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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die Nahrungsmittel und ihre Zubereitung.
kronen von Palmen geschmückt, konnte man sich den gesegneten
Garten vorstellen, wo unsre Stammeltern mit Ernährungssorgen noch
nicht zu kämpfen hatten. Doch ist es noch heutigen Tages
kleinen Gemeinden vergönnt zu ernten, wo sie nicht gesäet, zu
pflücken, wo sie nicht gepflanzt haben. Im Gebiete der Sagopalme,
also in der Banda See finden Malayen und Papuanen immer Nah-
rungsvorräthe, die ihrer warten. Auf etlichen Korallengruppen
der Südsee und des indischen Oceanes bestehen die Mahlzeiten zu
jeder Tagesstunde und im Laufe des ganzen Jahres nur aus Co-
cosnüssen, höchstens dass der Fischfang gelegentlich eine Abwech-
selung gewährt. Unter den Palmen finden wir überhaupt die
willigsten Nährmütter des Menschen. Zu den Bäumen, welche die
Eingebornen des tropischen Südamerikas pflegen, gehört die Gui-
lelma speciosa
, welche die apricosen- oder eierpflaumenartigen Pu-
punhas trägt. Sie muss seit uralten Zeiten schon gezüchtet und
durch Edelreiser fortgepflanzt worden sein, da der ursprünglich
steinharte Samenkern entweder in Fasern zerschmolzen ist oder
sich gänzlich zu Fruchtfleisch aufgelöst hat 1). Einem herrenlosen
Obstgarten gleichen die Wälder am Amazonenstrom, wo die bra-
silianische Kastanie (Bertholletia excelsa) ihre mandelähnlichen
Samen reift, der Cacao, die Ananas, der Breiapfel (Achras Sapota),
die Avagate (Persea gratissima), sowie eine Anzahl beeren-, pflau-
men- und kirschenartiger Früchte wild wachsen, zu denen die Miriti
oder Moriche (Mauritia flexuosa) den Palm wein und die Tageskost liefert.
Dort ist also der Tisch beständig gedeckt und für Abwechselung reich-
lich gesorgt 2). Mehr als 200 orangengrosse sättigende Nüsse trägt
alljährlich in Mittelafrika der Dum- oder Pfefferkuchenbaum (Hy-
phaena thebaica)
, die einzige Palme, welche abtrünnig dem Fami-
lientypus ihren Stamm verzweigt 3). Neben ihr ernährt die Dattel
in den saharischen Oasen nicht bloss den Reiter, sondern sogar
das Ross, das ihn trägt. Freilich ist sie nirgends mehr wild an-
zutreffen, erfordert sie doch sogar, damit die Ernte gesichert sei,
dass die Blüthen der männlichen Bäume mit denen der weiblichen
durch kundige Hand vermählt werden.

Von seiner Heimath auf den Molukken und Philippinen ist

1) Martius, Ethnographie I, 136.
2) Martius l. c. S. 449--451. L. Gumilla, Orinoco. cap. 9. p. 84.
3) Samuel Baker in Proceedings of the R. Geogr. Society 1866. p. 260.

Die Nahrungsmittel und ihre Zubereitung.
kronen von Palmen geschmückt, konnte man sich den gesegneten
Garten vorstellen, wo unsre Stammeltern mit Ernährungssorgen noch
nicht zu kämpfen hatten. Doch ist es noch heutigen Tages
kleinen Gemeinden vergönnt zu ernten, wo sie nicht gesäet, zu
pflücken, wo sie nicht gepflanzt haben. Im Gebiete der Sagopalme,
also in der Banda See finden Malayen und Papuanen immer Nah-
rungsvorräthe, die ihrer warten. Auf etlichen Korallengruppen
der Südsee und des indischen Oceanes bestehen die Mahlzeiten zu
jeder Tagesstunde und im Laufe des ganzen Jahres nur aus Co-
cosnüssen, höchstens dass der Fischfang gelegentlich eine Abwech-
selung gewährt. Unter den Palmen finden wir überhaupt die
willigsten Nährmütter des Menschen. Zu den Bäumen, welche die
Eingebornen des tropischen Südamerikas pflegen, gehört die Gui-
lelma speciosa
, welche die apricosen- oder eierpflaumenartigen Pu-
punhas trägt. Sie muss seit uralten Zeiten schon gezüchtet und
durch Edelreiser fortgepflanzt worden sein, da der ursprünglich
steinharte Samenkern entweder in Fasern zerschmolzen ist oder
sich gänzlich zu Fruchtfleisch aufgelöst hat 1). Einem herrenlosen
Obstgarten gleichen die Wälder am Amazonenstrom, wo die bra-
silianische Kastanie (Bertholletia excelsa) ihre mandelähnlichen
Samen reift, der Cacao, die Ananas, der Breiapfel (Achras Sapota),
die Avagate (Persea gratissima), sowie eine Anzahl beeren-, pflau-
men- und kirschenartiger Früchte wild wachsen, zu denen die Miriti
oder Moriche (Mauritia flexuosa) den Palm wein und die Tageskost liefert.
Dort ist also der Tisch beständig gedeckt und für Abwechselung reich-
lich gesorgt 2). Mehr als 200 orangengrosse sättigende Nüsse trägt
alljährlich in Mittelafrika der Dum- oder Pfefferkuchenbaum (Hy-
phaena thebaica)
, die einzige Palme, welche abtrünnig dem Fami-
lientypus ihren Stamm verzweigt 3). Neben ihr ernährt die Dattel
in den saharischen Oasen nicht bloss den Reiter, sondern sogar
das Ross, das ihn trägt. Freilich ist sie nirgends mehr wild an-
zutreffen, erfordert sie doch sogar, damit die Ernte gesichert sei,
dass die Blüthen der männlichen Bäume mit denen der weiblichen
durch kundige Hand vermählt werden.

Von seiner Heimath auf den Molukken und Philippinen ist

1) Martius, Ethnographie I, 136.
2) Martius l. c. S. 449—451. L. Gumilla, Orinoco. cap. 9. p. 84.
3) Samuel Baker in Proceedings of the R. Geogr. Society 1866. p. 260.
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[159/0177] Die Nahrungsmittel und ihre Zubereitung. kronen von Palmen geschmückt, konnte man sich den gesegneten Garten vorstellen, wo unsre Stammeltern mit Ernährungssorgen noch nicht zu kämpfen hatten. Doch ist es noch heutigen Tages kleinen Gemeinden vergönnt zu ernten, wo sie nicht gesäet, zu pflücken, wo sie nicht gepflanzt haben. Im Gebiete der Sagopalme, also in der Banda See finden Malayen und Papuanen immer Nah- rungsvorräthe, die ihrer warten. Auf etlichen Korallengruppen der Südsee und des indischen Oceanes bestehen die Mahlzeiten zu jeder Tagesstunde und im Laufe des ganzen Jahres nur aus Co- cosnüssen, höchstens dass der Fischfang gelegentlich eine Abwech- selung gewährt. Unter den Palmen finden wir überhaupt die willigsten Nährmütter des Menschen. Zu den Bäumen, welche die Eingebornen des tropischen Südamerikas pflegen, gehört die Gui- lelma speciosa, welche die apricosen- oder eierpflaumenartigen Pu- punhas trägt. Sie muss seit uralten Zeiten schon gezüchtet und durch Edelreiser fortgepflanzt worden sein, da der ursprünglich steinharte Samenkern entweder in Fasern zerschmolzen ist oder sich gänzlich zu Fruchtfleisch aufgelöst hat 1). Einem herrenlosen Obstgarten gleichen die Wälder am Amazonenstrom, wo die bra- silianische Kastanie (Bertholletia excelsa) ihre mandelähnlichen Samen reift, der Cacao, die Ananas, der Breiapfel (Achras Sapota), die Avagate (Persea gratissima), sowie eine Anzahl beeren-, pflau- men- und kirschenartiger Früchte wild wachsen, zu denen die Miriti oder Moriche (Mauritia flexuosa) den Palm wein und die Tageskost liefert. Dort ist also der Tisch beständig gedeckt und für Abwechselung reich- lich gesorgt 2). Mehr als 200 orangengrosse sättigende Nüsse trägt alljährlich in Mittelafrika der Dum- oder Pfefferkuchenbaum (Hy- phaena thebaica), die einzige Palme, welche abtrünnig dem Fami- lientypus ihren Stamm verzweigt 3). Neben ihr ernährt die Dattel in den saharischen Oasen nicht bloss den Reiter, sondern sogar das Ross, das ihn trägt. Freilich ist sie nirgends mehr wild an- zutreffen, erfordert sie doch sogar, damit die Ernte gesichert sei, dass die Blüthen der männlichen Bäume mit denen der weiblichen durch kundige Hand vermählt werden. Von seiner Heimath auf den Molukken und Philippinen ist 1) Martius, Ethnographie I, 136. 2) Martius l. c. S. 449—451. L. Gumilla, Orinoco. cap. 9. p. 84. 3) Samuel Baker in Proceedings of the R. Geogr. Society 1866. p. 260.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/177>, abgerufen am 19.04.2024.