)
„kennten ſie von dem Begräbniß des gnädigen
„Fräuleins her — und in 14 Tagen brauch'
„Er doch für die geſammte Geiſtlichkeit welche,
„als Brautvater!“ — Wie ſind hier die Sit¬
ten? fragte Albano.

„Wenn nehmlich jemand ſtirbt, (ſagte der
Küſter ſehr ehrerbietig und freundlich,) ſo be¬
kommt der Pfarrer und meine Wenigkeit eine
Zitrone und ſo auch die Leiche. — Wird aber
jemand getrauet, ſo bekommt die Geiſtlich¬
keit und ſo auch die Braut dergleichen. Das
iſt aber bei uns ſo Sitte, mein gnädigſter
Herr!“ —

Albano gieng in den nahen Garten am
Haus, in welchen die aufgedeckten Mühlenrä¬
der ihre Silberfunken warfen und welcher vom
Glanze und Getöſe des offnen Waſſers wie ver¬

*) So heiſſet z. B. in Ungarn der Diakonus.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0020" n="8"/>
Jahre, nur drei Tage lang ordentlich hinter<lb/>
der &#x017F;eeligen Tochter nachläuten müßte. Er er¬<lb/>
mahnte den Müller, &#x201E;von den Zitronen zu<lb/>
&#x201E;kaufen, weil's gute wären, &#x017F;aftig, von dünner<lb/>
&#x201E;Rinde &#x2014; und Er und der &#x201E;&#x201E;Pfarrbube&#x201C;&#x201C; <note place="foot" n="*)"><lb/>
So hei&#x017F;&#x017F;et z. B. in Ungarn der Diakonus.</note><lb/>
&#x201E;kennten &#x017F;ie von dem Begräbniß des gnädigen<lb/>
&#x201E;Fräuleins her &#x2014; und in 14 Tagen brauch'<lb/>
&#x201E;Er doch für die ge&#x017F;ammte Gei&#x017F;tlichkeit welche,<lb/>
&#x201E;als Brautvater!&#x201C; &#x2014; Wie &#x017F;ind hier die Sit¬<lb/>
ten? fragte Albano.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Wenn nehmlich jemand &#x017F;tirbt, (&#x017F;agte der<lb/>&#x017F;ter &#x017F;ehr ehrerbietig und freundlich,) &#x017F;o be¬<lb/>
kommt der Pfarrer und meine Wenigkeit eine<lb/>
Zitrone und &#x017F;o auch die Leiche. &#x2014; Wird aber<lb/>
jemand getrauet, &#x017F;o bekommt die Gei&#x017F;tlich¬<lb/>
keit und &#x017F;o auch die Braut dergleichen. Das<lb/>
i&#x017F;t aber bei uns &#x017F;o Sitte, mein gnädig&#x017F;ter<lb/>
Herr!&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
          <p>Albano gieng in den nahen Garten am<lb/>
Haus, in welchen die aufgedeckten Mühlenrä¬<lb/>
der ihre Silberfunken warfen und welcher vom<lb/>
Glanze und Getö&#x017F;e des offnen Wa&#x017F;&#x017F;ers wie ver¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0020] Jahre, nur drei Tage lang ordentlich hinter der ſeeligen Tochter nachläuten müßte. Er er¬ mahnte den Müller, „von den Zitronen zu „kaufen, weil's gute wären, ſaftig, von dünner „Rinde — und Er und der „„Pfarrbube““ *) „kennten ſie von dem Begräbniß des gnädigen „Fräuleins her — und in 14 Tagen brauch' „Er doch für die geſammte Geiſtlichkeit welche, „als Brautvater!“ — Wie ſind hier die Sit¬ ten? fragte Albano. „Wenn nehmlich jemand ſtirbt, (ſagte der Küſter ſehr ehrerbietig und freundlich,) ſo be¬ kommt der Pfarrer und meine Wenigkeit eine Zitrone und ſo auch die Leiche. — Wird aber jemand getrauet, ſo bekommt die Geiſtlich¬ keit und ſo auch die Braut dergleichen. Das iſt aber bei uns ſo Sitte, mein gnädigſter Herr!“ — Albano gieng in den nahen Garten am Haus, in welchen die aufgedeckten Mühlenrä¬ der ihre Silberfunken warfen und welcher vom Glanze und Getöſe des offnen Waſſers wie ver¬ *) So heiſſet z. B. in Ungarn der Diakonus.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/20
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/20>, abgerufen am 19.04.2024.