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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Der malayische Stamm.
die Breite 1). Der Prognathismus bleibt innerhalb mässiger Grenzen
und die Jochbogen sind mehr oder weniger vorstehend. Alle
Völker dieser Familie haben eine dunkle, nie völlig schwarze, bei
den asiatischen Malayen sogar nur schmutzig gelbe Haut. Schwarzes,
langes, straffes Haupthaar, Spärlichkeit des Bartwuchses und des
Leibhaares, welches übrigens künstlich entfernt wird, sind die
Merkmale, die sie mit andern Gliedern der mongolischen Race
gemein haben. Je näher ihre Sitze dem asiatischen Festlande
liegen, desto häufiger wird die schiefe Stellung der Augen. Durch
diese Besonderheit rücken sie den Bevölkerungen im Osten der
alten Welt sehr nahe. Nicht nur sind sie ihnen ähnlicher, als
irgend andern Menschenstämmen, sondern es ist überhaupt gar
keine feste Grenze zwischen ihnen zu ziehen, das Typische fliesst
vielmehr in einander über. Den Bewohnern der Nias- und Batu-
Inseln vor der Westküste von Sumatra ist deswegen, wenn auch
ganz unberechtigt, eine chinesische Abkunft zugeschrieben worden 2).
Semper glaubt bei verschiedenen Stämmen der Philippinen wie
bei den Iraya chinesische oder japanische Aehnlichkeiten durch
Blutmischung erklären zu müssen, obgleich er gesteht, dass nur
in "einigen wenigen Fällen ein schwacher historischer Beleg sich
auffinden lasse" 3). Entscheidend ist es, wenn Wallace 4) schreibt:
"Sehr betroffen war ich, als mir auf der Insel Bali chinesische
Händler zu Gesichte kamen, welche die Sitten jenes Landes an-
genommen hatten und von den Malayen nicht unterschieden werden
konnten. Andererseits habe ich Eingeborne von Java gesehen,
die in Bezug auf ihre Physiognomie sehr gut für Chinesen gelten
konnten". Latham bezeichnet die Körpermerkmale der Malayen
als "echt indochinesisch" 5) und an einer andern Stelle sagt er
wieder, bei den Mikronesiern finde sich der Mongolentypus aus-
geprägter als bei den Chinesen 6), was jedoch nur von den Be-
wohnern der Marianen zugegeben werden darf. Wir begegnen

1) Bei den Welcker'schen Messungen tritt dieses Merkmal schärfer
hervor, als bei Barnard Davis, aber nur deswegen, weil der letztere die
"grösste Breite" gemessen hat.
2) Waitz, Anthropologie. Bd. 5. S. 92--93.
3) Die Philippinen. S. 54--55.
4) Der malayische Archipel. Braunschweig 1869. Bd. 2. S. 419.
5) Man and his migrations. London 1851. p. 188.
6) Varieties of man. p. 186.

Der malayische Stamm.
die Breite 1). Der Prognathismus bleibt innerhalb mässiger Grenzen
und die Jochbogen sind mehr oder weniger vorstehend. Alle
Völker dieser Familie haben eine dunkle, nie völlig schwarze, bei
den asiatischen Malayen sogar nur schmutzig gelbe Haut. Schwarzes,
langes, straffes Haupthaar, Spärlichkeit des Bartwuchses und des
Leibhaares, welches übrigens künstlich entfernt wird, sind die
Merkmale, die sie mit andern Gliedern der mongolischen Race
gemein haben. Je näher ihre Sitze dem asiatischen Festlande
liegen, desto häufiger wird die schiefe Stellung der Augen. Durch
diese Besonderheit rücken sie den Bevölkerungen im Osten der
alten Welt sehr nahe. Nicht nur sind sie ihnen ähnlicher, als
irgend andern Menschenstämmen, sondern es ist überhaupt gar
keine feste Grenze zwischen ihnen zu ziehen, das Typische fliesst
vielmehr in einander über. Den Bewohnern der Nias- und Batu-
Inseln vor der Westküste von Sumatra ist deswegen, wenn auch
ganz unberechtigt, eine chinesische Abkunft zugeschrieben worden 2).
Semper glaubt bei verschiedenen Stämmen der Philippinen wie
bei den Iraya chinesische oder japanische Aehnlichkeiten durch
Blutmischung erklären zu müssen, obgleich er gesteht, dass nur
in „einigen wenigen Fällen ein schwacher historischer Beleg sich
auffinden lasse“ 3). Entscheidend ist es, wenn Wallace 4) schreibt:
„Sehr betroffen war ich, als mir auf der Insel Bali chinesische
Händler zu Gesichte kamen, welche die Sitten jenes Landes an-
genommen hatten und von den Malayen nicht unterschieden werden
konnten. Andererseits habe ich Eingeborne von Java gesehen,
die in Bezug auf ihre Physiognomie sehr gut für Chinesen gelten
konnten“. Latham bezeichnet die Körpermerkmale der Malayen
als „echt indochinesisch“ 5) und an einer andern Stelle sagt er
wieder, bei den Mikronesiern finde sich der Mongolentypus aus-
geprägter als bei den Chinesen 6), was jedoch nur von den Be-
wohnern der Marianen zugegeben werden darf. Wir begegnen

1) Bei den Welcker’schen Messungen tritt dieses Merkmal schärfer
hervor, als bei Barnard Davis, aber nur deswegen, weil der letztere die
„grösste Breite“ gemessen hat.
2) Waitz, Anthropologie. Bd. 5. S. 92—93.
3) Die Philippinen. S. 54—55.
4) Der malayische Archipel. Braunschweig 1869. Bd. 2. S. 419.
5) Man and his migrations. London 1851. p. 188.
6) Varieties of man. p. 186.
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[381/0399] Der malayische Stamm. die Breite 1). Der Prognathismus bleibt innerhalb mässiger Grenzen und die Jochbogen sind mehr oder weniger vorstehend. Alle Völker dieser Familie haben eine dunkle, nie völlig schwarze, bei den asiatischen Malayen sogar nur schmutzig gelbe Haut. Schwarzes, langes, straffes Haupthaar, Spärlichkeit des Bartwuchses und des Leibhaares, welches übrigens künstlich entfernt wird, sind die Merkmale, die sie mit andern Gliedern der mongolischen Race gemein haben. Je näher ihre Sitze dem asiatischen Festlande liegen, desto häufiger wird die schiefe Stellung der Augen. Durch diese Besonderheit rücken sie den Bevölkerungen im Osten der alten Welt sehr nahe. Nicht nur sind sie ihnen ähnlicher, als irgend andern Menschenstämmen, sondern es ist überhaupt gar keine feste Grenze zwischen ihnen zu ziehen, das Typische fliesst vielmehr in einander über. Den Bewohnern der Nias- und Batu- Inseln vor der Westküste von Sumatra ist deswegen, wenn auch ganz unberechtigt, eine chinesische Abkunft zugeschrieben worden 2). Semper glaubt bei verschiedenen Stämmen der Philippinen wie bei den Iraya chinesische oder japanische Aehnlichkeiten durch Blutmischung erklären zu müssen, obgleich er gesteht, dass nur in „einigen wenigen Fällen ein schwacher historischer Beleg sich auffinden lasse“ 3). Entscheidend ist es, wenn Wallace 4) schreibt: „Sehr betroffen war ich, als mir auf der Insel Bali chinesische Händler zu Gesichte kamen, welche die Sitten jenes Landes an- genommen hatten und von den Malayen nicht unterschieden werden konnten. Andererseits habe ich Eingeborne von Java gesehen, die in Bezug auf ihre Physiognomie sehr gut für Chinesen gelten konnten“. Latham bezeichnet die Körpermerkmale der Malayen als „echt indochinesisch“ 5) und an einer andern Stelle sagt er wieder, bei den Mikronesiern finde sich der Mongolentypus aus- geprägter als bei den Chinesen 6), was jedoch nur von den Be- wohnern der Marianen zugegeben werden darf. Wir begegnen 1) Bei den Welcker’schen Messungen tritt dieses Merkmal schärfer hervor, als bei Barnard Davis, aber nur deswegen, weil der letztere die „grösste Breite“ gemessen hat. 2) Waitz, Anthropologie. Bd. 5. S. 92—93. 3) Die Philippinen. S. 54—55. 4) Der malayische Archipel. Braunschweig 1869. Bd. 2. S. 419. 5) Man and his migrations. London 1851. p. 188. 6) Varieties of man. p. 186.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/399>, abgerufen am 19.04.2024.