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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die Bewaffnung.
mit dem altmodisch gewordenen Gewehre nicht mehr umgehen
können. Aehnliche Uebergänge werden jetzt in Afrika beobachtet.
Bei allen viehzuchttreibenden Negern am weissen Nil finden wir
Keulen, Lanzen und Schilder wie bei den Schilluk und den Nuer1),
oder, weil Jagd noch betrieben wird, Bogen und Pfeile wie bei den
Kitsch-, Dschur-, Moro- und Niamniamnegern2). Ausnahmsweise
traf Georg Schweinfurth bei den merkwürdigen Monbuttu am Uelle
Schild und Speer mit Bogen und Pfeilen, aber er fügt ausdrück-
lich hinzu, dass eine solche Vereinigung von Waffen in den Neger-
landen zu den Seltsamkeiten gehöre3). Die rechten Kafirn, sagt
Theophilus Hahn4), bedienen sich nie des Bogens und der Pfeile,
sondern sie fechten abgetheilt in Legionen zu 600--1000 Mann.
Der grosse Zulukönig Tschaka liess sogar die 5--6 Wurfspeere
der alten Bewaffnung entfernen und führte eine kurze Lanze zum
Stosse, sowie lange Schilde ein, unter deren Schutz seine Krieger
gegen ihre Feinde stürmten und ihnen mit der kurzen Waffe zu
Leib gingen. Hottentotten und Buschmänner gehören zu einer
scharf gesonderten Familie und sind unter sich verwandt. Die
Hottentotten sind Hirten, die Buschmänner Jäger, die Hottentotten
bedienen sich mit spärlichen Ausnahmen nicht mehr des Bogens
und Pfeiles, der bei den Buschmännern die einzige Waffe ist. Die
Kelten Galliens und unsere eigenen Vorfahren zu Cäsars und
Tacitus' Zeiten waren ebenfalls keine Bogenschützen mehr5).

Als Einwand gegen diese Auffassung könnte man, abgesehen
von den Chinesen, geltend machen, dass wir ja auf ägyptischen
Denkmälern, auf den Sculpturen von Chorsabad, Niniveh und Ba-
bylon unzähligemale Bogenschützen abgebildet finden. Warum
aber jene ehrwürdigen Culturvölker die alten Jägerwaffen führten,
darüber gewährt uns das alte Testament willkommenen Aufschluss.
Der Sieg, den die Philistäer über König Saul gewonnen hatten,
wurde auf Rechnung ihres Schützencorps geschrieben, und David,
obgleich selbst der beste Schleuderer seines Volkes, liess zur Aus-

1) Petherick, Central Africa, I. 98, 99, 100, 120, 319.
2) l. c. I, 194, 217, 247, 248, 276, 280.
3) Zeitschrift für Ethnologie. Berlin 1873. Bd. 5. S. 18.
4) Globus 1871. Septbr. Bd. XX. No. 11. S. 163--165.
5) Wenigstens wurde von den Kelten Galliens nur gelegentlich noch von
Bogen und Pfeil Gebrauch gemacht. Strabo, Geogr. lib. IV. cap. 4. ed.
Tauchn. I, p. 317.

Die Bewaffnung.
mit dem altmodisch gewordenen Gewehre nicht mehr umgehen
können. Aehnliche Uebergänge werden jetzt in Afrika beobachtet.
Bei allen viehzuchttreibenden Negern am weissen Nil finden wir
Keulen, Lanzen und Schilder wie bei den Schilluk und den Nuer1),
oder, weil Jagd noch betrieben wird, Bogen und Pfeile wie bei den
Kitsch-, Dschur-, Moro- und Niamniamnegern2). Ausnahmsweise
traf Georg Schweinfurth bei den merkwürdigen Monbuttu am Uëlle
Schild und Speer mit Bogen und Pfeilen, aber er fügt ausdrück-
lich hinzu, dass eine solche Vereinigung von Waffen in den Neger-
landen zu den Seltsamkeiten gehöre3). Die rechten Kafirn, sagt
Theophilus Hahn4), bedienen sich nie des Bogens und der Pfeile,
sondern sie fechten abgetheilt in Legionen zu 600—1000 Mann.
Der grosse Zulukönig Tschaka liess sogar die 5—6 Wurfspeere
der alten Bewaffnung entfernen und führte eine kurze Lanze zum
Stosse, sowie lange Schilde ein, unter deren Schutz seine Krieger
gegen ihre Feinde stürmten und ihnen mit der kurzen Waffe zu
Leib gingen. Hottentotten und Buschmänner gehören zu einer
scharf gesonderten Familie und sind unter sich verwandt. Die
Hottentotten sind Hirten, die Buschmänner Jäger, die Hottentotten
bedienen sich mit spärlichen Ausnahmen nicht mehr des Bogens
und Pfeiles, der bei den Buschmännern die einzige Waffe ist. Die
Kelten Galliens und unsere eigenen Vorfahren zu Cäsars und
Tacitus’ Zeiten waren ebenfalls keine Bogenschützen mehr5).

Als Einwand gegen diese Auffassung könnte man, abgesehen
von den Chinesen, geltend machen, dass wir ja auf ägyptischen
Denkmälern, auf den Sculpturen von Chorsabad, Niniveh und Ba-
bylon unzähligemale Bogenschützen abgebildet finden. Warum
aber jene ehrwürdigen Culturvölker die alten Jägerwaffen führten,
darüber gewährt uns das alte Testament willkommenen Aufschluss.
Der Sieg, den die Philistäer über König Saul gewonnen hatten,
wurde auf Rechnung ihres Schützencorps geschrieben, und David,
obgleich selbst der beste Schleuderer seines Volkes, liess zur Aus-

1) Petherick, Central Africa, I. 98, 99, 100, 120, 319.
2) l. c. I, 194, 217, 247, 248, 276, 280.
3) Zeitschrift für Ethnologie. Berlin 1873. Bd. 5. S. 18.
4) Globus 1871. Septbr. Bd. XX. No. 11. S. 163—165.
5) Wenigstens wurde von den Kelten Galliens nur gelegentlich noch von
Bogen und Pfeil Gebrauch gemacht. Strabo, Geogr. lib. IV. cap. 4. ed.
Tauchn. I, p. 317.
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[201/0219] Die Bewaffnung. mit dem altmodisch gewordenen Gewehre nicht mehr umgehen können. Aehnliche Uebergänge werden jetzt in Afrika beobachtet. Bei allen viehzuchttreibenden Negern am weissen Nil finden wir Keulen, Lanzen und Schilder wie bei den Schilluk und den Nuer 1), oder, weil Jagd noch betrieben wird, Bogen und Pfeile wie bei den Kitsch-, Dschur-, Moro- und Niamniamnegern 2). Ausnahmsweise traf Georg Schweinfurth bei den merkwürdigen Monbuttu am Uëlle Schild und Speer mit Bogen und Pfeilen, aber er fügt ausdrück- lich hinzu, dass eine solche Vereinigung von Waffen in den Neger- landen zu den Seltsamkeiten gehöre 3). Die rechten Kafirn, sagt Theophilus Hahn 4), bedienen sich nie des Bogens und der Pfeile, sondern sie fechten abgetheilt in Legionen zu 600—1000 Mann. Der grosse Zulukönig Tschaka liess sogar die 5—6 Wurfspeere der alten Bewaffnung entfernen und führte eine kurze Lanze zum Stosse, sowie lange Schilde ein, unter deren Schutz seine Krieger gegen ihre Feinde stürmten und ihnen mit der kurzen Waffe zu Leib gingen. Hottentotten und Buschmänner gehören zu einer scharf gesonderten Familie und sind unter sich verwandt. Die Hottentotten sind Hirten, die Buschmänner Jäger, die Hottentotten bedienen sich mit spärlichen Ausnahmen nicht mehr des Bogens und Pfeiles, der bei den Buschmännern die einzige Waffe ist. Die Kelten Galliens und unsere eigenen Vorfahren zu Cäsars und Tacitus’ Zeiten waren ebenfalls keine Bogenschützen mehr 5). Als Einwand gegen diese Auffassung könnte man, abgesehen von den Chinesen, geltend machen, dass wir ja auf ägyptischen Denkmälern, auf den Sculpturen von Chorsabad, Niniveh und Ba- bylon unzähligemale Bogenschützen abgebildet finden. Warum aber jene ehrwürdigen Culturvölker die alten Jägerwaffen führten, darüber gewährt uns das alte Testament willkommenen Aufschluss. Der Sieg, den die Philistäer über König Saul gewonnen hatten, wurde auf Rechnung ihres Schützencorps geschrieben, und David, obgleich selbst der beste Schleuderer seines Volkes, liess zur Aus- 1) Petherick, Central Africa, I. 98, 99, 100, 120, 319. 2) l. c. I, 194, 217, 247, 248, 276, 280. 3) Zeitschrift für Ethnologie. Berlin 1873. Bd. 5. S. 18. 4) Globus 1871. Septbr. Bd. XX. No. 11. S. 163—165. 5) Wenigstens wurde von den Kelten Galliens nur gelegentlich noch von Bogen und Pfeil Gebrauch gemacht. Strabo, Geogr. lib. IV. cap. 4. ed. Tauchn. I, p. 317.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/219>, abgerufen am 19.04.2024.