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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die amerikanische Urbevölkerung.
von den Schwarzfüssen verdrängt wurden, diesseits der Felsen-
gebirge sassen, jetzt jenseits an dem nach ihnen benannten Snake
River hausen. Fügen wir hinzu, dass in die nämliche Gruppe
die Comantschen gehören, jetzt gefürchtete Räuberstämme Nord-
Mexico's. Nach Maillard beobachten sie eine Jahrestheilung von 18
Monaten zu 20 Tagen; sie befinden sich also im Besitze des
mexicanischen Calenders. Ob wir in den sonorischen Sprachen,
die übrigens unter sich wieder weit auseinander gehen, die fort-
entwickelten Zweige eines gemeinsamen Stammes, einer nahu-
atlakischen Ursprache, zu erkennen haben, lässt Buschmann noch
unentschieden, aber sicher ist es, dass sie alle Spuren eines
innigen Verkehres mit den Altmexicanern zeigen. Das Nahuatl,
die Sprache der letzteren, trat unvermischt nur in dem und um
das Seengebiet des Hochlandes von Mexico auf. Wie aber die
aztekischen Ortsnamen bezeugen, waren nahuatlakische Sprach-
inseln ausserordentlich weit ausgestreut. Sie ziehen sich in der
Nähe der Südsee durch Guatemala, sie treten auf zugleich mit
alten Tempelruinen mexicanischen Styles in Honduras und reichen
südwärts bis an und in den Nicaragua-See. Sie hören dagegen
gänzlich auf in Costarica. Nach Norden zu sind sie verbreitet
über das heutige mexicanische Reich, jedoch mit Ausnahme von
Cohahuila. Sie treten aber wieder auf in Texas und endigen in
Neucalifornien unter dem 37.° n. Br. 1), abgesehen davon, dass
versprengte Namen selbst noch unter den 50. Parallel sich verirrt
haben. Sogleich wollen wir hier bemerken, dass weit binnen-
wärts unter dem 35.° n. Br. beim heutigen Zu[ - 1 Zeichen fehlt]i in Neu-Mexico,
Cibola oder das "Land der sieben Gemeinden" gesucht wer-
den muss, das von einem Mönche Fra Marco aus Nizza
entdeckt, kurz nachher im Jahr 1540 von dem Spanier Fran-
cisco Vasquez de Coronado besucht und beschrieben worden
ist. Er fand dort kleine Ortschaften mit steinernen Häusern,
zwei oder drei Stockwerke hoch, festungsartig ohne Eingang
erbaut, so dass die Söller auf beweglichen hölzernen Sprossen-
leitern erstiegen werden mussten. Die Einwohner bauten Mais
und Bohnen, züchteten Truthühner, kleideten sich in Zeuge, deren
Fäden aus einer andern Pflanzenfaser als Baumwolle gesponnen
waren, und trugen eine Kopfbedeckung genau wie die Azteken

1) Buschmann, Aztekische Ortsnamen. Berlin 1853. S. 11.

Die amerikanische Urbevölkerung.
von den Schwarzfüssen verdrängt wurden, diesseits der Felsen-
gebirge sassen, jetzt jenseits an dem nach ihnen benannten Snake
River hausen. Fügen wir hinzu, dass in die nämliche Gruppe
die Comantschen gehören, jetzt gefürchtete Räuberstämme Nord-
Mexico’s. Nach Maillard beobachten sie eine Jahrestheilung von 18
Monaten zu 20 Tagen; sie befinden sich also im Besitze des
mexicanischen Calenders. Ob wir in den sonorischen Sprachen,
die übrigens unter sich wieder weit auseinander gehen, die fort-
entwickelten Zweige eines gemeinsamen Stammes, einer nahu-
atlakischen Ursprache, zu erkennen haben, lässt Buschmann noch
unentschieden, aber sicher ist es, dass sie alle Spuren eines
innigen Verkehres mit den Altmexicanern zeigen. Das Nahuatl,
die Sprache der letzteren, trat unvermischt nur in dem und um
das Seengebiet des Hochlandes von Mexico auf. Wie aber die
aztekischen Ortsnamen bezeugen, waren nahuatlakische Sprach-
inseln ausserordentlich weit ausgestreut. Sie ziehen sich in der
Nähe der Südsee durch Guatemala, sie treten auf zugleich mit
alten Tempelruinen mexicanischen Styles in Honduras und reichen
südwärts bis an und in den Nicaragua-See. Sie hören dagegen
gänzlich auf in Costarica. Nach Norden zu sind sie verbreitet
über das heutige mexicanische Reich, jedoch mit Ausnahme von
Cohahuila. Sie treten aber wieder auf in Texas und endigen in
Neucalifornien unter dem 37.° n. Br. 1), abgesehen davon, dass
versprengte Namen selbst noch unter den 50. Parallel sich verirrt
haben. Sogleich wollen wir hier bemerken, dass weit binnen-
wärts unter dem 35.° n. Br. beim heutigen Zu[ – 1 Zeichen fehlt]i in Neu-Mexico,
Cibola oder das „Land der sieben Gemeinden“ gesucht wer-
den muss, das von einem Mönche Fra Marco aus Nizza
entdeckt, kurz nachher im Jahr 1540 von dem Spanier Fran-
cisco Vasquez de Coronado besucht und beschrieben worden
ist. Er fand dort kleine Ortschaften mit steinernen Häusern,
zwei oder drei Stockwerke hoch, festungsartig ohne Eingang
erbaut, so dass die Söller auf beweglichen hölzernen Sprossen-
leitern erstiegen werden mussten. Die Einwohner bauten Mais
und Bohnen, züchteten Truthühner, kleideten sich in Zeuge, deren
Fäden aus einer andern Pflanzenfaser als Baumwolle gesponnen
waren, und trugen eine Kopfbedeckung genau wie die Azteken

1) Buschmann, Aztekische Ortsnamen. Berlin 1853. S. 11.
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[466/0484] Die amerikanische Urbevölkerung. von den Schwarzfüssen verdrängt wurden, diesseits der Felsen- gebirge sassen, jetzt jenseits an dem nach ihnen benannten Snake River hausen. Fügen wir hinzu, dass in die nämliche Gruppe die Comantschen gehören, jetzt gefürchtete Räuberstämme Nord- Mexico’s. Nach Maillard beobachten sie eine Jahrestheilung von 18 Monaten zu 20 Tagen; sie befinden sich also im Besitze des mexicanischen Calenders. Ob wir in den sonorischen Sprachen, die übrigens unter sich wieder weit auseinander gehen, die fort- entwickelten Zweige eines gemeinsamen Stammes, einer nahu- atlakischen Ursprache, zu erkennen haben, lässt Buschmann noch unentschieden, aber sicher ist es, dass sie alle Spuren eines innigen Verkehres mit den Altmexicanern zeigen. Das Nahuatl, die Sprache der letzteren, trat unvermischt nur in dem und um das Seengebiet des Hochlandes von Mexico auf. Wie aber die aztekischen Ortsnamen bezeugen, waren nahuatlakische Sprach- inseln ausserordentlich weit ausgestreut. Sie ziehen sich in der Nähe der Südsee durch Guatemala, sie treten auf zugleich mit alten Tempelruinen mexicanischen Styles in Honduras und reichen südwärts bis an und in den Nicaragua-See. Sie hören dagegen gänzlich auf in Costarica. Nach Norden zu sind sie verbreitet über das heutige mexicanische Reich, jedoch mit Ausnahme von Cohahuila. Sie treten aber wieder auf in Texas und endigen in Neucalifornien unter dem 37.° n. Br. 1), abgesehen davon, dass versprengte Namen selbst noch unter den 50. Parallel sich verirrt haben. Sogleich wollen wir hier bemerken, dass weit binnen- wärts unter dem 35.° n. Br. beim heutigen Zu_i in Neu-Mexico, Cibola oder das „Land der sieben Gemeinden“ gesucht wer- den muss, das von einem Mönche Fra Marco aus Nizza entdeckt, kurz nachher im Jahr 1540 von dem Spanier Fran- cisco Vasquez de Coronado besucht und beschrieben worden ist. Er fand dort kleine Ortschaften mit steinernen Häusern, zwei oder drei Stockwerke hoch, festungsartig ohne Eingang erbaut, so dass die Söller auf beweglichen hölzernen Sprossen- leitern erstiegen werden mussten. Die Einwohner bauten Mais und Bohnen, züchteten Truthühner, kleideten sich in Zeuge, deren Fäden aus einer andern Pflanzenfaser als Baumwolle gesponnen waren, und trugen eine Kopfbedeckung genau wie die Azteken 1) Buschmann, Aztekische Ortsnamen. Berlin 1853. S. 11.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/484>, abgerufen am 24.04.2024.