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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die Beringsvölker.
zwischen diesen beiden Völkern, dass ich sehr geneigt bin, sie von
einem Stamm entsprossen zu halten 1)." Ganz ähnlich äussert un-
ser berühmter Georg Steller, dass die Bewohner der Schumagin-
Inseln an der Südküste von Aliaska den Itelmen Kamtschatkas
"wie ein Ei dem andern gleichen 2)." Alle diese Zeugnisse erhärten
die Thatsache, dass Wanderungen aus der alten Welt in die neue
stattgefunden haben, dass dagegen die Eskimo aus Amerika nach
Asien sich verbreitet haben sollten, ist deswegen nicht wahrschein-
lich, weil sie von allen Amerikanern die meiste Uebereinstimmung
in Bezug auf Racenmerkmale mit den mongolenähnlichen Völkern
der alten Welt sich bewahrt haben und ihre Wanderungen in der
geschichtlichen Zeit noch immer westwärts gerichtet waren.

d. Die Aleuten.

Von der Halbinsel Aljaska zieht nach Kamtschatka in einem
schön geschwungnen Bogen eine Kette von Inselvulkanen, baum-
los und meistens in Nebel eingehüllt. Sie heissen die Aleuten,
wie ihre Bewohner. Letztre verknüpft mit den Eskimo nur eine
Anzahl gemeinsamer Wörter die aber nur eingetauscht sein mögen,
sonst stehen sie linguistisch bis jetzt noch vereinsamt 3). Es ist
ein mongolischer Menschenschlag 4), dessen wir schon einmal gedacht
haben in Bezug auf seine frühzeitigen Ehebündnisse 5). Zwar sind
alle Beringsvölker mehr oder weniger seetüchtig, doch scheinen die
Aleuten selbst die Eskimo noch durch ihre Fertigkeit zu über-
bieten. Ihre einluckigen Fellbote haben, wie Erman es erläutert,
etwa 60 Pfund Eigengewicht und bestiegen von einem 140 Pfund

1) Entdeckungsreise in die Südsee. Bd. 2. S. 105. Bd. 1. S. 159.
2) Steller, Kamtschatka. S. 297.
3) Nach dem kurzen Abriss, den Lütke (Voyage autour du monde,
chap. VI. Paris 1835. tom. I, p. 243) mittheilt, bedienen sie sich zur Wort-
bildung auch der Präfixe, die völlig der Innuitsprache fehlen.
4) Ein deutscher Reisender (Allgemeine Zeitung 1873. S. 4300) will sie
sogar wegen ihrer Gesichtsbildung von verschlagenen Japanern ableiten.
5) S. oben S. 228. Bei ihnen herrschen dieselben erotischen Laster
(Langsdorff, Reise um die Welt. Bd. 2. S. 43. W. H. Dall, Alaska.
Boston 1870. p. 402.) wie bei den Namollo (Lütke, l. c. chap. XI. tom. II,
p. 197) oder bei den Itelmen (Steller, Kamtschatka S. 289. S. 351) oder bei
den (Renthier-) Tschuktschen (v. Wrangell, Reisen längs der Nordküste
Sibiriens. Bd. 2. S. 227).

Die Beringsvölker.
zwischen diesen beiden Völkern, dass ich sehr geneigt bin, sie von
einem Stamm entsprossen zu halten 1).“ Ganz ähnlich äussert un-
ser berühmter Georg Steller, dass die Bewohner der Schumagin-
Inseln an der Südküste von Aliaska den Itelmen Kamtschatkas
„wie ein Ei dem andern gleichen 2).“ Alle diese Zeugnisse erhärten
die Thatsache, dass Wanderungen aus der alten Welt in die neue
stattgefunden haben, dass dagegen die Eskimo aus Amerika nach
Asien sich verbreitet haben sollten, ist deswegen nicht wahrschein-
lich, weil sie von allen Amerikanern die meiste Uebereinstimmung
in Bezug auf Racenmerkmale mit den mongolenähnlichen Völkern
der alten Welt sich bewahrt haben und ihre Wanderungen in der
geschichtlichen Zeit noch immer westwärts gerichtet waren.

d. Die Alëuten.

Von der Halbinsel Aljaska zieht nach Kamtschatka in einem
schön geschwungnen Bogen eine Kette von Inselvulkanen, baum-
los und meistens in Nebel eingehüllt. Sie heissen die Alëuten,
wie ihre Bewohner. Letztre verknüpft mit den Eskimo nur eine
Anzahl gemeinsamer Wörter die aber nur eingetauscht sein mögen,
sonst stehen sie linguistisch bis jetzt noch vereinsamt 3). Es ist
ein mongolischer Menschenschlag 4), dessen wir schon einmal gedacht
haben in Bezug auf seine frühzeitigen Ehebündnisse 5). Zwar sind
alle Beringsvölker mehr oder weniger seetüchtig, doch scheinen die
Alëuten selbst die Eskimo noch durch ihre Fertigkeit zu über-
bieten. Ihre einluckigen Fellbote haben, wie Erman es erläutert,
etwa 60 Pfund Eigengewicht und bestiegen von einem 140 Pfund

1) Entdeckungsreise in die Südsee. Bd. 2. S. 105. Bd. 1. S. 159.
2) Steller, Kamtschatka. S. 297.
3) Nach dem kurzen Abriss, den Lütke (Voyage autour du monde,
chap. VI. Paris 1835. tom. I, p. 243) mittheilt, bedienen sie sich zur Wort-
bildung auch der Präfixe, die völlig der Innuitsprache fehlen.
4) Ein deutscher Reisender (Allgemeine Zeitung 1873. S. 4300) will sie
sogar wegen ihrer Gesichtsbildung von verschlagenen Japanern ableiten.
5) S. oben S. 228. Bei ihnen herrschen dieselben erotischen Laster
(Langsdorff, Reise um die Welt. Bd. 2. S. 43. W. H. Dall, Alaska.
Boston 1870. p. 402.) wie bei den Namollo (Lütke, l. c. chap. XI. tom. II,
p. 197) oder bei den Itelmen (Steller, Kamtschatka S. 289. S. 351) oder bei
den (Renthier-) Tschuktschen (v. Wrangell, Reisen längs der Nordküste
Sibiriens. Bd. 2. S. 227).
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[424/0442] Die Beringsvölker. zwischen diesen beiden Völkern, dass ich sehr geneigt bin, sie von einem Stamm entsprossen zu halten 1).“ Ganz ähnlich äussert un- ser berühmter Georg Steller, dass die Bewohner der Schumagin- Inseln an der Südküste von Aliaska den Itelmen Kamtschatkas „wie ein Ei dem andern gleichen 2).“ Alle diese Zeugnisse erhärten die Thatsache, dass Wanderungen aus der alten Welt in die neue stattgefunden haben, dass dagegen die Eskimo aus Amerika nach Asien sich verbreitet haben sollten, ist deswegen nicht wahrschein- lich, weil sie von allen Amerikanern die meiste Uebereinstimmung in Bezug auf Racenmerkmale mit den mongolenähnlichen Völkern der alten Welt sich bewahrt haben und ihre Wanderungen in der geschichtlichen Zeit noch immer westwärts gerichtet waren. d. Die Alëuten. Von der Halbinsel Aljaska zieht nach Kamtschatka in einem schön geschwungnen Bogen eine Kette von Inselvulkanen, baum- los und meistens in Nebel eingehüllt. Sie heissen die Alëuten, wie ihre Bewohner. Letztre verknüpft mit den Eskimo nur eine Anzahl gemeinsamer Wörter die aber nur eingetauscht sein mögen, sonst stehen sie linguistisch bis jetzt noch vereinsamt 3). Es ist ein mongolischer Menschenschlag 4), dessen wir schon einmal gedacht haben in Bezug auf seine frühzeitigen Ehebündnisse 5). Zwar sind alle Beringsvölker mehr oder weniger seetüchtig, doch scheinen die Alëuten selbst die Eskimo noch durch ihre Fertigkeit zu über- bieten. Ihre einluckigen Fellbote haben, wie Erman es erläutert, etwa 60 Pfund Eigengewicht und bestiegen von einem 140 Pfund 1) Entdeckungsreise in die Südsee. Bd. 2. S. 105. Bd. 1. S. 159. 2) Steller, Kamtschatka. S. 297. 3) Nach dem kurzen Abriss, den Lütke (Voyage autour du monde, chap. VI. Paris 1835. tom. I, p. 243) mittheilt, bedienen sie sich zur Wort- bildung auch der Präfixe, die völlig der Innuitsprache fehlen. 4) Ein deutscher Reisender (Allgemeine Zeitung 1873. S. 4300) will sie sogar wegen ihrer Gesichtsbildung von verschlagenen Japanern ableiten. 5) S. oben S. 228. Bei ihnen herrschen dieselben erotischen Laster (Langsdorff, Reise um die Welt. Bd. 2. S. 43. W. H. Dall, Alaska. Boston 1870. p. 402.) wie bei den Namollo (Lütke, l. c. chap. XI. tom. II, p. 197) oder bei den Itelmen (Steller, Kamtschatka S. 289. S. 351) oder bei den (Renthier-) Tschuktschen (v. Wrangell, Reisen längs der Nordküste Sibiriens. Bd. 2. S. 227).

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/442>, abgerufen am 19.04.2024.