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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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Geheimhaltung der Beichte.
darum vor gültig/ weil der Gefangene nicht weiß/ woher
es kommt/ und es also nicht angestifftet/ das jemand also
vor ihm in dem Beicht-Stuhl aussagen solte. Noch mehr
gilt es/ wenn der Priester ein rechtschaffener ehrlicher Mann.
Jedoch ein Richter muß aus verschiedenen Umständen be-
hutsam verfahren.

§. XXIV.

Bißweilen aber geschiehet es auch/ daß einWas zu
thun, wenn
ein Gefan-
gener seine
eigene Un-
schuld beich-
tet.

Gefangener seine eigene Unschuld dem Beicht-Vater ent-
decket. Er hat in der tortur alles/ was man ihn beschul-
diget/ bekennet. Er will solches nicht wiederruffen/ aus
Furcht/ noch einmahl torquiret zu werden. Er saget es
also dem Beicht-Vater/ da er ihn zum Tode zubereitet. Er
bittet ihn anbey/ es verschwiegen zu halten/ damit man ihn
nicht abermahls zur Marter zöge. Hierinn aber soll ein
Beicht-Vater nicht gehorsamen. Die Doctores sagen/
er müste es der Obrigkeit anzeigen/ und zwar ehe er ihn
absolvirete a). Denn ob wohl solche Beichte den Gefange-

nen
a) So hat die Theologische Facultät an das Ministerium zu Mühl-Wie sich ein
Priester in sol-
chem Fall zu
verhalten.

hausen Ao. 1624. geantwortet: Darum vors dritte, wenn
dergleichen Fälle mit armen Sündern sich mehr begeben,
und dieselben wolten in der Beicht die Missethat vernei-
nen, welche sie in der peinlichen Marter und hernach Ge-
richtlich bekennet, und deßwegen zum Tode verdammet
worden, und doch vor der weltlichen Obrigkeit bey dem,
was sie zuvor gestanden, bleiben, und die aufferlegte Lebens
Straff ausstehen wolten, so wären sie von ihrem Bekänt-
nüß nicht zu
absolviren, sondern die in der Beichte vorge-
gangene
revocation der Obrigkeit anzumelden. Die gro-
ben Papisten sind aber auch in diesem Fall, auf ihr Siegel der
Beichte erpicht. Sie sagen, die Beichte sey auch wegen eines
Unschuld, und augenscheinlichen Gefahr nicht zu verrathen. So-
to in 4. sent. dist. 18. qu. 4. ar. 5.
giebet vor, man dürffte nichts
entde-

Geheimhaltung der Beichte.
darum vor guͤltig/ weil der Gefangene nicht weiß/ woher
es kommt/ und es alſo nicht angeſtifftet/ das jemand alſo
vor ihm in dem Beicht-Stuhl auſſagen ſolte. Noch mehr
gilt es/ wenn der Prieſter ein rechtſchaffener ehrlicher Mann.
Jedoch ein Richter muß aus verſchiedenen Umſtaͤnden be-
hutſam verfahren.

§. XXIV.

Bißweilen aber geſchiehet es auch/ daß einWas zu
thun, wenn
ein Gefan-
gener ſeine
eigene Un-
ſchuld beich-
tet.

Gefangener ſeine eigene Unſchuld dem Beicht-Vater ent-
decket. Er hat in der tortur alles/ was man ihn beſchul-
diget/ bekennet. Er will ſolches nicht wiederruffen/ aus
Furcht/ noch einmahl torquiret zu werden. Er ſaget es
alſo dem Beicht-Vater/ da er ihn zum Tode zubereitet. Er
bittet ihn anbey/ es verſchwiegen zu halten/ damit man ihn
nicht abermahls zur Marter zoͤge. Hierinn aber ſoll ein
Beicht-Vater nicht gehorſamen. Die Doctores ſagen/
er muͤſte es der Obrigkeit anzeigen/ und zwar ehe er ihn
abſolvirete a). Denn ob wohl ſolche Beichte den Gefange-

nen
a) So hat die Theologiſche Facultaͤt an das Miniſterium zu Muͤhl-Wie ſich ein
Prieſter in ſol-
chem Fall zu
verhalten.

hauſen Ao. 1624. geantwortet: Darum vors dritte, wenn
dergleichen Faͤlle mit armen Suͤndern ſich mehr begeben,
und dieſelben wolten in der Beicht die Miſſethat vernei-
nen, welche ſie in der peinlichen Marter und hernach Ge-
richtlich bekennet, und deßwegen zum Tode verdammet
worden, und doch vor der weltlichen Obrigkeit bey dem,
was ſie zuvor geſtanden, bleiben, und die aufferlegte Lebens
Straff ausſtehen wolten, ſo waͤren ſie von ihrem Bekaͤnt-
nuͤß nicht zu
abſolviren, ſondern die in der Beichte vorge-
gangene
revocation der Obrigkeit anzumelden. Die gro-
ben Papiſten ſind aber auch in dieſem Fall, auf ihr Siegel der
Beichte erpicht. Sie ſagen, die Beichte ſey auch wegen eines
Unſchuld, und augenſcheinlichen Gefahr nicht zu verrathen. So-
to in 4. ſent. diſt. 18. qu. 4. ar. 5.
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entde-
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[335/0354] Geheimhaltung der Beichte. darum vor guͤltig/ weil der Gefangene nicht weiß/ woher es kommt/ und es alſo nicht angeſtifftet/ das jemand alſo vor ihm in dem Beicht-Stuhl auſſagen ſolte. Noch mehr gilt es/ wenn der Prieſter ein rechtſchaffener ehrlicher Mann. Jedoch ein Richter muß aus verſchiedenen Umſtaͤnden be- hutſam verfahren. §. XXIV. Bißweilen aber geſchiehet es auch/ daß ein Gefangener ſeine eigene Unſchuld dem Beicht-Vater ent- decket. Er hat in der tortur alles/ was man ihn beſchul- diget/ bekennet. Er will ſolches nicht wiederruffen/ aus Furcht/ noch einmahl torquiret zu werden. Er ſaget es alſo dem Beicht-Vater/ da er ihn zum Tode zubereitet. Er bittet ihn anbey/ es verſchwiegen zu halten/ damit man ihn nicht abermahls zur Marter zoͤge. Hierinn aber ſoll ein Beicht-Vater nicht gehorſamen. Die Doctores ſagen/ er muͤſte es der Obrigkeit anzeigen/ und zwar ehe er ihn abſolvirete a). Denn ob wohl ſolche Beichte den Gefange- nen Was zu thun, wenn ein Gefan- gener ſeine eigene Un- ſchuld beich- tet. a) So hat die Theologiſche Facultaͤt an das Miniſterium zu Muͤhl- hauſen Ao. 1624. geantwortet: Darum vors dritte, wenn dergleichen Faͤlle mit armen Suͤndern ſich mehr begeben, und dieſelben wolten in der Beicht die Miſſethat vernei- nen, welche ſie in der peinlichen Marter und hernach Ge- richtlich bekennet, und deßwegen zum Tode verdammet worden, und doch vor der weltlichen Obrigkeit bey dem, was ſie zuvor geſtanden, bleiben, und die aufferlegte Lebens Straff ausſtehen wolten, ſo waͤren ſie von ihrem Bekaͤnt- nuͤß nicht zu abſolviren, ſondern die in der Beichte vorge- gangene revocation der Obrigkeit anzumelden. Die gro- ben Papiſten ſind aber auch in dieſem Fall, auf ihr Siegel der Beichte erpicht. Sie ſagen, die Beichte ſey auch wegen eines Unſchuld, und augenſcheinlichen Gefahr nicht zu verrathen. So- to in 4. ſent. diſt. 18. qu. 4. ar. 5. giebet vor, man duͤrffte nichts entde-

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/354>, abgerufen am 25.04.2024.