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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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II. Abth. I. Cap. Von Erwehlung
Wie sich die
Priester ver-
halten sol-
ten, wenn
man nicht
ferner bey
ihnen beich-tete.
§. XVI.

Wenn nun unsere Priester es sich einen Ernst
seyn liessen/ denen Befehlen ihres und unser aller Heylan-
des/ und seinem Exempel nachzukommen/ nehmlich/ sich
untereinander brüderlich zu lieben, so glaube ich auch, daß man
das Zwang-Recht bey dem Beicht-Wesen bald abschaffen
würde a). Denn auf diese Weise würden sie nicht böse dar-
auf werden/ wenn einer von ihren Zuhörern/ so vormahls
bey ihnen gebeichtet/ ihrer Collegen einen zum Beicht-Va-

ter
Eccles. Prof. zu Genf. Die Worte, so ich angeführet, stehen in sei-
ner Oration de emend. & promou. stud. pag. 27. und lauten in dem o-
riginal
so: Qui (scil. Pseudo-docti) vana tument de se concepta o-
pinione, qui se putant summa jam adeptos, qui ab aliis erudiri, vel
quicquam a se erratum agnoscere turpe ducunt ac indecorum, qui
suae partis opinionibus ita mordicus adhaerent, vt ne latum quidem
vnguem ab eis diuelli queant, qui e contra reliquorum omnium si-
bi mentes vellent subjicere, qui in scientiis tractandis non verita-
tem sed victoriam quaerunt, qui rabidorum canum in morem vel mi-
nimum dissentientes impetunt illico atque insectantur, qui denique
ad vanam pompam, ad inanem ostentationem, suos omnes labores
dirigunt, & quicquid aliorum famae ac laudibus accedit, suae detra-
ctum putant.
a) Befehl Christi
wegen der Liebe.
Joh. XIII, 34. 35. Ein neu Gebot gebe ich euch, daß ihr euch
unter einander liebet, wie ich euch geliebet habe, auf daß
auch ihr einander lieb habet. Dabey wird jederman erken-
nen, daß ihr meine Jünger seyd, so ihr Liebe unter einander

Würckungen
der Liebe.
habt. Nach Pauli Ausspruch 1. Cor. XIII, 4 seq. bringet die Liebe
eine Menge Tugenden mit. Die Liebe ist langmüthig und
freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibet nicht Muth-
willen, sie blehet sich nicht, sie stellet sich nicht ungeberdig, sie
suchet nicht das ihre, sie läst sich nicht erbittern, sie trachtet
nicht nach Schaden, sie freuet sich nicht, wenns unrecht zuge-
het, sie freuet sich aber, wenns recht zugehet. Sie verträget
alles, sie glaubet alles, sie hoffet alles, sie duldet alles etc.

b) So
II. Abth. I. Cap. Von Erwehlung
Wie ſich die
Prieſteꝛ veꝛ-
halten ſol-
ten, wenn
man nicht
ferner bey
ihnen beich-tete.
§. XVI.

Wenn nun unſere Prieſter es ſich einen Ernſt
ſeyn lieſſen/ denen Befehlen ihres und unſer aller Heylan-
des/ und ſeinem Exempel nachzukommen/ nehmlich/ ſich
untereinander bruͤderlich zu lieben, ſo glaube ich auch, daß man
das Zwang-Recht bey dem Beicht-Weſen bald abſchaffen
wuͤrde a). Denn auf dieſe Weiſe wuͤrden ſie nicht boͤſe dar-
auf werden/ wenn einer von ihren Zuhoͤrern/ ſo vormahls
bey ihnen gebeichtet/ ihrer Collegen einen zum Beicht-Va-

ter
Eccleſ. Prof. zu Genf. Die Worte, ſo ich angefuͤhret, ſtehen in ſei-
ner Oration de emend. & promou. ſtud. pag. 27. und lauten in dem o-
riginal
ſo: Qui (ſcil. Pſeudo-docti) vana tument de ſe concepta o-
pinione, qui ſe putant ſumma jam adeptos, qui ab aliis erudiri, vel
quicquam a ſe erratum agnoſcere turpe ducunt ac indecorum, qui
ſuæ partis opinionibus ita mordicus adhærent, vt ne latum quidem
vnguem ab eis diuelli queant, qui e contra reliquorum omnium ſi-
bi mentes vellent ſubjicere, qui in ſcientiis tractandis non verita-
tem ſed victoriam quærunt, qui rabidorum canum in morem vel mi-
nimum diſſentientes impetunt illico atque inſectantur, qui denique
ad vanam pompam, ad inanem oſtentationem, ſuos omnes labores
dirigunt, & quicquid aliorum famæ ac laudibus accedit, ſuæ detra-
ctum putant.
a) Befehl Chriſti
wegen deꝛ Liebe.
Joh. XIII, 34. 35. Ein neu Gebot gebe ich euch, daß ihr euch
unter einander liebet, wie ich euch geliebet habe, auf daß
auch ihr einander lieb habet. Dabey wird jederman erken-
nen, daß ihr meine Juͤnger ſeyd, ſo ihr Liebe unter einander

Wuͤrckungen
der Liebe.
habt. Nach Pauli Ausſpruch 1. Cor. XIII, 4 ſeq. bringet die Liebe
eine Menge Tugenden mit. Die Liebe iſt langmuͤthig und
freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibet nicht Muth-
willen, ſie blehet ſich nicht, ſie ſtellet ſich nicht ungeberdig, ſie
ſuchet nicht das ihre, ſie laͤſt ſich nicht erbittern, ſie trachtet
nicht nach Schaden, ſie freuet ſich nicht, wenns unrecht zuge-
het, ſie freuet ſich aber, wenns recht zugehet. Sie vertraͤget
alles, ſie glaubet alles, ſie hoffet alles, ſie duldet alles ꝛc.

b) So
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[212/0231] II. Abth. I. Cap. Von Erwehlung §. XVI. Wenn nun unſere Prieſter es ſich einen Ernſt ſeyn lieſſen/ denen Befehlen ihres und unſer aller Heylan- des/ und ſeinem Exempel nachzukommen/ nehmlich/ ſich untereinander bruͤderlich zu lieben, ſo glaube ich auch, daß man das Zwang-Recht bey dem Beicht-Weſen bald abſchaffen wuͤrde a). Denn auf dieſe Weiſe wuͤrden ſie nicht boͤſe dar- auf werden/ wenn einer von ihren Zuhoͤrern/ ſo vormahls bey ihnen gebeichtet/ ihrer Collegen einen zum Beicht-Va- ter (d) a) Joh. XIII, 34. 35. Ein neu Gebot gebe ich euch, daß ihr euch unter einander liebet, wie ich euch geliebet habe, auf daß auch ihr einander lieb habet. Dabey wird jederman erken- nen, daß ihr meine Juͤnger ſeyd, ſo ihr Liebe unter einander habt. Nach Pauli Ausſpruch 1. Cor. XIII, 4 ſeq. bringet die Liebe eine Menge Tugenden mit. Die Liebe iſt langmuͤthig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibet nicht Muth- willen, ſie blehet ſich nicht, ſie ſtellet ſich nicht ungeberdig, ſie ſuchet nicht das ihre, ſie laͤſt ſich nicht erbittern, ſie trachtet nicht nach Schaden, ſie freuet ſich nicht, wenns unrecht zuge- het, ſie freuet ſich aber, wenns recht zugehet. Sie vertraͤget alles, ſie glaubet alles, ſie hoffet alles, ſie duldet alles ꝛc. b) So (d) Eccleſ. Prof. zu Genf. Die Worte, ſo ich angefuͤhret, ſtehen in ſei- ner Oration de emend. & promou. ſtud. pag. 27. und lauten in dem o- riginal ſo: Qui (ſcil. Pſeudo-docti) vana tument de ſe concepta o- pinione, qui ſe putant ſumma jam adeptos, qui ab aliis erudiri, vel quicquam a ſe erratum agnoſcere turpe ducunt ac indecorum, qui ſuæ partis opinionibus ita mordicus adhærent, vt ne latum quidem vnguem ab eis diuelli queant, qui e contra reliquorum omnium ſi- bi mentes vellent ſubjicere, qui in ſcientiis tractandis non verita- tem ſed victoriam quærunt, qui rabidorum canum in morem vel mi- nimum diſſentientes impetunt illico atque inſectantur, qui denique ad vanam pompam, ad inanem oſtentationem, ſuos omnes labores dirigunt, & quicquid aliorum famæ ac laudibus accedit, ſuæ detra- ctum putant.

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/231>, abgerufen am 29.03.2024.