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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die Religion des Buddha.
den Schaudern der Hölle, im unreinen Thierleib oder endlich in
niederer wie in höherer Kaste dienten hinlänglich, Fromme oder
Sünder zu locken oder zu ängstigen. Die Furcht vor einer un-
ausbleiblichen Vergeltung hat auch die Buddhalehre als Zucht-
mittel nicht verschmäht.

Der Buddhismus hat auch nichts gethan, die Indier von dem
Wahn der Wiedergeburten zu heilen, er hielt diese Lehre viel-
mehr fest, ja hat sie wie einen Krankheitsstoff auch auf fremde
Völker übertragen. Die Kastenunterschiede stiess er nicht um,
sondern liess sie gesellschaftlich bestehen, wenn er auch mit Vor-
liebe den Gedrückten und Missachteten das Nahen der Erlösung
verhiess. Seine gepriesene Duldsamkeit anderen Religionen gegen-
über hat doch einen zweifelhaften Werth, insofern sie unthätig
blieb, um fremde Gottesgedanken aus ihrer Erniedrigung zu heben.
Der Buddhismus behielt den Götterhimmel der Veden bei und
gönnte den mongolischen Stämmen ihre Lust am Schamanenspuk.
Reinere und reifere Vorstellungen können aber nur zur Herrschaft
gelangen, indem sie unreinere und unreifere verdrängen. Werden
die Bekenner der Lehre Gautama's auf mehr als 400 Millionen
geschätzt, so rechnet man dazu das gesammte chinesische Volk,
welches dem Dienst von Himmel und Erde, sowie dem der Abgeschie-
denen huldigt, Confutse aber noch immer als den sittlichen Ge-
setzgeber verehrt und eigentlich vom Buddhismus nur das Buddha-
bild, zu andern Götzen einen Götzen mehr angenommen hat 1).

Die Buddhalehre wurde nicht einem erwählten Volke, sondern
ider gesammten Menschheit verkündigt und wie das Christenthum
m jüdischen, so ist sie auch im indischen Volke, freilich nach vielen
Jahrhunderten einer unbestrittenen Herrschaft, erloschen oder
wenigstens vom Festlande selbst verdrängt worden und nur auf
Ceylon noch anzutreffen. In seinem westlichen Verbreitungsgebiet,
in Kabul, Taberistan und Kurdistan, hat den Buddhismus das
Schwert des Islam ausgerottet. Früh spaltete er sich in eine süd-
liche und eine nördlich Schule. Der südlichen oder älteren, deren
in Pali verfasste Schriften aller Wahrscheinlichkeit nach auf dem
dritten buddhistischen Concil im 3. Jahrhundert v. Chr. festgestellt
worden sind, gehört die Insel Ceylon, dann Birma, Siam, überhaupt
die Länder der Malayochinesen, an. Auf Java, wo der Buddhismus

1) Max Müller, Essays. Leipzig 1869. Bd. 1. S. 339.

Die Religion des Buddha.
den Schaudern der Hölle, im unreinen Thierleib oder endlich in
niederer wie in höherer Kaste dienten hinlänglich, Fromme oder
Sünder zu locken oder zu ängstigen. Die Furcht vor einer un-
ausbleiblichen Vergeltung hat auch die Buddhalehre als Zucht-
mittel nicht verschmäht.

Der Buddhismus hat auch nichts gethan, die Indier von dem
Wahn der Wiedergeburten zu heilen, er hielt diese Lehre viel-
mehr fest, ja hat sie wie einen Krankheitsstoff auch auf fremde
Völker übertragen. Die Kastenunterschiede stiess er nicht um,
sondern liess sie gesellschaftlich bestehen, wenn er auch mit Vor-
liebe den Gedrückten und Missachteten das Nahen der Erlösung
verhiess. Seine gepriesene Duldsamkeit anderen Religionen gegen-
über hat doch einen zweifelhaften Werth, insofern sie unthätig
blieb, um fremde Gottesgedanken aus ihrer Erniedrigung zu heben.
Der Buddhismus behielt den Götterhimmel der Veden bei und
gönnte den mongolischen Stämmen ihre Lust am Schamanenspuk.
Reinere und reifere Vorstellungen können aber nur zur Herrschaft
gelangen, indem sie unreinere und unreifere verdrängen. Werden
die Bekenner der Lehre Gautama’s auf mehr als 400 Millionen
geschätzt, so rechnet man dazu das gesammte chinesische Volk,
welches dem Dienst von Himmel und Erde, sowie dem der Abgeschie-
denen huldigt, Confutse aber noch immer als den sittlichen Ge-
setzgeber verehrt und eigentlich vom Buddhismus nur das Buddha-
bild, zu andern Götzen einen Götzen mehr angenommen hat 1).

Die Buddhalehre wurde nicht einem erwählten Volke, sondern
ider gesammten Menschheit verkündigt und wie das Christenthum
m jüdischen, so ist sie auch im indischen Volke, freilich nach vielen
Jahrhunderten einer unbestrittenen Herrschaft, erloschen oder
wenigstens vom Festlande selbst verdrängt worden und nur auf
Ceylon noch anzutreffen. In seinem westlichen Verbreitungsgebiet,
in Kabul, Taberistan und Kurdistan, hat den Buddhismus das
Schwert des Islam ausgerottet. Früh spaltete er sich in eine süd-
liche und eine nördlich Schule. Der südlichen oder älteren, deren
in Pali verfasste Schriften aller Wahrscheinlichkeit nach auf dem
dritten buddhistischen Concil im 3. Jahrhundert v. Chr. festgestellt
worden sind, gehört die Insel Ceylon, dann Birma, Siam, überhaupt
die Länder der Malayochinesen, an. Auf Java, wo der Buddhismus

1) Max Müller, Essays. Leipzig 1869. Bd. 1. S. 339.
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[290/0308] Die Religion des Buddha. den Schaudern der Hölle, im unreinen Thierleib oder endlich in niederer wie in höherer Kaste dienten hinlänglich, Fromme oder Sünder zu locken oder zu ängstigen. Die Furcht vor einer un- ausbleiblichen Vergeltung hat auch die Buddhalehre als Zucht- mittel nicht verschmäht. Der Buddhismus hat auch nichts gethan, die Indier von dem Wahn der Wiedergeburten zu heilen, er hielt diese Lehre viel- mehr fest, ja hat sie wie einen Krankheitsstoff auch auf fremde Völker übertragen. Die Kastenunterschiede stiess er nicht um, sondern liess sie gesellschaftlich bestehen, wenn er auch mit Vor- liebe den Gedrückten und Missachteten das Nahen der Erlösung verhiess. Seine gepriesene Duldsamkeit anderen Religionen gegen- über hat doch einen zweifelhaften Werth, insofern sie unthätig blieb, um fremde Gottesgedanken aus ihrer Erniedrigung zu heben. Der Buddhismus behielt den Götterhimmel der Veden bei und gönnte den mongolischen Stämmen ihre Lust am Schamanenspuk. Reinere und reifere Vorstellungen können aber nur zur Herrschaft gelangen, indem sie unreinere und unreifere verdrängen. Werden die Bekenner der Lehre Gautama’s auf mehr als 400 Millionen geschätzt, so rechnet man dazu das gesammte chinesische Volk, welches dem Dienst von Himmel und Erde, sowie dem der Abgeschie- denen huldigt, Confutse aber noch immer als den sittlichen Ge- setzgeber verehrt und eigentlich vom Buddhismus nur das Buddha- bild, zu andern Götzen einen Götzen mehr angenommen hat 1). Die Buddhalehre wurde nicht einem erwählten Volke, sondern ider gesammten Menschheit verkündigt und wie das Christenthum m jüdischen, so ist sie auch im indischen Volke, freilich nach vielen Jahrhunderten einer unbestrittenen Herrschaft, erloschen oder wenigstens vom Festlande selbst verdrängt worden und nur auf Ceylon noch anzutreffen. In seinem westlichen Verbreitungsgebiet, in Kabul, Taberistan und Kurdistan, hat den Buddhismus das Schwert des Islam ausgerottet. Früh spaltete er sich in eine süd- liche und eine nördlich Schule. Der südlichen oder älteren, deren in Pali verfasste Schriften aller Wahrscheinlichkeit nach auf dem dritten buddhistischen Concil im 3. Jahrhundert v. Chr. festgestellt worden sind, gehört die Insel Ceylon, dann Birma, Siam, überhaupt die Länder der Malayochinesen, an. Auf Java, wo der Buddhismus 1) Max Müller, Essays. Leipzig 1869. Bd. 1. S. 339.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/308>, abgerufen am 18.04.2024.