Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Abth. II. Cap. Von der Beichte
öffters fehlten/ dennoch vergeben wolte/ denenjenigen aber/
so die Sünden nicht bekennen wolten/ solche dadurch gehäuf-
fet würden; so hätte man anfangs beliebet/ daß man seine
Sünden vor der Gemeinde öffentlich bekennet. Nachmahls
wäre ein gewisser Aeltester gesetzet worden/ dessen Umgang
untadelich/ und der verschwiegen wäre/ welchem die Sün-
den bekennet und gebeichtet worden d).

Die Anord-
nung dieses
Aeltesten
ware nichtüberall.
§. IV.

Diese Anordnung aber ware nur in der Con-
stantinopolitani
schen Kirche/ und findet sich nichts/ daß an-
dere Gemeinden dergleichen geheime Beichte eingeführet.
Ja es kan noch einiger massen zweiffelhafft gemacht werden/
ob auch in der Kirche zu Constantinopel ein solcher Aelte-
ster/ wie ihn Socrates und Sozomenus beschreiben/ gesetzet
gewesen a). Am allerwenigsten aber ist zu glauben/ daß bey
solchem alle Menschen/ auch die Frommen und Gläubigen
sich eingefunden/ ihre Sünden ihm im Vertrauen hergebe-

tet/
d) Jngleichen
Sozomeni.
Sozomenus Hist. eccles. Lib. VII. cap. 10. Quoniam prorsus non
peccare, diuiniorem, quam humana sit, naturam requirit, poeni-
tentibus vero Deus, etiamsi saepenumero deliquerint, ignosci
praecepit, & illis qui peccata sua confiteri detrectant, delicta vt
credibile est, aggrauantur; inde ab initio sacerdotibus placuit, vt
velut in theatro, teste multitudine ecclesiae peccata manifestaren-
tur. Et ad hoc instituti, presbyterum aliquem, cujus conuersatio
esset optima, tenacem etiam secretorum & prudentem deputa-
runt, ad quem qui deliquerunt accedentes, quae gessissent,
confiterentur.
a) Die Anord-
nung dieses
Aeltesten ist
zweiffelhafft.
Socrates berufft sich auf den einigen Eudaemonem, und führet
keinen weitern Zeugen an. Sozomenus, der ihn ausgeschrieben,
wancket hin und her. Beyde sind unter sich selbst nicht einig. Die-
ses hat den Calvoer bewogen, daß er cit. l. pag. 340. vorgiebet, die
Stellen, so wir aus diesen Scribenten angeführet/ wären von einem
Patron der geheimen und Ohren-Beichte eingeschoben worden.
Allein ich lasse solches an seinen Ort gestellet seyn.
b) Denn

I. Abth. II. Cap. Von der Beichte
oͤffters fehlten/ dennoch vergeben wolte/ denenjenigen aber/
ſo die Suͤnden nicht bekennen wolten/ ſolche dadurch gehaͤuf-
fet wuͤrden; ſo haͤtte man anfangs beliebet/ daß man ſeine
Suͤnden vor der Gemeinde oͤffentlich bekennet. Nachmahls
waͤre ein gewiſſer Aelteſter geſetzet worden/ deſſen Umgang
untadelich/ und der verſchwiegen waͤre/ welchem die Suͤn-
den bekennet und gebeichtet worden d).

Die Anord-
nung dieſes
Aelteſten
ware nichtuͤberall.
§. IV.

Dieſe Anordnung aber ware nur in der Con-
ſtantinopolitani
ſchen Kirche/ und findet ſich nichts/ daß an-
dere Gemeinden dergleichen geheime Beichte eingefuͤhret.
Ja es kan noch einiger maſſen zweiffelhafft gemacht werden/
ob auch in der Kirche zu Conſtantinopel ein ſolcher Aelte-
ſter/ wie ihn Socrates und Sozomenus beſchreiben/ geſetzet
geweſen a). Am allerwenigſten aber iſt zu glauben/ daß bey
ſolchem alle Menſchen/ auch die Frommen und Glaͤubigen
ſich eingefunden/ ihre Suͤnden ihm im Vertrauen hergebe-

tet/
d) Jngleichen
Sozomeni.
Sozomenus Hiſt. eccleſ. Lib. VII. cap. 10. Quoniam prorſus non
peccare, diuiniorem, quam humana ſit, naturam requirit, pœni-
tentibus vero Deus, etiamſi ſæpenumero deliquerint, ignoſci
præcepit, & illis qui peccata ſua confiteri detrectant, delicta vt
credibile eſt, aggrauantur; inde ab initio ſacerdotibus placuit, vt
velut in theatro, teſte multitudine eccleſiæ peccata manifeſtaren-
tur. Et ad hoc inſtituti, presbyterum aliquem, cujus conuerſatio
eſſet optima, tenacem etiam ſecretorum & prudentem deputa-
runt, ad quem qui deliquerunt accedentes, quæ gesſiſſent,
confiterentur.
a) Die Anord-
nung dieſes
Aelteſten iſt
zweiffelhafft.
Socrates berufft ſich auf den einigen Eudæmonem, und fuͤhret
keinen weitern Zeugen an. Sozomenus, der ihn ausgeſchrieben,
wancket hin und her. Beyde ſind unter ſich ſelbſt nicht einig. Die-
ſes hat den Calvoer bewogen, daß er cit. l. pag. 340. vorgiebet, die
Stellen, ſo wir aus dieſen Scribenten angefuͤhret/ waͤren von einem
Patron der geheimen und Ohren-Beichte eingeſchoben worden.
Allein ich laſſe ſolches an ſeinen Ort geſtellet ſeyn.
b) Denn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0103" n="84"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Abth. <hi rendition="#aq">II.</hi> Cap. Von der Beichte</hi></fw><lb/>
o&#x0364;ffters fehlten/ dennoch vergeben wolte/ denenjenigen aber/<lb/>
&#x017F;o die Su&#x0364;nden nicht bekennen wolten/ &#x017F;olche dadurch geha&#x0364;uf-<lb/>
fet wu&#x0364;rden; &#x017F;o ha&#x0364;tte man anfangs beliebet/ daß man &#x017F;eine<lb/>
Su&#x0364;nden vor der Gemeinde o&#x0364;ffentlich bekennet. Nachmahls<lb/>
wa&#x0364;re ein gewi&#x017F;&#x017F;er Aelte&#x017F;ter ge&#x017F;etzet worden/ de&#x017F;&#x017F;en Umgang<lb/>
untadelich/ und der ver&#x017F;chwiegen wa&#x0364;re/ welchem die Su&#x0364;n-<lb/>
den bekennet und gebeichtet worden <note place="foot" n="d)"><note place="left">Jngleichen<lb/><hi rendition="#aq">Sozomeni.</hi></note><hi rendition="#aq">Sozomenus <hi rendition="#i">Hi&#x017F;t. eccle&#x017F;. Lib. VII. cap. 10.</hi> Quoniam pror&#x017F;us non<lb/>
peccare, diuiniorem, quam humana &#x017F;it, naturam requirit, p&#x0153;ni-<lb/>
tentibus vero Deus, etiam&#x017F;i &#x017F;æpenumero deliquerint, igno&#x017F;ci<lb/>
præcepit, &amp; illis qui peccata &#x017F;ua confiteri detrectant, delicta vt<lb/>
credibile e&#x017F;t, aggrauantur; inde ab initio &#x017F;acerdotibus placuit, vt<lb/>
velut in theatro, te&#x017F;te multitudine eccle&#x017F;iæ peccata manife&#x017F;taren-<lb/>
tur. Et ad hoc in&#x017F;tituti, presbyterum aliquem, cujus conuer&#x017F;atio<lb/>
e&#x017F;&#x017F;et optima, tenacem etiam &#x017F;ecretorum &amp; prudentem deputa-<lb/>
runt, ad quem qui deliquerunt accedentes, quæ ges&#x017F;i&#x017F;&#x017F;ent,<lb/>
confiterentur.</hi></note>.</p><lb/>
            <note place="left">Die Anord-<lb/>
nung die&#x017F;es<lb/>
Aelte&#x017F;ten<lb/>
ware nichtu&#x0364;berall.</note>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. <hi rendition="#aq">IV.</hi></head>
            <p>Die&#x017F;e Anordnung aber ware nur in der <hi rendition="#aq">Con-<lb/>
&#x017F;tantinopolitani</hi>&#x017F;chen Kirche/ und findet &#x017F;ich nichts/ daß an-<lb/>
dere Gemeinden dergleichen geheime Beichte eingefu&#x0364;hret.<lb/>
Ja es kan noch einiger ma&#x017F;&#x017F;en zweiffelhafft gemacht werden/<lb/>
ob auch in der Kirche zu <hi rendition="#aq">Con&#x017F;tantinopel</hi> ein &#x017F;olcher Aelte-<lb/>
&#x017F;ter/ wie ihn <hi rendition="#aq">Socrates</hi> und <hi rendition="#aq">Sozomenus</hi> be&#x017F;chreiben/ ge&#x017F;etzet<lb/>
gewe&#x017F;en <note place="foot" n="a)"><note place="left">Die Anord-<lb/>
nung die&#x017F;es<lb/>
Aelte&#x017F;ten i&#x017F;t<lb/>
zweiffelhafft.</note><hi rendition="#aq">Socrates</hi> berufft &#x017F;ich auf den einigen <hi rendition="#aq">Eudæmonem,</hi> und fu&#x0364;hret<lb/>
keinen weitern Zeugen an. <hi rendition="#aq">Sozomenus,</hi> der ihn ausge&#x017F;chrieben,<lb/>
wancket hin und her. Beyde &#x017F;ind unter &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t nicht einig. Die-<lb/>
&#x017F;es hat den <hi rendition="#aq">Calvoer</hi> bewogen, daß er <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">cit. l. pag. 340.</hi></hi> vorgiebet, die<lb/>
Stellen, &#x017F;o wir aus die&#x017F;en <hi rendition="#aq">Scriben</hi>ten angefu&#x0364;hret/ wa&#x0364;ren von einem<lb/><hi rendition="#aq">Patron</hi> der geheimen und Ohren-Beichte einge&#x017F;choben worden.<lb/>
Allein ich la&#x017F;&#x017F;e &#x017F;olches an &#x017F;einen Ort ge&#x017F;tellet &#x017F;eyn.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">b)</hi> Denn</fw></note>. Am allerwenig&#x017F;ten aber i&#x017F;t zu glauben/ daß bey<lb/>
&#x017F;olchem alle Men&#x017F;chen/ auch die Frommen und Gla&#x0364;ubigen<lb/>
&#x017F;ich eingefunden/ ihre Su&#x0364;nden ihm im Vertrauen hergebe-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">tet/</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0103] I. Abth. II. Cap. Von der Beichte oͤffters fehlten/ dennoch vergeben wolte/ denenjenigen aber/ ſo die Suͤnden nicht bekennen wolten/ ſolche dadurch gehaͤuf- fet wuͤrden; ſo haͤtte man anfangs beliebet/ daß man ſeine Suͤnden vor der Gemeinde oͤffentlich bekennet. Nachmahls waͤre ein gewiſſer Aelteſter geſetzet worden/ deſſen Umgang untadelich/ und der verſchwiegen waͤre/ welchem die Suͤn- den bekennet und gebeichtet worden d). §. IV. Dieſe Anordnung aber ware nur in der Con- ſtantinopolitaniſchen Kirche/ und findet ſich nichts/ daß an- dere Gemeinden dergleichen geheime Beichte eingefuͤhret. Ja es kan noch einiger maſſen zweiffelhafft gemacht werden/ ob auch in der Kirche zu Conſtantinopel ein ſolcher Aelte- ſter/ wie ihn Socrates und Sozomenus beſchreiben/ geſetzet geweſen a). Am allerwenigſten aber iſt zu glauben/ daß bey ſolchem alle Menſchen/ auch die Frommen und Glaͤubigen ſich eingefunden/ ihre Suͤnden ihm im Vertrauen hergebe- tet/ d) Sozomenus Hiſt. eccleſ. Lib. VII. cap. 10. Quoniam prorſus non peccare, diuiniorem, quam humana ſit, naturam requirit, pœni- tentibus vero Deus, etiamſi ſæpenumero deliquerint, ignoſci præcepit, & illis qui peccata ſua confiteri detrectant, delicta vt credibile eſt, aggrauantur; inde ab initio ſacerdotibus placuit, vt velut in theatro, teſte multitudine eccleſiæ peccata manifeſtaren- tur. Et ad hoc inſtituti, presbyterum aliquem, cujus conuerſatio eſſet optima, tenacem etiam ſecretorum & prudentem deputa- runt, ad quem qui deliquerunt accedentes, quæ gesſiſſent, confiterentur. a) Socrates berufft ſich auf den einigen Eudæmonem, und fuͤhret keinen weitern Zeugen an. Sozomenus, der ihn ausgeſchrieben, wancket hin und her. Beyde ſind unter ſich ſelbſt nicht einig. Die- ſes hat den Calvoer bewogen, daß er cit. l. pag. 340. vorgiebet, die Stellen, ſo wir aus dieſen Scribenten angefuͤhret/ waͤren von einem Patron der geheimen und Ohren-Beichte eingeſchoben worden. Allein ich laſſe ſolches an ſeinen Ort geſtellet ſeyn. b) Denn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/103
Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/103>, abgerufen am 25.04.2024.