Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Studio in der Theologie.
Weise; jemand auff den Weg der Wahrheit zu bringen.
Gregorius kan denen so in dergleichen Wahn stecken bessere
Gedancken einprägen. Dieienigen, sagt er/ (a) welche die
ernstliche Meinung haben, die so der Christlichen
Religion
nicht zugethan, zu den rechten Glauben zu bringen, müssen
Freundlichkeit und keine Schärffe gebrauchen, damit nicht
dasjenige Gemüth, welches durch klare Gründe hätte zu
recht gebracht werden können, durch die Strenge gantz ab-
gewendet werde. Denn wer es anders angreifft, und unter
solchen Vorwand jemand von seinem Gottesdienst abziehen
will, giebet zu verstehen, daß er mehr seine eigene, als GOt-
tes Sache zu befördern suchet.

§. XXII.

Ein Fürst kan und soll verwehren/ daß manUnzuläßige
Mittel zum
Kirchen-
Frieden zu
gelangen.

keine solche Mittel zur Herstellung des Kirchen Friedens zu-
lasse/ durch welche auch nur zufälliger Weise die Verfolgung
der Jrrenden gesucht wird. Vornehmlich aber soll dieses beo-
bachtet werden/ wenn diejenigen/ welchen man Jrrthümer
schuld giebt/ ruhig und friedfertig leben. (a) Ein Fürste
hat Macht/ nicht zuzulassen/ daß man den Frieden durch

Schmie-
(a) Seine Worte hat Gratianus in c. 3. D. 45. Qui sincera intentioneGregorii Ge-
dancken.

extraneos a Christiana religione, ad fidem cupiunt rectam perducere,
blandimentis non asperitatibus debent studere, ne quorum mentes
reddita ad planum ratio poterat reuocare, pellat procul aduersitas.
Nam quicunque aliter agunt, & eos sub hoc velamine a consueta ritus
sui volunt cultura suspendere, suas illi magis, quam Dei caufas pro-
bantur attendere.
(a) Mercket man aber, daß durch der dissendirenden Lehre Unnruhen inWenn man die
dissentirenden
kan aus dem
Lande gehen
heissen.

dem gemeinen Wesen entstehen, oder dieselben von der Dultung der Ge-
genparthey nicht allzu viel halten, und per indirectum dieselben zu verfol-
gen suchen, so kan man sie aus dem Lande gehen lassen. Doch muß sol-
ches nicht einer Landes-Verweisung gleich seyn. Die Leute thun es aus
einem Jrrthum. Sie meinen es geschehe GOtt ein Dienst damit. Nun
kan aber nichts anders als der böse Willen bestrafft werden. Ein Jrr-
thum des Verstandes hat keine andere Straffe, als daß man den Jrren-
den lehret und unterweiset.
d 3

Studio in der Theologie.
Weiſe; jemand auff den Weg der Wahrheit zu bringen.
Gregorius kan denen ſo in dergleichen Wahn ſtecken beſſere
Gedancken einpraͤgen. Dieienigen, ſagt er/ (a) welche die
ernſtliche Meinung haben, die ſo der Chriſtlichen
Religion
nicht zugethan, zu den rechten Glauben zu bringen, muͤſſen
Freundlichkeit und keine Schaͤrffe gebrauchen, damit nicht
dasjenige Gemuͤth, welches durch klare Gruͤnde haͤtte zu
recht gebracht werden koͤnnen, durch die Strenge gantz ab-
gewendet werde. Denn wer es anders angreifft, und unter
ſolchen Vorwand jemand von ſeinem Gottesdienſt abziehen
will, giebet zu verſtehen, daß er mehr ſeine eigene, als GOt-
tes Sache zu befoͤrdern ſuchet.

§. XXII.

Ein Fuͤrſt kan und ſoll verwehren/ daß manUnzulaͤßige
Mittel zum
Kirchen-
Frieden zu
gelangen.

keine ſolche Mittel zur Herſtellung des Kirchen Friedens zu-
laſſe/ durch welche auch nur zufaͤlliger Weiſe die Verfolgung
der Jrrenden geſucht wird. Vornehmlich aber ſoll dieſes beo-
bachtet werden/ wenn diejenigen/ welchen man Jrrthuͤmer
ſchuld giebt/ ruhig und friedfertig leben. (a) Ein Fuͤrſte
hat Macht/ nicht zuzulaſſen/ daß man den Frieden durch

Schmie-
(a) Seine Worte hat Gratianus in c. 3. D. 45. Qui ſincera intentioneGregorii Ge-
dancken.

extraneos a Chriſtiana religione, ad fidem cupiunt rectam perducere,
blandimentis non aſperitatibus debent ſtudere, ne quorum mentes
reddita ad planum ratio poterat reuocare, pellat procul aduerſitas.
Nam quicunque aliter agunt, & eos ſub hoc velamine a conſueta ritus
ſui volunt cultura ſuſpendere, ſuas illi magis, quam Dei caufas pro-
bantur attendere.
(a) Mercket man aber, daß durch der diſſendirenden Lehre Unnruhen inWenn man die
diſſentirenden
kan aus dem
Lande gehen
heiſſen.

dem gemeinen Weſen entſtehen, oder dieſelben von der Dultung der Ge-
genparthey nicht allzu viel halten, und per indirectum dieſelben zu verfol-
gen ſuchen, ſo kan man ſie aus dem Lande gehen laſſen. Doch muß ſol-
ches nicht einer Landes-Verweiſung gleich ſeyn. Die Leute thun es aus
einem Jrrthum. Sie meinen es geſchehe GOtt ein Dienſt damit. Nun
kan aber nichts anders als der boͤſe Willen beſtrafft werden. Ein Jrr-
thum des Verſtandes hat keine andere Straffe, als daß man den Jrren-
den lehret und unterweiſet.
d 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0048" n="29"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Studio</hi></hi> in der <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Theologie.</hi></hi></hi></fw><lb/>
Wei&#x017F;e; jemand auff den Weg der Wahrheit zu bringen.<lb/><hi rendition="#aq">Gregorius</hi> kan denen &#x017F;o in dergleichen Wahn &#x017F;tecken be&#x017F;&#x017F;ere<lb/>
Gedancken einpra&#x0364;gen. Dieienigen, &#x017F;agt er/ <note place="foot" n="(a)">Seine Worte hat <hi rendition="#aq">Gratianus in <hi rendition="#i">c. 3. D. 45.</hi> Qui &#x017F;incera intentione</hi><note place="right"><hi rendition="#aq">Gregorii</hi> Ge-<lb/>
dancken.</note><lb/><hi rendition="#aq">extraneos a Chri&#x017F;tiana religione, ad fidem cupiunt rectam perducere,<lb/>
blandimentis non a&#x017F;peritatibus debent &#x017F;tudere, ne quorum mentes<lb/>
reddita ad planum ratio poterat reuocare, pellat procul aduer&#x017F;itas.<lb/>
Nam quicunque aliter agunt, &amp; eos &#x017F;ub hoc velamine a con&#x017F;ueta ritus<lb/>
&#x017F;ui volunt cultura &#x017F;u&#x017F;pendere, &#x017F;uas illi magis, quam Dei caufas pro-<lb/>
bantur attendere.</hi></note> <hi rendition="#fr">welche die<lb/>
ern&#x017F;tliche Meinung haben, die &#x017F;o der Chri&#x017F;tlichen</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Religion</hi></hi><lb/><hi rendition="#fr">nicht zugethan, zu den rechten Glauben zu bringen, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Freundlichkeit und keine Scha&#x0364;rffe gebrauchen, damit nicht<lb/>
dasjenige Gemu&#x0364;th, welches durch klare Gru&#x0364;nde ha&#x0364;tte zu<lb/>
recht gebracht werden ko&#x0364;nnen, durch die Strenge gantz ab-<lb/>
gewendet werde. Denn wer es anders angreifft, und unter<lb/>
&#x017F;olchen Vorwand jemand von &#x017F;einem Gottesdien&#x017F;t abziehen<lb/>
will, giebet zu ver&#x017F;tehen, daß er mehr &#x017F;eine eigene, als GOt-<lb/>
tes Sache zu befo&#x0364;rdern &#x017F;uchet.</hi></p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. <hi rendition="#aq">XXII.</hi></head>
          <p>Ein Fu&#x0364;r&#x017F;t kan und &#x017F;oll verwehren/ daß man<note place="right">Unzula&#x0364;ßige<lb/>
Mittel zum<lb/>
Kirchen-<lb/>
Frieden zu<lb/>
gelangen.</note><lb/>
keine &#x017F;olche Mittel zur Her&#x017F;tellung des Kirchen Friedens zu-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;e/ durch welche auch nur <hi rendition="#fr">zufa&#x0364;lliger Wei&#x017F;e</hi> die Verfolgung<lb/>
der Jrrenden ge&#x017F;ucht wird. Vornehmlich aber &#x017F;oll die&#x017F;es beo-<lb/>
bachtet werden/ wenn diejenigen/ welchen man Jrrthu&#x0364;mer<lb/>
&#x017F;chuld giebt/ <hi rendition="#fr">ruhig und friedfertig</hi> leben. <note place="foot" n="(a)">Mercket man aber, daß durch der <hi rendition="#aq">di&#x017F;&#x017F;endir</hi>enden Lehre Unnruhen in<note place="right">Wenn man die<lb/><hi rendition="#aq">di&#x017F;&#x017F;entirend</hi>en<lb/>
kan aus dem<lb/>
Lande gehen<lb/>
hei&#x017F;&#x017F;en.</note><lb/>
dem gemeinen We&#x017F;en ent&#x017F;tehen, oder die&#x017F;elben von der Dultung der Ge-<lb/>
genparthey nicht allzu viel halten, und <hi rendition="#aq">per indirectum</hi> die&#x017F;elben zu verfol-<lb/>
gen &#x017F;uchen, &#x017F;o kan man &#x017F;ie aus dem Lande gehen la&#x017F;&#x017F;en. Doch muß &#x017F;ol-<lb/>
ches nicht einer <hi rendition="#fr">Landes-Verwei&#x017F;ung</hi> gleich &#x017F;eyn. Die Leute thun es aus<lb/>
einem Jrrthum. Sie meinen es ge&#x017F;chehe GOtt ein Dien&#x017F;t damit. Nun<lb/>
kan aber nichts anders als der <hi rendition="#fr">bo&#x0364;&#x017F;e Willen</hi> be&#x017F;trafft werden. Ein Jrr-<lb/>
thum des Ver&#x017F;tandes hat keine andere Straffe, als daß man den Jrren-<lb/>
den lehret und unterwei&#x017F;et.</note> Ein Fu&#x0364;r&#x017F;te<lb/>
hat Macht/ nicht zuzula&#x017F;&#x017F;en/ daß man den Frieden durch<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">d 3</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Schmie-</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0048] Studio in der Theologie. Weiſe; jemand auff den Weg der Wahrheit zu bringen. Gregorius kan denen ſo in dergleichen Wahn ſtecken beſſere Gedancken einpraͤgen. Dieienigen, ſagt er/ (a) welche die ernſtliche Meinung haben, die ſo der Chriſtlichen Religion nicht zugethan, zu den rechten Glauben zu bringen, muͤſſen Freundlichkeit und keine Schaͤrffe gebrauchen, damit nicht dasjenige Gemuͤth, welches durch klare Gruͤnde haͤtte zu recht gebracht werden koͤnnen, durch die Strenge gantz ab- gewendet werde. Denn wer es anders angreifft, und unter ſolchen Vorwand jemand von ſeinem Gottesdienſt abziehen will, giebet zu verſtehen, daß er mehr ſeine eigene, als GOt- tes Sache zu befoͤrdern ſuchet. §. XXII. Ein Fuͤrſt kan und ſoll verwehren/ daß man keine ſolche Mittel zur Herſtellung des Kirchen Friedens zu- laſſe/ durch welche auch nur zufaͤlliger Weiſe die Verfolgung der Jrrenden geſucht wird. Vornehmlich aber ſoll dieſes beo- bachtet werden/ wenn diejenigen/ welchen man Jrrthuͤmer ſchuld giebt/ ruhig und friedfertig leben. (a) Ein Fuͤrſte hat Macht/ nicht zuzulaſſen/ daß man den Frieden durch Schmie- Unzulaͤßige Mittel zum Kirchen- Frieden zu gelangen. (a) Seine Worte hat Gratianus in c. 3. D. 45. Qui ſincera intentione extraneos a Chriſtiana religione, ad fidem cupiunt rectam perducere, blandimentis non aſperitatibus debent ſtudere, ne quorum mentes reddita ad planum ratio poterat reuocare, pellat procul aduerſitas. Nam quicunque aliter agunt, & eos ſub hoc velamine a conſueta ritus ſui volunt cultura ſuſpendere, ſuas illi magis, quam Dei caufas pro- bantur attendere. (a) Mercket man aber, daß durch der diſſendirenden Lehre Unnruhen in dem gemeinen Weſen entſtehen, oder dieſelben von der Dultung der Ge- genparthey nicht allzu viel halten, und per indirectum dieſelben zu verfol- gen ſuchen, ſo kan man ſie aus dem Lande gehen laſſen. Doch muß ſol- ches nicht einer Landes-Verweiſung gleich ſeyn. Die Leute thun es aus einem Jrrthum. Sie meinen es geſchehe GOtt ein Dienſt damit. Nun kan aber nichts anders als der boͤſe Willen beſtrafft werden. Ein Jrr- thum des Verſtandes hat keine andere Straffe, als daß man den Jrren- den lehret und unterweiſet. d 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/48
Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/48>, abgerufen am 18.04.2024.