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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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Geheimhaltung der Beichte.
§. XXI.

Bey der Freyheit aber aus der Beichte zuDie Er-
laubniß
muß mit
deutlichen
Worten ge-
geben seyn.

schwatzen/ mercken sie ferner an; daß es nicht genug/ wenn
der Priester urtheilete/ man könne aus diesem oder jenem
schliessen,
daß das Beicht-Kind ihm solche Freyheit zu reden
ertheilet. Es gienge nicht an/ wenn man meinete/ das
Beicht-Kind hätte stillschweigend die Erlaubnüß gegeben.
Aus denen Umständen könte ein Priester gar nichts neh-
men/ solche Freyheit zu erweisen. Es muß eine deutliche,
wirckliche, und förmliche Erlaubnüß
gegeben worden seyn/

wenn
sagen: Es müste sich derselbe vermittelst Eydes reinigen. A-
ber wenn das Beicht-Kind verstorben, der Beicht-Vater of-
fenbahret etwas, niemand von denen Anverwandten des Abge-
lebten wiederspricht ihm, wie wird es sodann gehalten? Man
glaubet dem Vorgeben des Priesters, daß ihm die Offenbah-
rung sey verstattet worden. Man kan ihn nicht straffen, als
hätte er das Siegel der Beichte gebrochen. Andere aber sa-
gen: Ein Priester müste es vermittelst Eydes erhärten, daß
ihm die Erlaubnüß gegeben worden. Wiederum sind andere
der Meinung, daß ein solches nicht vonnöthen. Ja sie sagen,
daß ein Priester nicht einmahl zum Eyde könte getrieben werden,
wenn gleich die Offenbahrung jemand zum Nachtheil gereichte.
Wenn sich dieser beschwerete, müste er beweisen, daß ihm der
Verstorbene die Entdeckung der Beichte nicht erlaubet. Die-
sen Beweiß aber könnte er auf solche Weise vollführen, wenn
er beybrächte: Der Priester hätte die Sache ausgesprengt, und
nicht dabey gemeldet, daß er von dem beichtenden Erlaubniß da-
zu bekommen. Endlich sagen sie: wenn der Beicht-Vater, dessen
Leben eben nicht allzu untadelich, nach dem Tode des Beicht-
Kindes etwas aussagte, so einem andern zum Nachtheil gereich-
te, und solches nicht vor der Obrigkeit thäte, sondern viel-
mehr aus einer Leichtsinnigkeit, so wäre er strafffällig. Er
verdiene keinen Glauben, wenn er gleich vorgäbe, daß ihm der
Verstorbene Erlaubniß zu reden ertheilt.
a) Die
t t 2
Geheimhaltung der Beichte.
§. XXI.

Bey der Freyheit aber aus der Beichte zuDie Er-
laubniß
muß mit
deutlichen
Worten ge-
geben ſeyn.

ſchwatzen/ mercken ſie ferner an; daß es nicht genug/ wenn
der Prieſter urtheilete/ man koͤnne aus dieſem oder jenem
ſchlieſſen,
daß das Beicht-Kind ihm ſolche Freyheit zu reden
ertheilet. Es gienge nicht an/ wenn man meinete/ das
Beicht-Kind haͤtte ſtillſchweigend die Erlaubnuͤß gegeben.
Aus denen Umſtaͤnden koͤnte ein Prieſter gar nichts neh-
men/ ſolche Freyheit zu erweiſen. Es muß eine deutliche,
wirckliche, und foͤrmliche Erlaubnuͤß
gegeben worden ſeyn/

wenn
ſagen: Es muͤſte ſich derſelbe vermittelſt Eydes reinigen. A-
ber wenn das Beicht-Kind verſtorben, der Beicht-Vater of-
fenbahret etwas, niemand von denen Anverwandten des Abge-
lebten wiederſpricht ihm, wie wird es ſodann gehalten? Man
glaubet dem Vorgeben des Prieſters, daß ihm die Offenbah-
rung ſey verſtattet worden. Man kan ihn nicht ſtraffen, als
haͤtte er das Siegel der Beichte gebrochen. Andere aber ſa-
gen: Ein Prieſter muͤſte es vermittelſt Eydes erhaͤrten, daß
ihm die Erlaubnuͤß gegeben worden. Wiederum ſind andere
der Meinung, daß ein ſolches nicht vonnoͤthen. Ja ſie ſagen,
daß ein Prieſter nicht einmahl zum Eyde koͤnte getrieben werden,
wenn gleich die Offenbahrung jemand zum Nachtheil gereichte.
Wenn ſich dieſer beſchwerete, muͤſte er beweiſen, daß ihm der
Verſtorbene die Entdeckung der Beichte nicht erlaubet. Die-
ſen Beweiß aber koͤnnte er auf ſolche Weiſe vollfuͤhren, wenn
er beybraͤchte: Der Prieſter haͤtte die Sache ausgeſprengt, und
nicht dabey gemeldet, daß er von dem beichtenden Erlaubniß da-
zu bekommen. Endlich ſagen ſie: wenn der Beicht-Vater, deſſen
Leben eben nicht allzu untadelich, nach dem Tode des Beicht-
Kindes etwas ausſagte, ſo einem andern zum Nachtheil gereich-
te, und ſolches nicht vor der Obrigkeit thaͤte, ſondern viel-
mehr aus einer Leichtſinnigkeit, ſo waͤre er ſtrafffaͤllig. Er
verdiene keinen Glauben, wenn er gleich vorgaͤbe, daß ihm der
Verſtorbene Erlaubniß zu reden ertheilt.
a) Die
t t 2
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[331/0350] Geheimhaltung der Beichte. §. XXI. Bey der Freyheit aber aus der Beichte zu ſchwatzen/ mercken ſie ferner an; daß es nicht genug/ wenn der Prieſter urtheilete/ man koͤnne aus dieſem oder jenem ſchlieſſen, daß das Beicht-Kind ihm ſolche Freyheit zu reden ertheilet. Es gienge nicht an/ wenn man meinete/ das Beicht-Kind haͤtte ſtillſchweigend die Erlaubnuͤß gegeben. Aus denen Umſtaͤnden koͤnte ein Prieſter gar nichts neh- men/ ſolche Freyheit zu erweiſen. Es muß eine deutliche, wirckliche, und foͤrmliche Erlaubnuͤß gegeben worden ſeyn/ wenn (b) Die Er- laubniß muß mit deutlichen Worten ge- geben ſeyn. (b) ſagen: Es muͤſte ſich derſelbe vermittelſt Eydes reinigen. A- ber wenn das Beicht-Kind verſtorben, der Beicht-Vater of- fenbahret etwas, niemand von denen Anverwandten des Abge- lebten wiederſpricht ihm, wie wird es ſodann gehalten? Man glaubet dem Vorgeben des Prieſters, daß ihm die Offenbah- rung ſey verſtattet worden. Man kan ihn nicht ſtraffen, als haͤtte er das Siegel der Beichte gebrochen. Andere aber ſa- gen: Ein Prieſter muͤſte es vermittelſt Eydes erhaͤrten, daß ihm die Erlaubnuͤß gegeben worden. Wiederum ſind andere der Meinung, daß ein ſolches nicht vonnoͤthen. Ja ſie ſagen, daß ein Prieſter nicht einmahl zum Eyde koͤnte getrieben werden, wenn gleich die Offenbahrung jemand zum Nachtheil gereichte. Wenn ſich dieſer beſchwerete, muͤſte er beweiſen, daß ihm der Verſtorbene die Entdeckung der Beichte nicht erlaubet. Die- ſen Beweiß aber koͤnnte er auf ſolche Weiſe vollfuͤhren, wenn er beybraͤchte: Der Prieſter haͤtte die Sache ausgeſprengt, und nicht dabey gemeldet, daß er von dem beichtenden Erlaubniß da- zu bekommen. Endlich ſagen ſie: wenn der Beicht-Vater, deſſen Leben eben nicht allzu untadelich, nach dem Tode des Beicht- Kindes etwas ausſagte, ſo einem andern zum Nachtheil gereich- te, und ſolches nicht vor der Obrigkeit thaͤte, ſondern viel- mehr aus einer Leichtſinnigkeit, ſo waͤre er ſtrafffaͤllig. Er verdiene keinen Glauben, wenn er gleich vorgaͤbe, daß ihm der Verſtorbene Erlaubniß zu reden ertheilt. a) Die t t 2

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/350>, abgerufen am 25.04.2024.