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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die Bewaffnung.
gleichung des Nachtheils die Kinder Juda im Bogenschiessen wieder
einüben, und seit dieser Zeit wurde diese Kunst nicht mehr von
ihnen vernachlässigt1). Die Kriege, die damals in Vorderasien ge-
führt wurden, galten meist den Städten. Die Mauern der Städte
wurden aber bereits von Thürmen flankirt. Auch war zur Deckung
von Belagerungsarbeiten oder der Stürmenden selbst damals ein
fernwirkendes Geschoss, wie der Pfeil, unentbehrlich. Finden wir
ja selbst in der römischen Schlachtordnung ein Schützencorps für
besondere Gefechtsaufgaben, obgleich die wahre Legionswaffe nur
das Schwert und der Wurfspiess gewesen sind2). Nicht unbeab-
sichtigt wurde oben angeführt, dass die Fidschi-Insulaner bei Be-
lagerung ihrer festen Ortschaften, sowie bei Vertheidigung der
Pfahlwerke immer noch Bogen und Pfeil beibehalten haben. Allein
in allen diesen Fällen tritt das nämliche Werkzeug nicht mehr als
ein Waidmannsgewehr auf, sondern wir möchten fast sagen als eine
gelehrte Waffe. Jene alten Denkmäler aus dem Bereich der bib-
lischen Völker zeigen uns sämmtlich die Krieger geordnet. Die
Theilung der Arbeit hat schon begonnen, und der Krieg wird ent-
weder von eingeübten Milizen oder von einer Kaste geführt, nicht
mit dem Handwerkszeug des täglichen Erwerbs, sondern mit spe-
cialisirten Waffen. So wie aber der Krieg methodisch eingeübt
wird, muss der Einfluss der Ortsbeschaffenheit auf die Bewaffnung
mehr und mehr schwinden, ja bei modernen Culturvölkern kann
von ihm kaum noch gesprochen werden. Immerhin wird selbst
heutigen Tages niemand die Bevölkerung der Kosakensteppen oder
der ungarischen Pussten mit Vorliebe zu Scharfschützen ausbilden,
ebenso wenig als wir in den Bewohnern unserer Hochgebirge einen
bevorzugten Stoff für leichte Reiterei erblicken werden.

5. Fahrzeuge und Seetüchtigkeit.

Wenn auch die Seetüchtigkeit der Völker am spätesten zu
reifen pflegt, so hat sie doch auf die Geschichte der menschlichen
Gesellschaft die höchsten Folgen geübt, denn wie hoch man auch

1) 2. Reg. 1, 18; 4. Reg. 9, 24.
2) Mommsen, Röm. Geschichte. Bd. 1. S. 409.

Die Bewaffnung.
gleichung des Nachtheils die Kinder Juda im Bogenschiessen wieder
einüben, und seit dieser Zeit wurde diese Kunst nicht mehr von
ihnen vernachlässigt1). Die Kriege, die damals in Vorderasien ge-
führt wurden, galten meist den Städten. Die Mauern der Städte
wurden aber bereits von Thürmen flankirt. Auch war zur Deckung
von Belagerungsarbeiten oder der Stürmenden selbst damals ein
fernwirkendes Geschoss, wie der Pfeil, unentbehrlich. Finden wir
ja selbst in der römischen Schlachtordnung ein Schützencorps für
besondere Gefechtsaufgaben, obgleich die wahre Legionswaffe nur
das Schwert und der Wurfspiess gewesen sind2). Nicht unbeab-
sichtigt wurde oben angeführt, dass die Fidschi-Insulaner bei Be-
lagerung ihrer festen Ortschaften, sowie bei Vertheidigung der
Pfahlwerke immer noch Bogen und Pfeil beibehalten haben. Allein
in allen diesen Fällen tritt das nämliche Werkzeug nicht mehr als
ein Waidmannsgewehr auf, sondern wir möchten fast sagen als eine
gelehrte Waffe. Jene alten Denkmäler aus dem Bereich der bib-
lischen Völker zeigen uns sämmtlich die Krieger geordnet. Die
Theilung der Arbeit hat schon begonnen, und der Krieg wird ent-
weder von eingeübten Milizen oder von einer Kaste geführt, nicht
mit dem Handwerkszeug des täglichen Erwerbs, sondern mit spe-
cialisirten Waffen. So wie aber der Krieg methodisch eingeübt
wird, muss der Einfluss der Ortsbeschaffenheit auf die Bewaffnung
mehr und mehr schwinden, ja bei modernen Culturvölkern kann
von ihm kaum noch gesprochen werden. Immerhin wird selbst
heutigen Tages niemand die Bevölkerung der Kosakensteppen oder
der ungarischen Pussten mit Vorliebe zu Scharfschützen ausbilden,
ebenso wenig als wir in den Bewohnern unserer Hochgebirge einen
bevorzugten Stoff für leichte Reiterei erblicken werden.

5. Fahrzeuge und Seetüchtigkeit.

Wenn auch die Seetüchtigkeit der Völker am spätesten zu
reifen pflegt, so hat sie doch auf die Geschichte der menschlichen
Gesellschaft die höchsten Folgen geübt, denn wie hoch man auch

1) 2. Reg. 1, 18; 4. Reg. 9, 24.
2) Mommsen, Röm. Geschichte. Bd. 1. S. 409.
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[202/0220] Die Bewaffnung. gleichung des Nachtheils die Kinder Juda im Bogenschiessen wieder einüben, und seit dieser Zeit wurde diese Kunst nicht mehr von ihnen vernachlässigt 1). Die Kriege, die damals in Vorderasien ge- führt wurden, galten meist den Städten. Die Mauern der Städte wurden aber bereits von Thürmen flankirt. Auch war zur Deckung von Belagerungsarbeiten oder der Stürmenden selbst damals ein fernwirkendes Geschoss, wie der Pfeil, unentbehrlich. Finden wir ja selbst in der römischen Schlachtordnung ein Schützencorps für besondere Gefechtsaufgaben, obgleich die wahre Legionswaffe nur das Schwert und der Wurfspiess gewesen sind 2). Nicht unbeab- sichtigt wurde oben angeführt, dass die Fidschi-Insulaner bei Be- lagerung ihrer festen Ortschaften, sowie bei Vertheidigung der Pfahlwerke immer noch Bogen und Pfeil beibehalten haben. Allein in allen diesen Fällen tritt das nämliche Werkzeug nicht mehr als ein Waidmannsgewehr auf, sondern wir möchten fast sagen als eine gelehrte Waffe. Jene alten Denkmäler aus dem Bereich der bib- lischen Völker zeigen uns sämmtlich die Krieger geordnet. Die Theilung der Arbeit hat schon begonnen, und der Krieg wird ent- weder von eingeübten Milizen oder von einer Kaste geführt, nicht mit dem Handwerkszeug des täglichen Erwerbs, sondern mit spe- cialisirten Waffen. So wie aber der Krieg methodisch eingeübt wird, muss der Einfluss der Ortsbeschaffenheit auf die Bewaffnung mehr und mehr schwinden, ja bei modernen Culturvölkern kann von ihm kaum noch gesprochen werden. Immerhin wird selbst heutigen Tages niemand die Bevölkerung der Kosakensteppen oder der ungarischen Pussten mit Vorliebe zu Scharfschützen ausbilden, ebenso wenig als wir in den Bewohnern unserer Hochgebirge einen bevorzugten Stoff für leichte Reiterei erblicken werden. 5. Fahrzeuge und Seetüchtigkeit. Wenn auch die Seetüchtigkeit der Völker am spätesten zu reifen pflegt, so hat sie doch auf die Geschichte der menschlichen Gesellschaft die höchsten Folgen geübt, denn wie hoch man auch 1) 2. Reg. 1, 18; 4. Reg. 9, 24. 2) Mommsen, Röm. Geschichte. Bd. 1. S. 409.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/220>, abgerufen am 29.03.2024.