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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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Studio in der Theologie.
untersuchen/ und zeigen/ was vor Streiche der heimlichen
Regiersucht
darunter verborgen sind. (b) Ferner ist diese
Anmerckung nicht ausser Augen zu setzen/ daß man die Religion

durch
jenen Fällen, könten die Unterthanen wieder den Fürsten rebelliren.
Denen Ketzern sey keine Treu und Glauben zu halten. Jn geistlichen
Sachen müste ein besonderes Oberhaupt seyn. Geistliche Personen,
wenn sie gleich in dem Lande wohneten, wären nebst ihren Gütern von
weltlicher Herrschafft befreyet. Jch übergehe andere Dinge, die von
denen Römisch-Catholischen zum Nachtheil des gemeinen Wesens, behau-
ptet werden. Wie viele sind nicht unter unsern Theologis, die die Kir-
che als einen besondern Staat betrachten, und dem bürgerlichen entgegen
setzen. Wie viel kleine Gern-Päbste haben wir unter uns. Der Kö-
nigsbergische Professor, Philipp Jacob Hartmann hat in seinem com-
mentario de rebus gestis Christianorum sub Apostolis
nichts anders zu be-
haupten gesucht, als daß die Kirchen-Diener allerdings eine Herrschafft
hätten, und folgbahr von der bürgerlichen Gewalt besreyet wären. Auf
diese Weise bekämen wir viel Päbste, da die Römisch-Catholischen nur
einen haben, der noch dazu ein grosser Herr ist. Allein daß die Kirche kein
bürgerlicher Staat, noch denen Aposteln oder ihren so genannten Nach-
folgern eine Herrschafft zukomme, hat der berühmte Samuel Puffendorff
in seinem tractat de habitu religionis christianae ad vitam ciuilem vortreff-
lich gewiesen. Damit nun so wohl in erzehlten, als andern Fällen, unter
dem Schein der Religion nichts unternommen oder vorgetragen werde, so
dem gemeinen Wesen nichtheilig ist, muß ein Jurist allerdings bekümmert
seyn. Mich düncket aber daß er alles Vorgeben der Wiedriggesinnten
nicht besser wiederlegen könne, als durch die Kirchen-Historie.
(b) Dieses kan mir eine ächte Kirchen-Historie am besten zeigen. DennBemäntlunng
der geistlichen
Regiersucht.

man hat alles, was nur einiger massen der geistlichen Herrschafft favori-
su
te zum theil verdrehet, zum theil mit Unrecht auf den heutigen Zustand
gezogen. Denn da man in dem alten Bund gesehen, daß die Leviten von
dem andern Jsraelitischen Volck unterschieden, und mit vielen besondern
Freyheiten begabt gewesen, deutete es die Geistlichkeit also bald auf sich.
Sie sahen ferner, daß die Apostel und ihre nächste Nachfolger, besondere
Versammlungen, aus denen Gliedern der bürgerlichen Gesellschafft ge-
macht. Derselben wurden wieder wissen des Fürsten, Bischöffe, Aelte-
sten
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Studio in der Theologie.
unterſuchen/ und zeigen/ was vor Streiche der heimlichen
Regierſucht
darunter verborgen ſind. (b) Ferner iſt dieſe
Anmerckung nicht auſſer Augen zu ſetzen/ daß man die Religion

durch
jenen Faͤllen, koͤnten die Unterthanen wieder den Fuͤrſten rebelliren.
Denen Ketzern ſey keine Treu und Glauben zu halten. Jn geiſtlichen
Sachen muͤſte ein beſonderes Oberhaupt ſeyn. Geiſtliche Perſonen,
wenn ſie gleich in dem Lande wohneten, waͤren nebſt ihren Guͤtern von
weltlicher Herrſchafft befreyet. Jch uͤbergehe andere Dinge, die von
denen Roͤmiſch-Catholiſchen zum Nachtheil des gemeinen Weſens, behau-
ptet werden. Wie viele ſind nicht unter unſern Theologis, die die Kir-
che als einen beſondern Staat betrachten, und dem buͤrgerlichen entgegen
ſetzen. Wie viel kleine Gern-Paͤbſte haben wir unter uns. Der Koͤ-
nigsbergiſche Profeſſor, Philipp Jacob Hartmann hat in ſeinem com-
mentario de rebus geſtis Chriſtianorum ſub Apoſtolis
nichts anders zu be-
haupten geſucht, als daß die Kirchen-Diener allerdings eine Herrſchafft
haͤtten, und folgbahr von der buͤrgerlichen Gewalt beſreyet waͤren. Auf
dieſe Weiſe bekaͤmen wir viel Paͤbſte, da die Roͤmiſch-Catholiſchen nur
einen haben, der noch dazu ein groſſer Herr iſt. Allein daß die Kirche kein
buͤrgerlicher Staat, noch denen Apoſteln oder ihren ſo genannten Nach-
folgern eine Herrſchafft zukomme, hat der beruͤhmte Samuel Puffendorff
in ſeinem tractat de habitu religionis chriſtianæ ad vitam ciuilem vortreff-
lich gewieſen. Damit nun ſo wohl in erzehlten, als andern Faͤllen, unter
dem Schein der Religion nichts unternommen oder vorgetragen werde, ſo
dem gemeinen Weſen nichtheilig iſt, muß ein Juriſt allerdings bekuͤmmert
ſeyn. Mich duͤncket aber daß er alles Vorgeben der Wiedriggeſinnten
nicht beſſer wiederlegen koͤnne, als durch die Kirchen-Hiſtorie.
(b) Dieſes kan mir eine aͤchte Kirchen-Hiſtorie am beſten zeigen. DennBemaͤntlũng
der geiſtlichen
Regierſucht.

man hat alles, was nur einiger maſſen der geiſtlichen Herrſchafft favori-
ſu
te zum theil verdrehet, zum theil mit Unrecht auf den heutigen Zuſtand
gezogen. Denn da man in dem alten Bund geſehen, daß die Leviten von
dem andern Jſraelitiſchen Volck unterſchieden, und mit vielen beſondern
Freyheiten begabt geweſen, deutete es die Geiſtlichkeit alſo bald auf ſich.
Sie ſahen ferner, daß die Apoſtel und ihre naͤchſte Nachfolger, beſondere
Verſammlungen, aus denen Gliedern der buͤrgerlichen Geſellſchafft ge-
macht. Derſelben wurden wieder wiſſen des Fuͤrſten, Biſchoͤffe, Aelte-
ſten
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[21/0040] Studio in der Theologie. unterſuchen/ und zeigen/ was vor Streiche der heimlichen Regierſucht darunter verborgen ſind. (b) Ferner iſt dieſe Anmerckung nicht auſſer Augen zu ſetzen/ daß man die Religion durch (a) (b) Dieſes kan mir eine aͤchte Kirchen-Hiſtorie am beſten zeigen. Denn man hat alles, was nur einiger maſſen der geiſtlichen Herrſchafft favori- ſute zum theil verdrehet, zum theil mit Unrecht auf den heutigen Zuſtand gezogen. Denn da man in dem alten Bund geſehen, daß die Leviten von dem andern Jſraelitiſchen Volck unterſchieden, und mit vielen beſondern Freyheiten begabt geweſen, deutete es die Geiſtlichkeit alſo bald auf ſich. Sie ſahen ferner, daß die Apoſtel und ihre naͤchſte Nachfolger, beſondere Verſammlungen, aus denen Gliedern der buͤrgerlichen Geſellſchafft ge- macht. Derſelben wurden wieder wiſſen des Fuͤrſten, Biſchoͤffe, Aelte- ſten (a) jenen Faͤllen, koͤnten die Unterthanen wieder den Fuͤrſten rebelliren. Denen Ketzern ſey keine Treu und Glauben zu halten. Jn geiſtlichen Sachen muͤſte ein beſonderes Oberhaupt ſeyn. Geiſtliche Perſonen, wenn ſie gleich in dem Lande wohneten, waͤren nebſt ihren Guͤtern von weltlicher Herrſchafft befreyet. Jch uͤbergehe andere Dinge, die von denen Roͤmiſch-Catholiſchen zum Nachtheil des gemeinen Weſens, behau- ptet werden. Wie viele ſind nicht unter unſern Theologis, die die Kir- che als einen beſondern Staat betrachten, und dem buͤrgerlichen entgegen ſetzen. Wie viel kleine Gern-Paͤbſte haben wir unter uns. Der Koͤ- nigsbergiſche Profeſſor, Philipp Jacob Hartmann hat in ſeinem com- mentario de rebus geſtis Chriſtianorum ſub Apoſtolis nichts anders zu be- haupten geſucht, als daß die Kirchen-Diener allerdings eine Herrſchafft haͤtten, und folgbahr von der buͤrgerlichen Gewalt beſreyet waͤren. Auf dieſe Weiſe bekaͤmen wir viel Paͤbſte, da die Roͤmiſch-Catholiſchen nur einen haben, der noch dazu ein groſſer Herr iſt. Allein daß die Kirche kein buͤrgerlicher Staat, noch denen Apoſteln oder ihren ſo genannten Nach- folgern eine Herrſchafft zukomme, hat der beruͤhmte Samuel Puffendorff in ſeinem tractat de habitu religionis chriſtianæ ad vitam ciuilem vortreff- lich gewieſen. Damit nun ſo wohl in erzehlten, als andern Faͤllen, unter dem Schein der Religion nichts unternommen oder vorgetragen werde, ſo dem gemeinen Weſen nichtheilig iſt, muß ein Juriſt allerdings bekuͤmmert ſeyn. Mich duͤncket aber daß er alles Vorgeben der Wiedriggeſinnten nicht beſſer wiederlegen koͤnne, als durch die Kirchen-Hiſtorie. c 3 c 3

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/40>, abgerufen am 29.03.2024.