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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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alle ein, gleichsam zu einem korinthischen Erz,
und umfaßte alle, ohne gefasset zu werden.
Auf seiner kalt, über stark aufdringenden Le¬
bensquelle ließ er die Welt wie eine Kugel
spielen und schweben.

Albano bewahrte, mit allen unzufrieden,
seine Begeisterung, den unterirdischen Göttern
der Vergangenheit um ihn her nach alter Sitte
opfernd, nehmlich mit Schweigen. Wohl hätt'
er reden wollen und können, aber anders, in
Oden, mit dem ganzen Menschen, mit Strö¬
men, die aufwärts stiegen und wüchsen. Im¬
mer sehnsüchtiger sah er an die Fenster nach
dem Mond im reinen Regenblau und nach ein¬
zelnen Säulen des Forum's; draussen glänzte
ihm die größte Welt. -- Endlich stand er zür¬
nend und schmachtend auf und schlich hinunter
in die dämmernde Herrlichkeit und trat vor
das Forum; aber die Mondnacht, die Deko¬
rationsmahlerinn, die mit unförmlichen Stri¬
chen arbeitet, macht' ihm fast die Bühne un¬
kenntlich.

Welch' eine öde, weite Ebene, hoch von Rui¬
nen, Gärten, Tempeln umgeben, mit gestürzten

alle ein, gleichſam zu einem korinthiſchen Erz,
und umfaßte alle, ohne gefaſſet zu werden.
Auf ſeiner kalt, über ſtark aufdringenden Le¬
bensquelle ließ er die Welt wie eine Kugel
ſpielen und ſchweben.

Albano bewahrte, mit allen unzufrieden,
ſeine Begeiſterung, den unterirdiſchen Göttern
der Vergangenheit um ihn her nach alter Sitte
opfernd, nehmlich mit Schweigen. Wohl hätt'
er reden wollen und können, aber anders, in
Oden, mit dem ganzen Menſchen, mit Strö¬
men, die aufwärts ſtiegen und wüchſen. Im¬
mer ſehnſüchtiger ſah er an die Fenſter nach
dem Mond im reinen Regenblau und nach ein¬
zelnen Säulen des Forum's; drauſſen glänzte
ihm die größte Welt. — Endlich ſtand er zür¬
nend und ſchmachtend auf und ſchlich hinunter
in die dämmernde Herrlichkeit und trat vor
das Forum; aber die Mondnacht, die Deko¬
rationsmahlerinn, die mit unförmlichen Stri¬
chen arbeitet, macht' ihm faſt die Bühne un¬
kenntlich.

Welch' eine öde, weite Ebene, hoch von Rui¬
nen, Gärten, Tempeln umgeben, mit geſtürzten

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[27/0039] alle ein, gleichſam zu einem korinthiſchen Erz, und umfaßte alle, ohne gefaſſet zu werden. Auf ſeiner kalt, über ſtark aufdringenden Le¬ bensquelle ließ er die Welt wie eine Kugel ſpielen und ſchweben. Albano bewahrte, mit allen unzufrieden, ſeine Begeiſterung, den unterirdiſchen Göttern der Vergangenheit um ihn her nach alter Sitte opfernd, nehmlich mit Schweigen. Wohl hätt' er reden wollen und können, aber anders, in Oden, mit dem ganzen Menſchen, mit Strö¬ men, die aufwärts ſtiegen und wüchſen. Im¬ mer ſehnſüchtiger ſah er an die Fenſter nach dem Mond im reinen Regenblau und nach ein¬ zelnen Säulen des Forum's; drauſſen glänzte ihm die größte Welt. — Endlich ſtand er zür¬ nend und ſchmachtend auf und ſchlich hinunter in die dämmernde Herrlichkeit und trat vor das Forum; aber die Mondnacht, die Deko¬ rationsmahlerinn, die mit unförmlichen Stri¬ chen arbeitet, macht' ihm faſt die Bühne un¬ kenntlich. Welch' eine öde, weite Ebene, hoch von Rui¬ nen, Gärten, Tempeln umgeben, mit geſtürzten

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/39>, abgerufen am 28.03.2024.