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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die Neger.
das Wort durch Wurzelansätze und zwar treten ihre Suffixe zum
Theil noch selbstständig auf, so dass sich aus ihrem Gebrauch
die Bedeutung ihrer Sinnbegrenzung erklären lässt 1). Die Mande-
neger haben sich etwa zwischen dem 10. u. 15. Breitegrade
von der Küste bis an den Oberlauf des Niger verbreitet. Zwischen
Gambia und Senegal, welcher letztere Strom wie in Vorzeiten
Neger und Berber scheidet, sitzen die Joloffer, die schönsten
Negerstämme, deren Sprache noch vereinzelt steht. Auf dem kleinen
Raum zwischen dem Gambiastrom und Scherboro sind die glieder-
reichen Sprachen der Sererer oder Sarar- und Fulupfamilie zu-
sammengedrängt, bei denen Präfixe ähnlich wie bei den Bantu-
negern auftreten 2).

Begeben wir uns nun binnenwärts in die Länder, die zum
Gebiete des Nigerstromes gehören, so stossen wir sogleich auf
einen räthselhaften Volksstamm, der erobernd bis tief in das Innere
vorgedrungen ist. Es sind die Fulbe (Singular Pulo), von den
Mandingo Fulah, von den Haussaua Fellani, von den Kanuri
Fellata genannt. Der Name Fulbe bedeutet die "Gelben" oder
"Braunen" und sollte den Gegensatz zu schwarzen Negern aus-
drücken 3). Mungo Park 4), der sie im Westen sah, rühmt ihre
helle Farbe und ihr seidenglänzendes Haar. Eine wohlgebildete
Nase und kleine Lippen werden ihnen allgemein zugeschrieben,
aber derartige Besonderheiten kommen auch bei anderen Negern
vor und wechseln zu stark, um für eine Racenbestimmung zu ge-
nügen. Obendrein bemerkt Barth 5), dass schon im Alter von 20
Jahren "ein affenartiger Ausdruck ihre kaukasischen Gesichtszüge
verwische". Durch Würde, Schliff, strenge Achtung des Eigen-
thums, sowie Kunstgeschmack unterscheiden sich die Fulbe sehr
günstig von den übrigen Afrikanern. Ihr Typus hat übrigens
durch Mischung mit Negerfrauen seine Reinheit längst eingebüsst.
Immerhin fand Rohlfs 6) im mittleren Theile des Reiches Sokoto,
also tief im Innern unter den Fulbe noch etliche von gelber, fast

1) Steinthal, Die Mandenegersprachen. Berlin 1867. §. 129. S. 67.
2) Koelle, Polyglotta africana. London 1854. fol. 1.
3) Koelle, Polyglotta africana. fol. 18.
4) Reisen im Innern von Afrika. S. 14.
5) Nord- und Centralafrika. Bd. 2. S. 544.
6) Ergänzungsheft Nr. 34 zu Petermann's Mittheilungen 1872. S. 45.

Die Neger.
das Wort durch Wurzelansätze und zwar treten ihre Suffixe zum
Theil noch selbstständig auf, so dass sich aus ihrem Gebrauch
die Bedeutung ihrer Sinnbegrenzung erklären lässt 1). Die Mande-
neger haben sich etwa zwischen dem 10. u. 15. Breitegrade
von der Küste bis an den Oberlauf des Niger verbreitet. Zwischen
Gambia und Senegal, welcher letztere Strom wie in Vorzeiten
Neger und Berber scheidet, sitzen die Joloffer, die schönsten
Negerstämme, deren Sprache noch vereinzelt steht. Auf dem kleinen
Raum zwischen dem Gambiastrom und Scherboro sind die glieder-
reichen Sprachen der Sererer oder Sárar- und Fulupfamilie zu-
sammengedrängt, bei denen Präfixe ähnlich wie bei den Bantu-
negern auftreten 2).

Begeben wir uns nun binnenwärts in die Länder, die zum
Gebiete des Nigerstromes gehören, so stossen wir sogleich auf
einen räthselhaften Volksstamm, der erobernd bis tief in das Innere
vorgedrungen ist. Es sind die Fulbe (Singular Pulo), von den
Mandingo Fulah, von den Haussaua Fellani, von den Kanuri
Fellata genannt. Der Name Fulbe bedeutet die „Gelben“ oder
„Braunen“ und sollte den Gegensatz zu schwarzen Negern aus-
drücken 3). Mungo Park 4), der sie im Westen sah, rühmt ihre
helle Farbe und ihr seidenglänzendes Haar. Eine wohlgebildete
Nase und kleine Lippen werden ihnen allgemein zugeschrieben,
aber derartige Besonderheiten kommen auch bei anderen Negern
vor und wechseln zu stark, um für eine Racenbestimmung zu ge-
nügen. Obendrein bemerkt Barth 5), dass schon im Alter von 20
Jahren „ein affenartiger Ausdruck ihre kaukasischen Gesichtszüge
verwische“. Durch Würde, Schliff, strenge Achtung des Eigen-
thums, sowie Kunstgeschmack unterscheiden sich die Fulbe sehr
günstig von den übrigen Afrikanern. Ihr Typus hat übrigens
durch Mischung mit Negerfrauen seine Reinheit längst eingebüsst.
Immerhin fand Rohlfs 6) im mittleren Theile des Reiches Sokoto,
also tief im Innern unter den Fulbe noch etliche von gelber, fast

1) Steinthal, Die Mandenegersprachen. Berlin 1867. §. 129. S. 67.
2) Koelle, Polyglotta africana. London 1854. fol. 1.
3) Koelle, Polyglotta africana. fol. 18.
4) Reisen im Innern von Afrika. S. 14.
5) Nord- und Centralafrika. Bd. 2. S. 544.
6) Ergänzungsheft Nr. 34 zu Petermann’s Mittheilungen 1872. S. 45.
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[501/0519] Die Neger. das Wort durch Wurzelansätze und zwar treten ihre Suffixe zum Theil noch selbstständig auf, so dass sich aus ihrem Gebrauch die Bedeutung ihrer Sinnbegrenzung erklären lässt 1). Die Mande- neger haben sich etwa zwischen dem 10. u. 15. Breitegrade von der Küste bis an den Oberlauf des Niger verbreitet. Zwischen Gambia und Senegal, welcher letztere Strom wie in Vorzeiten Neger und Berber scheidet, sitzen die Joloffer, die schönsten Negerstämme, deren Sprache noch vereinzelt steht. Auf dem kleinen Raum zwischen dem Gambiastrom und Scherboro sind die glieder- reichen Sprachen der Sererer oder Sárar- und Fulupfamilie zu- sammengedrängt, bei denen Präfixe ähnlich wie bei den Bantu- negern auftreten 2). Begeben wir uns nun binnenwärts in die Länder, die zum Gebiete des Nigerstromes gehören, so stossen wir sogleich auf einen räthselhaften Volksstamm, der erobernd bis tief in das Innere vorgedrungen ist. Es sind die Fulbe (Singular Pulo), von den Mandingo Fulah, von den Haussaua Fellani, von den Kanuri Fellata genannt. Der Name Fulbe bedeutet die „Gelben“ oder „Braunen“ und sollte den Gegensatz zu schwarzen Negern aus- drücken 3). Mungo Park 4), der sie im Westen sah, rühmt ihre helle Farbe und ihr seidenglänzendes Haar. Eine wohlgebildete Nase und kleine Lippen werden ihnen allgemein zugeschrieben, aber derartige Besonderheiten kommen auch bei anderen Negern vor und wechseln zu stark, um für eine Racenbestimmung zu ge- nügen. Obendrein bemerkt Barth 5), dass schon im Alter von 20 Jahren „ein affenartiger Ausdruck ihre kaukasischen Gesichtszüge verwische“. Durch Würde, Schliff, strenge Achtung des Eigen- thums, sowie Kunstgeschmack unterscheiden sich die Fulbe sehr günstig von den übrigen Afrikanern. Ihr Typus hat übrigens durch Mischung mit Negerfrauen seine Reinheit längst eingebüsst. Immerhin fand Rohlfs 6) im mittleren Theile des Reiches Sokoto, also tief im Innern unter den Fulbe noch etliche von gelber, fast 1) Steinthal, Die Mandenegersprachen. Berlin 1867. §. 129. S. 67. 2) Koelle, Polyglotta africana. London 1854. fol. 1. 3) Koelle, Polyglotta africana. fol. 18. 4) Reisen im Innern von Afrika. S. 14. 5) Nord- und Centralafrika. Bd. 2. S. 544. 6) Ergänzungsheft Nr. 34 zu Petermann’s Mittheilungen 1872. S. 45.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/519>, abgerufen am 23.04.2024.