Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

bey denen Protestirenden.
schencket solche bald auf eine unsichtbare Weise seiner Macht,
bald durch Hülffe der Aertzte.
Man muß sich verwundern/
daß man heute zu Tage lange nicht so geschickt von dieser
Materie urtheilet/ als die Patres schon dazumahl gethan.
Doch die Ursachen sind leicht zu errathen.

§. XX.

Aus allem/ was bißher gesaget worden/ kanBeichtstuhl
ist nicht
nothwen-
dig.

man zur Gnüge erkennen/ daß die Beicht-Stühle keines-
weges als nothwendige Anstalten zu betrachten sind. Klu-
ge Theologi bekennen solches selbst. Jn der göttlichen
Schrifft ist nichts davon geboten. Die erste reine Kirche hat
nichts davon gewust. Durch ein öffentliches und allgemei-
nes Gesetze
ist die Beichte erst in dem dreyzehenden Seculo
aufkommen. Man darff also diese Anstalt vor nichts an-
ders/ als einen äusserlichen Kirchen-Gebrauch ansehen. Der
seelige Spener ist hier mit mir einerley Meinung/ da er in
seinen Theologischen Bedencken saget a): Es wird auch zuge-

stan-
a) Vol. II. art. I. sect. 27. pag. 161. Jn eben diesen Bedencken, Vol. vlt.Nach Speneri,
Schilteri
und
Carpzouii
Meinung.

P. 1. cap. II. art. 6. sect. 6. p. 557. drucket er seine Meinung derge-
stalt aus: Jm übrigen bleibet auch dieses unwiedersprech-
lich, daß man bey aller Beybehaltung des Beicht-Stuhls
denen Leuten allen Aberglauben, welchen sie an demselben
fassen mögen, mit allem Fleiß und Ernst benehme, sonder-
lich, wenn sie die Vergebung der Sünden daran binden.
&c.
Dieses mögen absonderlich diejenigen zu Ohren fassen, und fleis-
sig mercken, welche alle ihre Kräffte daran strecken, die Nothwen-
digkeit
der Beichte zu behaupten. Schilter in Instit. jur. can. Lib.
II. Tit.
4. §. 11. saget auch, die Beichte fliesse nur aus dem von Men-
schen geordneten Recht. Die Kirche könte also wegen derselben
dispensiren. Er beruffet sich zugleich auf Carpzovium, und von
denen alten auf Socratem und Sozomenum. Dieser ihre Worte
habe schon oben angeführet. Wenn man aber zustehet, die
Beichte sey juris positiui, so düncket mich, die absolution wird eben-
falls aus keiner andern Quelle herzuleiten seyn. Denn die abso-
lution
(Recht der Beicht-Stühle.) y

bey denen Proteſtirenden.
ſchencket ſolche bald auf eine unſichtbare Weiſe ſeiner Macht,
bald durch Huͤlffe der Aertzte.
Man muß ſich verwundern/
daß man heute zu Tage lange nicht ſo geſchickt von dieſer
Materie urtheilet/ als die Patres ſchon dazumahl gethan.
Doch die Urſachen ſind leicht zu errathen.

§. XX.

Aus allem/ was bißher geſaget worden/ kanBeichtſtuhl
iſt nicht
nothwen-
dig.

man zur Gnuͤge erkennen/ daß die Beicht-Stuͤhle keines-
weges als nothwendige Anſtalten zu betrachten ſind. Klu-
ge Theologi bekennen ſolches ſelbſt. Jn der goͤttlichen
Schrifft iſt nichts davon geboten. Die erſte reine Kirche hat
nichts davon gewuſt. Durch ein oͤffentliches und allgemei-
nes Geſetze
iſt die Beichte erſt in dem dreyzehenden Seculo
aufkommen. Man darff alſo dieſe Anſtalt vor nichts an-
ders/ als einen aͤuſſerlichen Kirchen-Gebrauch anſehen. Der
ſeelige Spener iſt hier mit mir einerley Meinung/ da er in
ſeinen Theologiſchen Bedencken ſaget a): Es wird auch zuge-

ſtan-
a) Vol. II. art. I. ſect. 27. pag. 161. Jn eben dieſen Bedencken, Vol. vlt.Nach Speneri,
Schilteri
und
Carpzouii
Meinung.

P. 1. cap. II. art. 6. ſect. 6. p. 557. drucket er ſeine Meinung derge-
ſtalt aus: Jm uͤbrigen bleibet auch dieſes unwiederſprech-
lich, daß man bey aller Beybehaltung des Beicht-Stuhls
denen Leuten allen Aberglauben, welchen ſie an demſelben
faſſen moͤgen, mit allem Fleiß und Ernſt benehme, ſonder-
lich, wenn ſie die Vergebung der Suͤnden daran binden.
&c.
Dieſes moͤgen abſonderlich diejenigen zu Ohren faſſen, und fleiſ-
ſig mercken, welche alle ihre Kraͤffte daran ſtrecken, die Nothwen-
digkeit
der Beichte zu behaupten. Schilter in Inſtit. jur. can. Lib.
II. Tit.
4. §. 11. ſaget auch, die Beichte flieſſe nur aus dem von Men-
ſchen geordneten Recht. Die Kirche koͤnte alſo wegen derſelben
diſpenſiren. Er beruffet ſich zugleich auf Carpzovium, und von
denen alten auf Socratem und Sozomenum. Dieſer ihre Worte
habe ſchon oben angefuͤhret. Wenn man aber zuſtehet, die
Beichte ſey juris poſitiui, ſo duͤncket mich, die abſolution wird eben-
falls aus keiner andern Quelle herzuleiten ſeyn. Denn die abſo-
lution
(Recht der Beicht-Stuͤhle.) y
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0188" n="169"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">bey denen <hi rendition="#aq">Prote&#x017F;ti</hi>renden.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;chencket &#x017F;olche bald auf eine un&#x017F;ichtbare Wei&#x017F;e &#x017F;einer Macht,<lb/>
bald durch Hu&#x0364;lffe der Aertzte.</hi> Man muß &#x017F;ich verwundern/<lb/>
daß man heute zu Tage lange nicht &#x017F;o ge&#x017F;chickt von die&#x017F;er<lb/>
Materie urtheilet/ als die <hi rendition="#aq">Patres</hi> &#x017F;chon dazumahl gethan.<lb/>
Doch die Ur&#x017F;achen &#x017F;ind leicht zu errathen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. <hi rendition="#aq">XX.</hi></head>
            <p>Aus allem/ was bißher ge&#x017F;aget worden/ kan<note place="right">Beicht&#x017F;tuhl<lb/>
i&#x017F;t nicht<lb/>
nothwen-<lb/>
dig.</note><lb/>
man zur Gnu&#x0364;ge erkennen/ daß die Beicht-Stu&#x0364;hle keines-<lb/>
weges als <hi rendition="#fr">nothwendige An&#x017F;talten</hi> zu betrachten &#x017F;ind. Klu-<lb/>
ge <hi rendition="#aq">Theologi</hi> bekennen &#x017F;olches &#x017F;elb&#x017F;t. Jn der go&#x0364;ttlichen<lb/>
Schrifft i&#x017F;t nichts davon geboten. Die er&#x017F;te reine Kirche hat<lb/>
nichts davon gewu&#x017F;t. Durch ein <hi rendition="#fr">o&#x0364;ffentliches</hi> und <hi rendition="#fr">allgemei-<lb/>
nes Ge&#x017F;etze</hi> i&#x017F;t die Beichte er&#x017F;t in dem dreyzehenden <hi rendition="#aq">Seculo</hi><lb/>
aufkommen. Man darff al&#x017F;o die&#x017F;e An&#x017F;talt vor nichts an-<lb/>
ders/ als einen <hi rendition="#fr">a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlichen Kirchen-Gebrauch</hi> an&#x017F;ehen. Der<lb/>
&#x017F;eelige Spener i&#x017F;t hier mit mir einerley Meinung/ da er in<lb/>
&#x017F;einen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Theologi</hi></hi><hi rendition="#fr">&#x017F;chen Bedencken</hi> &#x017F;aget <note xml:id="g61" next="#g62" place="foot" n="a)"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Vol. II. art. I. &#x017F;ect. 27. pag.</hi> 161.</hi> Jn eben die&#x017F;en Bedencken, <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Vol. vlt.</hi></hi><note place="right">Nach <hi rendition="#aq">Speneri,<lb/>
Schilteri</hi> und<lb/><hi rendition="#aq">Carpzouii</hi><lb/>
Meinung.</note><lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">P. 1. cap. II. art. 6. &#x017F;ect. 6. p.</hi> 557.</hi> drucket er &#x017F;eine Meinung derge-<lb/>
&#x017F;talt aus: <hi rendition="#fr">Jm u&#x0364;brigen bleibet auch die&#x017F;es unwieder&#x017F;prech-<lb/>
lich, daß man bey aller Beybehaltung des Beicht-Stuhls<lb/>
denen Leuten allen Aberglauben, welchen &#x017F;ie an dem&#x017F;elben<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;en mo&#x0364;gen, mit allem Fleiß und Ern&#x017F;t benehme, &#x017F;onder-<lb/>
lich, wenn &#x017F;ie die Vergebung der Su&#x0364;nden daran binden.</hi> <hi rendition="#aq">&amp;c.</hi><lb/>
Die&#x017F;es mo&#x0364;gen ab&#x017F;onderlich diejenigen zu Ohren fa&#x017F;&#x017F;en, und flei&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ig mercken, welche alle ihre Kra&#x0364;ffte daran &#x017F;trecken, die <hi rendition="#fr">Nothwen-<lb/>
digkeit</hi> der Beichte zu behaupten. <hi rendition="#aq">Schilter <hi rendition="#i">in In&#x017F;tit. jur. can. Lib.<lb/>
II. Tit.</hi></hi> 4. §. <hi rendition="#i">11.</hi> &#x017F;aget auch, die Beichte flie&#x017F;&#x017F;e nur aus dem von Men-<lb/>
&#x017F;chen geordneten Recht. Die Kirche ko&#x0364;nte al&#x017F;o wegen der&#x017F;elben<lb/><hi rendition="#aq">di&#x017F;pen&#x017F;i</hi>ren. Er beruffet &#x017F;ich zugleich auf <hi rendition="#aq">Carpzovium,</hi> und von<lb/>
denen alten auf <hi rendition="#aq">Socratem</hi> und <hi rendition="#aq">Sozomenum.</hi> Die&#x017F;er ihre Worte<lb/>
habe &#x017F;chon oben angefu&#x0364;hret. Wenn man aber zu&#x017F;tehet, die<lb/>
Beichte &#x017F;ey <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">juris po&#x017F;itiui,</hi></hi> &#x017F;o du&#x0364;ncket mich, die <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">ab&#x017F;olution</hi></hi> wird eben-<lb/>
falls aus keiner andern Quelle herzuleiten &#x017F;eyn. Denn die <hi rendition="#aq">ab&#x017F;o-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">lution</hi></fw></note>: <hi rendition="#fr">Es wird auch zuge-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">&#x017F;tan-</hi></fw><lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">(Recht der Beicht-Stu&#x0364;hle.)</hi> y</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[169/0188] bey denen Proteſtirenden. ſchencket ſolche bald auf eine unſichtbare Weiſe ſeiner Macht, bald durch Huͤlffe der Aertzte. Man muß ſich verwundern/ daß man heute zu Tage lange nicht ſo geſchickt von dieſer Materie urtheilet/ als die Patres ſchon dazumahl gethan. Doch die Urſachen ſind leicht zu errathen. §. XX. Aus allem/ was bißher geſaget worden/ kan man zur Gnuͤge erkennen/ daß die Beicht-Stuͤhle keines- weges als nothwendige Anſtalten zu betrachten ſind. Klu- ge Theologi bekennen ſolches ſelbſt. Jn der goͤttlichen Schrifft iſt nichts davon geboten. Die erſte reine Kirche hat nichts davon gewuſt. Durch ein oͤffentliches und allgemei- nes Geſetze iſt die Beichte erſt in dem dreyzehenden Seculo aufkommen. Man darff alſo dieſe Anſtalt vor nichts an- ders/ als einen aͤuſſerlichen Kirchen-Gebrauch anſehen. Der ſeelige Spener iſt hier mit mir einerley Meinung/ da er in ſeinen Theologiſchen Bedencken ſaget a): Es wird auch zuge- ſtan- Beichtſtuhl iſt nicht nothwen- dig. a) Vol. II. art. I. ſect. 27. pag. 161. Jn eben dieſen Bedencken, Vol. vlt. P. 1. cap. II. art. 6. ſect. 6. p. 557. drucket er ſeine Meinung derge- ſtalt aus: Jm uͤbrigen bleibet auch dieſes unwiederſprech- lich, daß man bey aller Beybehaltung des Beicht-Stuhls denen Leuten allen Aberglauben, welchen ſie an demſelben faſſen moͤgen, mit allem Fleiß und Ernſt benehme, ſonder- lich, wenn ſie die Vergebung der Suͤnden daran binden. &c. Dieſes moͤgen abſonderlich diejenigen zu Ohren faſſen, und fleiſ- ſig mercken, welche alle ihre Kraͤffte daran ſtrecken, die Nothwen- digkeit der Beichte zu behaupten. Schilter in Inſtit. jur. can. Lib. II. Tit. 4. §. 11. ſaget auch, die Beichte flieſſe nur aus dem von Men- ſchen geordneten Recht. Die Kirche koͤnte alſo wegen derſelben diſpenſiren. Er beruffet ſich zugleich auf Carpzovium, und von denen alten auf Socratem und Sozomenum. Dieſer ihre Worte habe ſchon oben angefuͤhret. Wenn man aber zuſtehet, die Beichte ſey juris poſitiui, ſo duͤncket mich, die abſolution wird eben- falls aus keiner andern Quelle herzuleiten ſeyn. Denn die abſo- lution (Recht der Beicht-Stuͤhle.) y

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/188
Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/188>, abgerufen am 25.04.2024.