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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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II. Abth. IV. Cap. Von der
braucht dergleichen Dinge und Weitläufftigkeiten gar nicht.
Ferner sind fast alle der Meinung/ ein Beicht-Vater dürf-
te nichts verrathen/ wenn er auch darüber solte sein Leben
lassen
f). Er müste die Geheimhaltung der Beichte allen
andern Vortheilen vorziehen.

Die Obrig-
keit kan kei-
nen Geistli-
chen anhal-
ten, aus der
Beichte zuschwatzen.
§. XV.

Es ist aber der Obrigkeit von denen Landes-
Fürsten untersaget/ einen Geistlichen anzuhalten/ daß er
einen Zeugen von dem gebeichteten abgeben müsse. Alle
juristische Collegia sprechen darauf/ daß ein solches Zumu-
then ungegründet. Man könne keinen Priester anstren-
gen/ das Siegel der Beichte zu brechen a). Denn da die
Beicht-Stühle/ wie öffters gemeldet worden/ solche Oerter
seyn sollen/ da die Leute ihr Hertz recht ausschütten kön-
nen/ so muß man auch die benöthigte Sachen darzu bey-
tragen. Niemand aber würde jemahls das geringste entde-
cken/ wenn er nicht wüste/ das alles verborgen und begra-
ben bleiben müste.

§. XVI.
Drum soll ich sagen: ist sie absolviret, da weiß ich D. Marti-
nus
nicht umb, Christus weiß es, mit welchem sie geredet.
f) und Aviani
Meinung.
Dieses ist die Meinung Aviani in prax. Eccles. Er hält diejenige
Obrigkeit, so einem Priester dergleichen zumuthet, unchristlich,
da er saget: Was dem Pfarrherrn im Beicht-Stuhl ver-
trauet wird, muß er vor jederman, auch vor seiner Obrig-
keit, wenn sie unchristlich wäre, und wolte es von ihm wis-
sen, auch biß an den Tod verschweigen.
a) Wird mit ei-
nem Urtheil be-
stärcket.
Carpzov in jurispr. consist. Lib. III. def. 25. hat ein responsum
hievon beygebracht, welches also lautet: Hat sich zwischen et-
lichen Handwercks Gesellen daselbst ein Tumult ereignet,
dabey einer Nahmens Hanß
R. durch einen Stich entleibet
worden. Man hätt aber bißher wegen Mangel der Zeu-
gen, und weil die That bey nächtlicher weil geschehen, hin-
ter den Grund und Thäter nicht gelangen können, anjetzo
aber will, verlauten daß
N. N. den Stich dem entleibten
zugefüget,

II. Abth. IV. Cap. Von der
braucht dergleichen Dinge und Weitlaͤufftigkeiten gar nicht.
Ferner ſind faſt alle der Meinung/ ein Beicht-Vater duͤrf-
te nichts verrathen/ wenn er auch daruͤber ſolte ſein Leben
laſſen
f). Er muͤſte die Geheimhaltung der Beichte allen
andern Vortheilen vorziehen.

Die Obrig-
keit kan kei-
nen Geiſtli-
chen anhal-
ten, aus der
Beichte zuſchwatzen.
§. XV.

Es iſt aber der Obrigkeit von denen Landes-
Fuͤrſten unterſaget/ einen Geiſtlichen anzuhalten/ daß er
einen Zeugen von dem gebeichteten abgeben muͤſſe. Alle
juriſtiſche Collegia ſprechen darauf/ daß ein ſolches Zumu-
then ungegruͤndet. Man koͤnne keinen Prieſter anſtren-
gen/ das Siegel der Beichte zu brechen a). Denn da die
Beicht-Stuͤhle/ wie oͤffters gemeldet worden/ ſolche Oerter
ſeyn ſollen/ da die Leute ihr Hertz recht ausſchuͤtten koͤn-
nen/ ſo muß man auch die benoͤthigte Sachen darzu bey-
tragen. Niemand aber wuͤrde jemahls das geringſte entde-
cken/ wenn er nicht wuͤſte/ das alles verborgen und begra-
ben bleiben muͤſte.

§. XVI.
Drum ſoll ich ſagen: iſt ſie abſolviret, da weiß ich D. Marti-
nus
nicht umb, Chriſtus weiß es, mit welchem ſie geredet.
f) und Aviani
Meinung.
Dieſes iſt die Meinung Aviani in prax. Eccles. Er haͤlt diejenige
Obrigkeit, ſo einem Prieſter dergleichen zumuthet, unchriſtlich,
da er ſaget: Was dem Pfarrherrn im Beicht-Stuhl ver-
trauet wird, muß er vor jederman, auch vor ſeiner Obrig-
keit, wenn ſie unchriſtlich waͤre, und wolte es von ihm wiſ-
ſen, auch biß an den Tod verſchweigen.
a) Wird mit ei-
nem Urtheil be-
ſtaͤrcket.
Carpzov in juriſpr. conſiſt. Lib. III. def. 25. hat ein reſponſum
hievon beygebracht, welches alſo lautet: Hat ſich zwiſchen et-
lichen Handwercks Geſellen daſelbſt ein Tumult ereignet,
dabey einer Nahmens Hanß
R. durch einen Stich entleibet
worden. Man haͤtt aber bißher wegen Mangel der Zeu-
gen, und weil die That bey naͤchtlicher weil geſchehen, hin-
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[320/0339] II. Abth. IV. Cap. Von der braucht dergleichen Dinge und Weitlaͤufftigkeiten gar nicht. Ferner ſind faſt alle der Meinung/ ein Beicht-Vater duͤrf- te nichts verrathen/ wenn er auch daruͤber ſolte ſein Leben laſſen f). Er muͤſte die Geheimhaltung der Beichte allen andern Vortheilen vorziehen. §. XV. Es iſt aber der Obrigkeit von denen Landes- Fuͤrſten unterſaget/ einen Geiſtlichen anzuhalten/ daß er einen Zeugen von dem gebeichteten abgeben muͤſſe. Alle juriſtiſche Collegia ſprechen darauf/ daß ein ſolches Zumu- then ungegruͤndet. Man koͤnne keinen Prieſter anſtren- gen/ das Siegel der Beichte zu brechen a). Denn da die Beicht-Stuͤhle/ wie oͤffters gemeldet worden/ ſolche Oerter ſeyn ſollen/ da die Leute ihr Hertz recht ausſchuͤtten koͤn- nen/ ſo muß man auch die benoͤthigte Sachen darzu bey- tragen. Niemand aber wuͤrde jemahls das geringſte entde- cken/ wenn er nicht wuͤſte/ das alles verborgen und begra- ben bleiben muͤſte. §. XVI. (e) f) Dieſes iſt die Meinung Aviani in prax. Eccles. Er haͤlt diejenige Obrigkeit, ſo einem Prieſter dergleichen zumuthet, unchriſtlich, da er ſaget: Was dem Pfarrherrn im Beicht-Stuhl ver- trauet wird, muß er vor jederman, auch vor ſeiner Obrig- keit, wenn ſie unchriſtlich waͤre, und wolte es von ihm wiſ- ſen, auch biß an den Tod verſchweigen. a) Carpzov in juriſpr. conſiſt. Lib. III. def. 25. hat ein reſponſum hievon beygebracht, welches alſo lautet: Hat ſich zwiſchen et- lichen Handwercks Geſellen daſelbſt ein Tumult ereignet, dabey einer Nahmens Hanß R. durch einen Stich entleibet worden. Man haͤtt aber bißher wegen Mangel der Zeu- gen, und weil die That bey naͤchtlicher weil geſchehen, hin- ter den Grund und Thaͤter nicht gelangen koͤnnen, anjetzo aber will, verlauten daß N. N. den Stich dem entleibten zugefuͤget, (e) Drum ſoll ich ſagen: iſt ſie abſolviret, da weiß ich D. Marti- nus nicht umb, Chriſtus weiß es, mit welchem ſie geredet.

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/339>, abgerufen am 25.04.2024.