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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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II. Abth. IV. Cap. Von der
in acht nehmen/ daß er nicht das geringste Zeichen giebt/ da-
durch man etwas muthmassen könte. Das Siegel der Beich-
te müste mit Worten und Wercken unverletzet bleiben c).

Wenn ein
Beicht-Va-
ter das Sie-
gel gebro-
chen, so muß
man es er-
weisen, ehe
er gestrafftwerden kan.
§. XXVII.

Da wir nun gehöret/ wenn man etwas
aus der Beichte reden kan/ so müssen wir nunmehro auch
zusehen/ was diejenigen verdienet/ so ausser solchen Fällen
die Beichte offenbahren. Die Straffen sind unterschied-
lich. Allein ehe jemand gestrafft werden kan/ so muß das
Corpus delicti richtig und erwiesen seyn a). Man muß dem
Beicht-Vater die geschehene Verrätherey und violirung des
Beicht-Siegels
erweisen. Weil aber bey der Beichte alles
heimlich zugehet/ so wird kein solenner Beweiß erfordert.
Man lässet hier deutliche Muthmassungen gelten. Wenn
diese also beschaffen/ daß man daraus schliessen kan/ der
Beicht-Vater habe das ihm anvertraute ausgeplaudert/
so kan man sodann ihn füglich zur Straffe ziehen b).

§. XXVIII.
ich Beichte höre, sind viele mit abscheulichen Sünden und La-
stern beflecket, wollen sie gar nicht verstatten. Conf. Carocius
cit. l. qu. 41.
und andere. Sie fagen, auf solche Art würde die
Beichte allerdings verrathen.
c) Man soll durch
Zeichen keinem
einen Argwohn
zuziehen.
Darum sagen sie, dürffte ein Beicht-Vater den Umgang mit
demjenigen, der ihm grobe Sünden entdecket, nicht meiden.
Man könnte sonst leicht auf die Gedancken kommen, der Mensch
müste etwas übles gestifftet haben. Carocius cit. l. Den vertrau-
ten Umgang eines lasterhafften zu meiden, ist zwar nicht ver-
boten, arg. C. 14. X. de sent. excomm. doch so, daß niemand die
Ursache wisse. Doch soll ein Priester auch hier behutsam gehen,
und nicht leicht den geringsten Argwohn verursachen.
a) Das corpus
delicti
muß al-
lezeit da seyn.
Dieses ist überhaupt bey allen und jeden Verbrechen zu beob-
achten. Niemand wird aus blossen Anzeichen verdammet. Man
muß erstlich der That gewiß seyn. Jst das corpus delicti nicht
klar, so fället der gantze Proceß über einen Hauffen.
b) Man beweisetWenn es aber an dem ist, daß etwas unter die Leute gekom-
me n

II. Abth. IV. Cap. Von der
in acht nehmen/ daß er nicht das geringſte Zeichen giebt/ da-
durch man etwas muthmaſſen koͤnte. Das Siegel der Beich-
te muͤſte mit Worten und Wercken unverletzet bleiben c).

Wenn ein
Beicht-Va-
ter das Sie-
gel gebro-
chen, ſo muß
man es er-
weiſen, ehe
er geſtrafftwerden kan.
§. XXVII.

Da wir nun gehoͤret/ wenn man etwas
aus der Beichte reden kan/ ſo muͤſſen wir nunmehro auch
zuſehen/ was diejenigen verdienet/ ſo auſſer ſolchen Faͤllen
die Beichte offenbahren. Die Straffen ſind unterſchied-
lich. Allein ehe jemand geſtrafft werden kan/ ſo muß das
Corpus delicti richtig und erwieſen ſeyn a). Man muß dem
Beicht-Vater die geſchehene Verraͤtherey und violirung des
Beicht-Siegels
erweiſen. Weil aber bey der Beichte alles
heimlich zugehet/ ſo wird kein ſolenner Beweiß erfordert.
Man laͤſſet hier deutliche Muthmaſſungen gelten. Wenn
dieſe alſo beſchaffen/ daß man daraus ſchlieſſen kan/ der
Beicht-Vater habe das ihm anvertraute ausgeplaudert/
ſo kan man ſodann ihn fuͤglich zur Straffe ziehen b).

§. XXVIII.
ich Beichte hoͤre, ſind viele mit abſcheulichen Suͤnden und La-
ſtern beflecket, wollen ſie gar nicht verſtatten. Conf. Carocius
cit. l. qu. 41.
und andere. Sie fagen, auf ſolche Art wuͤrde die
Beichte allerdings verrathen.
c) Man ſoll durch
Zeichen keinem
einen Argwohn
zuziehen.
Darum ſagen ſie, duͤrffte ein Beicht-Vater den Umgang mit
demjenigen, der ihm grobe Suͤnden entdecket, nicht meiden.
Man koͤnnte ſonſt leicht auf die Gedancken kommen, der Menſch
muͤſte etwas uͤbles geſtifftet haben. Carocius cit. l. Den vertrau-
ten Umgang eines laſterhafften zu meiden, iſt zwar nicht ver-
boten, arg. C. 14. X. de ſent. excomm. doch ſo, daß niemand die
Urſache wiſſe. Doch ſoll ein Prieſter auch hier behutſam gehen,
und nicht leicht den geringſten Argwohn verurſachen.
a) Das corpus
delicti
muß al-
lezeit da ſeyn.
Dieſes iſt uͤberhaupt bey allen und jeden Verbrechen zu beob-
achten. Niemand wird aus bloſſen Anzeichen verdammet. Man
muß erſtlich der That gewiß ſeyn. Jſt das corpus delicti nicht
klar, ſo faͤllet der gantze Proceß uͤber einen Hauffen.
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me n
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[338/0357] II. Abth. IV. Cap. Von der in acht nehmen/ daß er nicht das geringſte Zeichen giebt/ da- durch man etwas muthmaſſen koͤnte. Das Siegel der Beich- te muͤſte mit Worten und Wercken unverletzet bleiben c). §. XXVII. Da wir nun gehoͤret/ wenn man etwas aus der Beichte reden kan/ ſo muͤſſen wir nunmehro auch zuſehen/ was diejenigen verdienet/ ſo auſſer ſolchen Faͤllen die Beichte offenbahren. Die Straffen ſind unterſchied- lich. Allein ehe jemand geſtrafft werden kan/ ſo muß das Corpus delicti richtig und erwieſen ſeyn a). Man muß dem Beicht-Vater die geſchehene Verraͤtherey und violirung des Beicht-Siegels erweiſen. Weil aber bey der Beichte alles heimlich zugehet/ ſo wird kein ſolenner Beweiß erfordert. Man laͤſſet hier deutliche Muthmaſſungen gelten. Wenn dieſe alſo beſchaffen/ daß man daraus ſchlieſſen kan/ der Beicht-Vater habe das ihm anvertraute ausgeplaudert/ ſo kan man ſodann ihn fuͤglich zur Straffe ziehen b). §. XXVIII. (b) c) Darum ſagen ſie, duͤrffte ein Beicht-Vater den Umgang mit demjenigen, der ihm grobe Suͤnden entdecket, nicht meiden. Man koͤnnte ſonſt leicht auf die Gedancken kommen, der Menſch muͤſte etwas uͤbles geſtifftet haben. Carocius cit. l. Den vertrau- ten Umgang eines laſterhafften zu meiden, iſt zwar nicht ver- boten, arg. C. 14. X. de ſent. excomm. doch ſo, daß niemand die Urſache wiſſe. Doch ſoll ein Prieſter auch hier behutſam gehen, und nicht leicht den geringſten Argwohn verurſachen. a) Dieſes iſt uͤberhaupt bey allen und jeden Verbrechen zu beob- achten. Niemand wird aus bloſſen Anzeichen verdammet. Man muß erſtlich der That gewiß ſeyn. Jſt das corpus delicti nicht klar, ſo faͤllet der gantze Proceß uͤber einen Hauffen. b) Wenn es aber an dem iſt, daß etwas unter die Leute gekom- me n (b) ich Beichte hoͤre, ſind viele mit abſcheulichen Suͤnden und La- ſtern beflecket, wollen ſie gar nicht verſtatten. Conf. Carocius cit. l. qu. 41. und andere. Sie fagen, auf ſolche Art wuͤrde die Beichte allerdings verrathen.

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/357>, abgerufen am 25.04.2024.