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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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bey den Beicht-Stühlen überhaupt.
Abschaffung sey nicht eher zugelassen/ ausser wenn die gan-
tze Kirche
darein gewilliget. Denn gleichwie in einem ge-
meinen Wesen/ derjenige/ so Macht hat/ Gesetze zu geben/
solche wieder cassiren könne; So könten auch in der Kirche
die allgemeinen Gebräuche durch gesammte Einwilligung
wiederum abgeschafft werden. Hierwieder aber findet sich
verschiedenes zu erinnern und einzuwenden.

§. V.

Es ware dieser Hildebrand ein Mann/ der inHildebrands
Meinung
wird unter-
sucht.

denen Alterthümern der Kirchen sich überaus wohl umge-
sehen. Allein aus diesem Vorgeben erscheinet/ daß er sich
in der Kirche eine Art des bürgerlichen Regiments eingebil-
det. Er hat eine allgemeine äusserliche Kirche gedichtet/
die mehr Gewalt hätte/ als die besondern Kirchen in jedem
Land. Alles aber ist ohne Grund und irrig a). Zwar

meinet
Gebrauch gewesen. Denen Puritanern in Engelland, nimmt
er es sehr vor übel, daß sie die Fest-Tage, die von undencklichen
Jahren in allen Kirchen beobachtet worden, Weynachten, O-
stern, Pfingsten und andere abgeschafft. Er ist unwillig, daß
dieselben keine andere Gebräuche in ihren Kirchen duldeten, als
welche in der Bibel stünden.
a) Es ist ohne Grund, daß die Kirche eine Art eines bürgerlichenJrrige Gründe
derselben.

Wesens an sich habe. Es ist falsch, daß viele Kirchen, so einer
Religion zugethan, eine äusserliche Kirche ausmachen. Andern
Kirchen ist nichts daran gelegen, was diese oder jene vor Gebräu-
che habe. Der mancherley Unterscheid derselben hebet darum
die rechte Einigkeit nicht auf. Das alte Sprichwort ist bekannt:
Dissonantia jejunii, non tollit consonantiam fidei. Wolte man
sagen: Es hätte doch die gantze Kirche vormahls in solche Ge-
bräuche gewilliget, so dienet darauf, daß es sehr zweydeutig, was
die gantze Kirche wäre. Und wenn der gantzen Kirche Ein-
willigung
nöthig ist, so kan man die Catholicken auch nicht aus-
schliessen. Von diesen sind die so genannten allgemeinen Ge-
bräuche zu uns kommen. Dennoch aber haben die ersten Re-
forma-
z z 3

bey den Beicht-Stuͤhlen uͤberhaupt.
Abſchaffung ſey nicht eher zugelaſſen/ auſſer wenn die gan-
tze Kirche
darein gewilliget. Denn gleichwie in einem ge-
meinen Weſen/ derjenige/ ſo Macht hat/ Geſetze zu geben/
ſolche wieder casſiren koͤnne; So koͤnten auch in der Kirche
die allgemeinen Gebraͤuche durch geſammte Einwilligung
wiederum abgeſchafft werden. Hierwieder aber findet ſich
verſchiedenes zu erinnern und einzuwenden.

§. V.

Es ware dieſer Hildebrand ein Mann/ der inHildebrands
Meinung
wird unter-
ſucht.

denen Alterthuͤmern der Kirchen ſich uͤberaus wohl umge-
ſehen. Allein aus dieſem Vorgeben erſcheinet/ daß er ſich
in der Kirche eine Art des buͤrgerlichen Regiments eingebil-
det. Er hat eine allgemeine aͤuſſerliche Kirche gedichtet/
die mehr Gewalt haͤtte/ als die beſondern Kirchen in jedem
Land. Alles aber iſt ohne Grund und irrig a). Zwar

meinet
Gebrauch geweſen. Denen Puritanern in Engelland, nimmt
er es ſehr vor uͤbel, daß ſie die Feſt-Tage, die von undencklichen
Jahren in allen Kirchen beobachtet worden, Weynachten, O-
ſtern, Pfingſten und andere abgeſchafft. Er iſt unwillig, daß
dieſelben keine andere Gebraͤuche in ihren Kirchen duldeten, als
welche in der Bibel ſtuͤnden.
a) Es iſt ohne Grund, daß die Kirche eine Art eines buͤrgerlichenJrrige Gruͤnde
derſelben.

Weſens an ſich habe. Es iſt falſch, daß viele Kirchen, ſo einer
Religion zugethan, eine aͤuſſerliche Kirche ausmachen. Andern
Kirchen iſt nichts daran gelegen, was dieſe oder jene vor Gebraͤu-
che habe. Der mancherley Unterſcheid derſelben hebet darum
die rechte Einigkeit nicht auf. Das alte Sprichwort iſt bekannt:
Diſſonantia jejunii, non tollit conſonantiam fidei. Wolte man
ſagen: Es haͤtte doch die gantze Kirche vormahls in ſolche Ge-
braͤuche gewilliget, ſo dienet darauf, daß es ſehr zweydeutig, was
die gantze Kirche waͤre. Und wenn der gantzen Kirche Ein-
willigung
noͤthig iſt, ſo kan man die Catholicken auch nicht aus-
ſchlieſſen. Von dieſen ſind die ſo genannten allgemeinen Ge-
braͤuche zu uns kommen. Dennoch aber haben die erſten Re-
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[365/0384] bey den Beicht-Stuͤhlen uͤberhaupt. Abſchaffung ſey nicht eher zugelaſſen/ auſſer wenn die gan- tze Kirche darein gewilliget. Denn gleichwie in einem ge- meinen Weſen/ derjenige/ ſo Macht hat/ Geſetze zu geben/ ſolche wieder casſiren koͤnne; So koͤnten auch in der Kirche die allgemeinen Gebraͤuche durch geſammte Einwilligung wiederum abgeſchafft werden. Hierwieder aber findet ſich verſchiedenes zu erinnern und einzuwenden. §. V. Es ware dieſer Hildebrand ein Mann/ der in denen Alterthuͤmern der Kirchen ſich uͤberaus wohl umge- ſehen. Allein aus dieſem Vorgeben erſcheinet/ daß er ſich in der Kirche eine Art des buͤrgerlichen Regiments eingebil- det. Er hat eine allgemeine aͤuſſerliche Kirche gedichtet/ die mehr Gewalt haͤtte/ als die beſondern Kirchen in jedem Land. Alles aber iſt ohne Grund und irrig a). Zwar meinet (b) Hildebrands Meinung wird unter- ſucht. a) Es iſt ohne Grund, daß die Kirche eine Art eines buͤrgerlichen Weſens an ſich habe. Es iſt falſch, daß viele Kirchen, ſo einer Religion zugethan, eine aͤuſſerliche Kirche ausmachen. Andern Kirchen iſt nichts daran gelegen, was dieſe oder jene vor Gebraͤu- che habe. Der mancherley Unterſcheid derſelben hebet darum die rechte Einigkeit nicht auf. Das alte Sprichwort iſt bekannt: Diſſonantia jejunii, non tollit conſonantiam fidei. Wolte man ſagen: Es haͤtte doch die gantze Kirche vormahls in ſolche Ge- braͤuche gewilliget, ſo dienet darauf, daß es ſehr zweydeutig, was die gantze Kirche waͤre. Und wenn der gantzen Kirche Ein- willigung noͤthig iſt, ſo kan man die Catholicken auch nicht aus- ſchlieſſen. Von dieſen ſind die ſo genannten allgemeinen Ge- braͤuche zu uns kommen. Dennoch aber haben die erſten Re- forma- (b) Gebrauch geweſen. Denen Puritanern in Engelland, nimmt er es ſehr vor uͤbel, daß ſie die Feſt-Tage, die von undencklichen Jahren in allen Kirchen beobachtet worden, Weynachten, O- ſtern, Pfingſten und andere abgeſchafft. Er iſt unwillig, daß dieſelben keine andere Gebraͤuche in ihren Kirchen duldeten, als welche in der Bibel ſtuͤnden. z z 3

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/384>, abgerufen am 29.03.2024.