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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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Vorbericht von der Juristen
dieses ausgedacht werden. Gesetze haben mit Thun und
Lassen,
keinesweges aber mit Glaubens-Sachen zu thun.
Die Ideen und Concepte, die sich einer machen soll/ kan man
nicht befehlen. Die Religion leidet gar keinen Zwang.
Nichts ist so frey als die Religion, saget Lactantius (d), wenn
da das Gemüthe entgegen ist, so ist sie aufgehoben, und gantz
und gar nichts.

Noch ein
paar An-merckungen
§. XXXVIII.

Es ist auch bey gedachtem Titul die Fra-
ge zu entscheiden/ ob die Dissentirenden zu drücken und zu
verfolgen.
Was davon zu halten/ habe bereits hin und wie-
der angezeigt. Nicht minder ist zu untersuchen/ ob der Re-
ligions-Zwang gute Christen,
oder nicht vielmehr Heuchler
mache (a). Alle diese und noch viele andere vorkommende
Dinge lauffen ja mit in die Theologie. Will ich nun die
Verordnungen der Rechte wohl verstehen/ alle vorfallende
Fragen entscheiden/ auff unsern Kirchen-Staat appliciren/
u. s. w. So muß ich ia alle Materien wohl verstehen. Folg-
bar muß ich mich als ein rechtschaffener Jurist in der Theo-
logie
umsehen.

§. XXXIX.
allein alles ausmachen. Waß sie ordnen würden, solten alle annehmen. Also mu-
sten nicht alleine die Käyser, sondern alle andere von dem Wohlgefallen der Bischöf-
fe dependiren, und ihren Glauben darnach einrichten. Jhnen bliebe nichts übrig,
als andern die Schlüße mit Gewalt aufzudringen.
(d) Die Neligion
ist ein sreyes
Wesen.
Lactantius Lib. V. c. 14. Nihil tam voluntarium, quam religio est, in qua si
animus aduersus est, jam sublata, jam nulla est.
Der Käyser Maximilianus
hat auch gar recht gesprochen: Es sey nichts so grausam, als sich einer Herrschafft
über die Gewissen anmassen wollen. Diese Herrschsucht wäre etwas henckerisches.
(a) Ob Straffen
fromme Leute
machen.
Es ist ein gemeiner Wahn, die Leute würden durch Straffen fromm und tugend-
hafft
gemacht. Viele Theologi sind in der Meinung. Sie haben keinen deutli-
chen Begriff/ von dem Endzweck der Straffen. Diese sind darum, daß ich den
äuserlichen Frieden nicht turbire. Zu dem innerlichen und der Tugend wird
etwas anders erfordert. Wenn ein Vater zu seinem Kind sagte, es solte ihm die Hand
küssen, das Kind wolte nicht, er aber brächte es mit Schlägen dazu, wer wolte sagen,
daß dieses ein tugendhafftes Kind wäre. Es ist nichts anders, als ein verstelltes We-
sen. Dieses geschiehet um so viel destomehr, wenn ich Erwachsene zwingen will, et-
was zu glauben, davon sie das Gegentheil versichert sind.

Vorbericht von der Juriſten
dieſes ausgedacht werden. Geſetze haben mit Thun und
Laſſen,
keinesweges aber mit Glaubens-Sachen zu thun.
Die Ideen und Concepte, die ſich einer machen ſoll/ kan man
nicht befehlen. Die Religion leidet gar keinen Zwang.
Nichts iſt ſo frey als die Religion, ſaget Lactantius (d), wenn
da das Gemuͤthe entgegen iſt, ſo iſt ſie aufgehoben, und gantz
und gar nichts.

Noch ein
paar An-merckungen
§. XXXVIII.

Es iſt auch bey gedachtem Titul die Fra-
ge zu entſcheiden/ ob die Diſſentirenden zu druͤcken und zu
verfolgen.
Was davon zu halten/ habe bereits hin und wie-
der angezeigt. Nicht minder iſt zu unterſuchen/ ob der Re-
ligions-Zwang gute Chriſten,
oder nicht vielmehr Heuchler
mache (a). Alle dieſe und noch viele andere vorkommende
Dinge lauffen ja mit in die Theologie. Will ich nun die
Verordnungen der Rechte wohl verſtehen/ alle vorfallende
Fragen entſcheiden/ auff unſern Kirchen-Staat appliciren/
u. ſ. w. So muß ich ia alle Materien wohl verſtehen. Folg-
bar muß ich mich als ein rechtſchaffener Juriſt in der Theo-
logie
umſehen.

§. XXXIX.
allein alles ausmachen. Waß ſie ordnen wuͤrden, ſolten alle annehmen. Alſo mu-
ſten nicht alleine die Kaͤyſer, ſondern alle andere von dem Wohlgefallen der Biſchoͤf-
fe dependiren, und ihren Glauben darnach einrichten. Jhnen bliebe nichts uͤbrig,
als andern die Schluͤße mit Gewalt aufzudringen.
(d) Die Neligion
iſt ein ſreyes
Weſen.
Lactantius Lib. V. c. 14. Nihil tam voluntarium, quam religio eſt, in qua ſi
animus aduerſus eſt, jam ſublata, jam nulla eſt.
Der Kaͤyſer Maximilianus
hat auch gar recht geſprochen: Es ſey nichts ſo grauſam, als ſich einer Herrſchafft
uͤber die Gewiſſen anmaſſen wollen. Dieſe Herrſchſucht waͤre etwas henckeriſches.
(a) Ob Straffen
fromme Leute
machen.
Es iſt ein gemeiner Wahn, die Leute wuͤrden durch Straffen fromm und tugend-
hafft
gemacht. Viele Theologi ſind in der Meinung. Sie haben keinen deutli-
chen Begriff/ von dem Endzweck der Straffen. Dieſe ſind darum, daß ich den
aͤuſerlichen Frieden nicht turbire. Zu dem innerlichen und der Tugend wird
etwas anders erfordert. Wenn ein Vater zu ſeinem Kind ſagte, es ſolte ihm die Hand
kuͤſſen, das Kind wolte nicht, er aber braͤchte es mit Schlaͤgen dazu, wer wolte ſagen,
daß dieſes ein tugendhafftes Kind waͤre. Es iſt nichts anders, als ein verſtelltes We-
ſen. Dieſes geſchiehet um ſo viel deſtomehr, wenn ich Erwachſene zwingen will, et-
was zu glauben, davon ſie das Gegentheil verſichert ſind.
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[50/0069] Vorbericht von der Juriſten dieſes ausgedacht werden. Geſetze haben mit Thun und Laſſen, keinesweges aber mit Glaubens-Sachen zu thun. Die Ideen und Concepte, die ſich einer machen ſoll/ kan man nicht befehlen. Die Religion leidet gar keinen Zwang. Nichts iſt ſo frey als die Religion, ſaget Lactantius (d), wenn da das Gemuͤthe entgegen iſt, ſo iſt ſie aufgehoben, und gantz und gar nichts. §. XXXVIII. Es iſt auch bey gedachtem Titul die Fra- ge zu entſcheiden/ ob die Diſſentirenden zu druͤcken und zu verfolgen. Was davon zu halten/ habe bereits hin und wie- der angezeigt. Nicht minder iſt zu unterſuchen/ ob der Re- ligions-Zwang gute Chriſten, oder nicht vielmehr Heuchler mache (a). Alle dieſe und noch viele andere vorkommende Dinge lauffen ja mit in die Theologie. Will ich nun die Verordnungen der Rechte wohl verſtehen/ alle vorfallende Fragen entſcheiden/ auff unſern Kirchen-Staat appliciren/ u. ſ. w. So muß ich ia alle Materien wohl verſtehen. Folg- bar muß ich mich als ein rechtſchaffener Juriſt in der Theo- logie umſehen. §. XXXIX. (c) (d) Lactantius Lib. V. c. 14. Nihil tam voluntarium, quam religio eſt, in qua ſi animus aduerſus eſt, jam ſublata, jam nulla eſt. Der Kaͤyſer Maximilianus hat auch gar recht geſprochen: Es ſey nichts ſo grauſam, als ſich einer Herrſchafft uͤber die Gewiſſen anmaſſen wollen. Dieſe Herrſchſucht waͤre etwas henckeriſches. (a) Es iſt ein gemeiner Wahn, die Leute wuͤrden durch Straffen fromm und tugend- hafft gemacht. Viele Theologi ſind in der Meinung. Sie haben keinen deutli- chen Begriff/ von dem Endzweck der Straffen. Dieſe ſind darum, daß ich den aͤuſerlichen Frieden nicht turbire. Zu dem innerlichen und der Tugend wird etwas anders erfordert. Wenn ein Vater zu ſeinem Kind ſagte, es ſolte ihm die Hand kuͤſſen, das Kind wolte nicht, er aber braͤchte es mit Schlaͤgen dazu, wer wolte ſagen, daß dieſes ein tugendhafftes Kind waͤre. Es iſt nichts anders, als ein verſtelltes We- ſen. Dieſes geſchiehet um ſo viel deſtomehr, wenn ich Erwachſene zwingen will, et- was zu glauben, davon ſie das Gegentheil verſichert ſind. (c) allein alles ausmachen. Waß ſie ordnen wuͤrden, ſolten alle annehmen. Alſo mu- ſten nicht alleine die Kaͤyſer, ſondern alle andere von dem Wohlgefallen der Biſchoͤf- fe dependiren, und ihren Glauben darnach einrichten. Jhnen bliebe nichts uͤbrig, als andern die Schluͤße mit Gewalt aufzudringen.

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/69>, abgerufen am 28.03.2024.