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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Koreaner und Japanesen.
Culturschätze aufgetreten sind, haben wir unverdrossen mit den
Schweissperlen auf der Stirn nur nach einem Ding gesucht, von
dessen Dasein die Chinesen keine Ahnung haben, und für das
sie auch schwerlich eine Schüssel Reis geben würden. Dieses
eine unsichtbare Ding nennen wir Causalität. An den Chinesen
haben wir eine ungezählte Menge von Erfindungen bewundert,
und von ihnen uns angeeignet, aber wir verdanken ihnen nicht
eine einzige Theorie, nicht einen einzigen tieferen Blick in den
Zusammenhang und die nächsten Ursachen der Erscheinungen.

3. Koreaner und Japanesen.

Die Bewohner der Halbinsel Korea und des japanischen
Archipels theilen mit den Völkern des vorigen Abschnittes die
Merkmale der mongolischen Race. Die Japanesen gehören mit
einem Breitenindex von 76 unter die Mesocephalen und die Höhe
ihres Schädels ist fast so gross wie die Breite. Nur ihre mehr-
sylbigen Sprachen verhindern es, dass sie in die nämliche Gruppe
wie die Chinesen und Malayochinesen gestellt werden. Näher
stehen sie linguistisch dem altaischen Typus, mit dem sie die
lockre Zusammenfügung der Formelemente und andre Regeln des
Wortbaues gemein haben. In solchen Grundzügen stimmt das
Japanische mit dem Koreanischen so weit überein, dass beide
Sprachen eine gemeinsame Herkunft besessen haben könnten,
doch ist bis jetzt keine Thatsache dafür entdeckt worden, dass sie
eine gemeinsame Herkunft besessen haben müssten 1).

Die Japanesen sind in ihre heutigen Wohnsitze vom Fest-
lande eingewandert und haben dann weiter gegen Süden auch
die Leiu-keiu Inseln bevölkert. Auf Nippon und den südlichen
Inseln verdrängten sie ältere Urbewohner, mit höchster Wahr-
scheinlichkeit Aino, die sich jetzt nur noch auf Jezo und auf den
Kurilen behaupten. Auch mit den Japanesen kann sich die
Völkerkunde nicht lange beschäftigen. Wohl sind sie ein geistig
hoch begabtes Volk, welches sich rasch fremde Culturvorzüge
aneignet. Fuhr doch schon im Januar 1860 ein Dampfer nur

1) Whitney, Language and the study of language. p. 329.

Koreaner und Japanesen.
Culturschätze aufgetreten sind, haben wir unverdrossen mit den
Schweissperlen auf der Stirn nur nach einem Ding gesucht, von
dessen Dasein die Chinesen keine Ahnung haben, und für das
sie auch schwerlich eine Schüssel Reis geben würden. Dieses
eine unsichtbare Ding nennen wir Causalität. An den Chinesen
haben wir eine ungezählte Menge von Erfindungen bewundert,
und von ihnen uns angeeignet, aber wir verdanken ihnen nicht
eine einzige Theorie, nicht einen einzigen tieferen Blick in den
Zusammenhang und die nächsten Ursachen der Erscheinungen.

3. Koreaner und Japanesen.

Die Bewohner der Halbinsel Korea und des japanischen
Archipels theilen mit den Völkern des vorigen Abschnittes die
Merkmale der mongolischen Race. Die Japanesen gehören mit
einem Breitenindex von 76 unter die Mesocephalen und die Höhe
ihres Schädels ist fast so gross wie die Breite. Nur ihre mehr-
sylbigen Sprachen verhindern es, dass sie in die nämliche Gruppe
wie die Chinesen und Malayochinesen gestellt werden. Näher
stehen sie linguistisch dem altaischen Typus, mit dem sie die
lockre Zusammenfügung der Formelemente und andre Regeln des
Wortbaues gemein haben. In solchen Grundzügen stimmt das
Japanische mit dem Koreanischen so weit überein, dass beide
Sprachen eine gemeinsame Herkunft besessen haben könnten,
doch ist bis jetzt keine Thatsache dafür entdeckt worden, dass sie
eine gemeinsame Herkunft besessen haben müssten 1).

Die Japanesen sind in ihre heutigen Wohnsitze vom Fest-
lande eingewandert und haben dann weiter gegen Süden auch
die Lîu-kîu Inseln bevölkert. Auf Nippon und den südlichen
Inseln verdrängten sie ältere Urbewohner, mit höchster Wahr-
scheinlichkeit Aino, die sich jetzt nur noch auf Jezo und auf den
Kurilen behaupten. Auch mit den Japanesen kann sich die
Völkerkunde nicht lange beschäftigen. Wohl sind sie ein geistig
hoch begabtes Volk, welches sich rasch fremde Culturvorzüge
aneignet. Fuhr doch schon im Januar 1860 ein Dampfer nur

1) Whitney, Language and the study of language. p. 329.
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[400/0418] Koreaner und Japanesen. Culturschätze aufgetreten sind, haben wir unverdrossen mit den Schweissperlen auf der Stirn nur nach einem Ding gesucht, von dessen Dasein die Chinesen keine Ahnung haben, und für das sie auch schwerlich eine Schüssel Reis geben würden. Dieses eine unsichtbare Ding nennen wir Causalität. An den Chinesen haben wir eine ungezählte Menge von Erfindungen bewundert, und von ihnen uns angeeignet, aber wir verdanken ihnen nicht eine einzige Theorie, nicht einen einzigen tieferen Blick in den Zusammenhang und die nächsten Ursachen der Erscheinungen. 3. Koreaner und Japanesen. Die Bewohner der Halbinsel Korea und des japanischen Archipels theilen mit den Völkern des vorigen Abschnittes die Merkmale der mongolischen Race. Die Japanesen gehören mit einem Breitenindex von 76 unter die Mesocephalen und die Höhe ihres Schädels ist fast so gross wie die Breite. Nur ihre mehr- sylbigen Sprachen verhindern es, dass sie in die nämliche Gruppe wie die Chinesen und Malayochinesen gestellt werden. Näher stehen sie linguistisch dem altaischen Typus, mit dem sie die lockre Zusammenfügung der Formelemente und andre Regeln des Wortbaues gemein haben. In solchen Grundzügen stimmt das Japanische mit dem Koreanischen so weit überein, dass beide Sprachen eine gemeinsame Herkunft besessen haben könnten, doch ist bis jetzt keine Thatsache dafür entdeckt worden, dass sie eine gemeinsame Herkunft besessen haben müssten 1). Die Japanesen sind in ihre heutigen Wohnsitze vom Fest- lande eingewandert und haben dann weiter gegen Süden auch die Lîu-kîu Inseln bevölkert. Auf Nippon und den südlichen Inseln verdrängten sie ältere Urbewohner, mit höchster Wahr- scheinlichkeit Aino, die sich jetzt nur noch auf Jezo und auf den Kurilen behaupten. Auch mit den Japanesen kann sich die Völkerkunde nicht lange beschäftigen. Wohl sind sie ein geistig hoch begabtes Volk, welches sich rasch fremde Culturvorzüge aneignet. Fuhr doch schon im Januar 1860 ein Dampfer nur 1) Whitney, Language and the study of language. p. 329.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/418>, abgerufen am 28.03.2024.