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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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Vorbericht von der Juristen
Recht eines
Fürsten bey
dissentiren-
den Reli-gionen.
§. XXXI.

Ein Fürste muß also wohl zusehen/ daß
wegen der unterschiedenen Religionen/ in einen gemeinen
Wesen keine Unruhen entstehen. Der unzeitige Eyffer der
dissentirenden kan solche gar leicht verursachen. Das ge-
meine Volck hänget in solchen Fällen an der Geistlichkeit.
die Wohlfarth des gemeinen Wesens erfordert es also/ daß
ein Fürste die Auffsicht über jeden Gottesdienst hat. Daß
er die unruhigen Köpffe zur raison bringet/ die Verfolgun-
gen wehret/ dem unzeitigen Eyffer und Herrschafft über die
Gewissen wiederstehet. Hierzu aber zu gelangen/ ist eben
nicht nöthig/ daß er die dissentirenden von seiner Religion
verjaget. Man könte öffters auff solche Weise die Wahrheit
unterdrucken. Die Republiquen sind nicht darum gepflan-
tzet/ die Religion zu defendiren. Denn diese ist nach dem
Völcker-Recht frey. Clericus urtheilet überaus wohl
davon/ da er schreibet: (a) Wenn man biß auff den
Anfang der bürgerlichen Gesellschafft steiget, so wird man
befinden, daß solche nicht um der Religion eingeführet wor-
den; Sondern nur in Sicherheit, wieder diejenigen, die
mit ihrer Gewalt schaden wollen, zu leben, und wieder
welche sich viele so sich vereiniget, schützen können. Wel-
ches sie nicht thun könten, wenn sie einzeln lebeten. Dar-
um haben die Menschen ein Oberhaupt erwehlet, sie zu

schü-
(a) Ursach der
aufgerichteten
Republiquen.
Clerc dans la Biblioth. Chois. Tom. XI. pag. 239. Si l'on remante jus-
qu'a l'origine de la societe civile, on trouvera, qu'elle ne s'est pas
formee, en vue de la religion; mais seulement pour vivre en su-
rete contre les entreprises de ceux, qui abusoient de leur puissance
a mal faire & contre qui plusieurs hommes assouez ensemble se
peuvent defendre; au lieu qu'ils ne le pour roient pas faire s'ils
vivoient separement. C'est pour cela que les hommes on l'eta-
bli des puissances supremes, pour les conduire, & pour conserver a
chacun, ce que lui appartient, par de certaines, loi soutenues par
des peines & des recompenses.
Vorbericht von der Juriſten
Recht eines
Fuͤrſten bey
diſſentiren-
den Reli-gionen.
§. XXXI.

Ein Fuͤrſte muß alſo wohl zuſehen/ daß
wegen der unterſchiedenen Religionen/ in einen gemeinen
Weſen keine Unruhen entſtehen. Der unzeitige Eyffer der
diſſentirenden kan ſolche gar leicht verurſachen. Das ge-
meine Volck haͤnget in ſolchen Faͤllen an der Geiſtlichkeit.
die Wohlfarth des gemeinen Weſens erfordert es alſo/ daß
ein Fuͤrſte die Auffſicht uͤber jeden Gottesdienſt hat. Daß
er die unruhigen Koͤpffe zur raiſon bringet/ die Verfolgun-
gen wehret/ dem unzeitigen Eyffer und Herrſchafft uͤber die
Gewiſſen wiederſtehet. Hierzu aber zu gelangen/ iſt eben
nicht noͤthig/ daß er die diſſentirenden von ſeiner Religion
verjaget. Man koͤnte oͤffters auff ſolche Weiſe die Wahrheit
unterdrucken. Die Republiquen ſind nicht darum gepflan-
tzet/ die Religion zu defendiren. Denn dieſe iſt nach dem
Voͤlcker-Recht frey. Clericus urtheilet uͤberaus wohl
davon/ da er ſchreibet: (a) Wenn man biß auff den
Anfang der buͤrgerlichen Geſellſchafft ſteiget, ſo wird man
befinden, daß ſolche nicht um der Religion eingefuͤhret wor-
den; Sondern nur in Sicherheit, wieder diejenigen, die
mit ihrer Gewalt ſchaden wollen, zu leben, und wieder
welche ſich viele ſo ſich vereiniget, ſchuͤtzen koͤnnen. Wel-
ches ſie nicht thun koͤnten, wenn ſie einzeln lebeten. Dar-
um haben die Menſchen ein Oberhaupt erwehlet, ſie zu

ſchuͤ-
(a) Urſach der
aufgerichteten
Republiquen.
Clerc dans la Biblioth. Choiſ. Tom. XI. pag. 239. Si l’on remante jus-
qu’à l’origine de la ſocieté civile, on trouvera, qu’elle ne s’eſt pas
formée, en vuë de la religion; mais ſeulement pour vivre en ſù-
reté contre les entrepriſes de ceux, qui abuſoient de leur puiſſance
à mal faire & contre qui pluſieurs hommes aſſouez enſemble ſe
peuvent défendre; au lieu qu’ils ne le pour roient pas faire s’ils
vivoient ſèparément. C’eſt pour cela que les hommes on l’eta-
bli des puiſſances ſuprêmes, pour les conduire, & pour conſerver à
chacun, ce que lui appartient, par de certaines, loi ſoutenues par
des peines & des récompenſes.
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[40/0059] Vorbericht von der Juriſten §. XXXI. Ein Fuͤrſte muß alſo wohl zuſehen/ daß wegen der unterſchiedenen Religionen/ in einen gemeinen Weſen keine Unruhen entſtehen. Der unzeitige Eyffer der diſſentirenden kan ſolche gar leicht verurſachen. Das ge- meine Volck haͤnget in ſolchen Faͤllen an der Geiſtlichkeit. die Wohlfarth des gemeinen Weſens erfordert es alſo/ daß ein Fuͤrſte die Auffſicht uͤber jeden Gottesdienſt hat. Daß er die unruhigen Koͤpffe zur raiſon bringet/ die Verfolgun- gen wehret/ dem unzeitigen Eyffer und Herrſchafft uͤber die Gewiſſen wiederſtehet. Hierzu aber zu gelangen/ iſt eben nicht noͤthig/ daß er die diſſentirenden von ſeiner Religion verjaget. Man koͤnte oͤffters auff ſolche Weiſe die Wahrheit unterdrucken. Die Republiquen ſind nicht darum gepflan- tzet/ die Religion zu defendiren. Denn dieſe iſt nach dem Voͤlcker-Recht frey. Clericus urtheilet uͤberaus wohl davon/ da er ſchreibet: (a) Wenn man biß auff den Anfang der buͤrgerlichen Geſellſchafft ſteiget, ſo wird man befinden, daß ſolche nicht um der Religion eingefuͤhret wor- den; Sondern nur in Sicherheit, wieder diejenigen, die mit ihrer Gewalt ſchaden wollen, zu leben, und wieder welche ſich viele ſo ſich vereiniget, ſchuͤtzen koͤnnen. Wel- ches ſie nicht thun koͤnten, wenn ſie einzeln lebeten. Dar- um haben die Menſchen ein Oberhaupt erwehlet, ſie zu ſchuͤ- (a) Clerc dans la Biblioth. Choiſ. Tom. XI. pag. 239. Si l’on remante jus- qu’à l’origine de la ſocieté civile, on trouvera, qu’elle ne s’eſt pas formée, en vuë de la religion; mais ſeulement pour vivre en ſù- reté contre les entrepriſes de ceux, qui abuſoient de leur puiſſance à mal faire & contre qui pluſieurs hommes aſſouez enſemble ſe peuvent défendre; au lieu qu’ils ne le pour roient pas faire s’ils vivoient ſèparément. C’eſt pour cela que les hommes on l’eta- bli des puiſſances ſuprêmes, pour les conduire, & pour conſerver à chacun, ce que lui appartient, par de certaines, loi ſoutenues par des peines & des récompenſes.

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/59>, abgerufen am 29.03.2024.