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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die mittelländische Race.
vom Mais das 14. bis 20., von der Durrah (Sorghum vulgare) das
36. bis 48. Korn1). Das Kafirkorn wird uns unter den Feld-
früchten nicht genannt, fehlte vielleicht im Alterthum2) und würde
in diesem Falle von Negern der Cultur gewonnen worden sein.

Was man auch sagen mag, Herodot3) behält Recht, dass
nirgends als in Unterägypten die Erde um so wenige Mühe die Acker-
früchte gewährte und die Saat vielfältiger zurückgab. So war
denn dafür gesorgt, dass sich im Delta des Nils die Bevölkerung
aufs höchste verdichten konnte. Gesorgt war aber auch anderer-
seits, dass jene Vergünstigung der Natur in würdige Hände fallen
sollte. Würde sich nämlich der nilotische Bewässerungs- und Be-
fruchtungsapparat an der Westküste von Südafrika befunden haben,
so hätte er sicherlich wohl ebenfalls Wunder, aber nicht so hohe
Wunder der Gesittung verrichtet wie in Aegypten. Der Nil nämlich
mündet hart vor der Landenge welche Asien mit Afrika verbindet.
Seine Wohlthaten konnten sich also nie lange dem menschlichen
Auge entziehen. Mochten Völkerbewegungen aus Afrika nach
Asien gerichtet sein oder wurden Stämme aus dem bereits über-
füllten Vorderasien nach Afrika gedrängt, immer gelangten sie
an den Nil und zuletzt musste demjenigen Stamm der Besitz
des Unterlandes zufallen und verbleiben, der es zu einer raschen
Volksverdichtung am besten auszubeuten verstand.

2. Die Semiten.

Dieser Stamm der mittelländischen Völker bewohnt Vorder-
asien und Theile von Ostafrika. Er besitzt alle Merkmale der
mittelländischen Völker, ist bärtiger als die Hamiten und häufiger
als diese mit ausdrucksvollen Gesichtszügen, schmalen Lippen,
hohen, meist gebogenen Nasen und scharf gezeichneten Brauen
ausgestattet. Die Hautfarbe schwankt zwischen einer leichten
Dunkelung bis zum tiefen Braun. An Schädelmessungen herrscht
grosser Mangel. Nach der Welcker'schen Scala stehen die Juden
an der Grenze der Mesocephalie, gehören aber noch unter die
niedrigen Breitschädel. Die Araber dagegen nähern sich der

1) Heinrich Stephan, Das heutige Aegypten. Leipzig 1872. S. 82.
2) F. Unger, Botanische Streifzüge. Sitzungsberichte der Wiener Aka-
demie. Wien. 1860. Bd. XXXVIII. S. 100.
3) lib. II, cap. 14.

Die mittelländische Race.
vom Mais das 14. bis 20., von der Durrah (Sorghum vulgare) das
36. bis 48. Korn1). Das Kafirkorn wird uns unter den Feld-
früchten nicht genannt, fehlte vielleicht im Alterthum2) und würde
in diesem Falle von Negern der Cultur gewonnen worden sein.

Was man auch sagen mag, Herodot3) behält Recht, dass
nirgends als in Unterägypten die Erde um so wenige Mühe die Acker-
früchte gewährte und die Saat vielfältiger zurückgab. So war
denn dafür gesorgt, dass sich im Delta des Nils die Bevölkerung
aufs höchste verdichten konnte. Gesorgt war aber auch anderer-
seits, dass jene Vergünstigung der Natur in würdige Hände fallen
sollte. Würde sich nämlich der nilotische Bewässerungs- und Be-
fruchtungsapparat an der Westküste von Südafrika befunden haben,
so hätte er sicherlich wohl ebenfalls Wunder, aber nicht so hohe
Wunder der Gesittung verrichtet wie in Aegypten. Der Nil nämlich
mündet hart vor der Landenge welche Asien mit Afrika verbindet.
Seine Wohlthaten konnten sich also nie lange dem menschlichen
Auge entziehen. Mochten Völkerbewegungen aus Afrika nach
Asien gerichtet sein oder wurden Stämme aus dem bereits über-
füllten Vorderasien nach Afrika gedrängt, immer gelangten sie
an den Nil und zuletzt musste demjenigen Stamm der Besitz
des Unterlandes zufallen und verbleiben, der es zu einer raschen
Volksverdichtung am besten auszubeuten verstand.

2. Die Semiten.

Dieser Stamm der mittelländischen Völker bewohnt Vorder-
asien und Theile von Ostafrika. Er besitzt alle Merkmale der
mittelländischen Völker, ist bärtiger als die Hamiten und häufiger
als diese mit ausdrucksvollen Gesichtszügen, schmalen Lippen,
hohen, meist gebogenen Nasen und scharf gezeichneten Brauen
ausgestattet. Die Hautfarbe schwankt zwischen einer leichten
Dunkelung bis zum tiefen Braun. An Schädelmessungen herrscht
grosser Mangel. Nach der Welcker’schen Scala stehen die Juden
an der Grenze der Mesocephalie, gehören aber noch unter die
niedrigen Breitschädel. Die Araber dagegen nähern sich der

1) Heinrich Stephan, Das heutige Aegypten. Leipzig 1872. S. 82.
2) F. Unger, Botanische Streifzüge. Sitzungsberichte der Wiener Aka-
demie. Wien. 1860. Bd. XXXVIII. S. 100.
3) lib. II, cap. 14.
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[530/0548] Die mittelländische Race. vom Mais das 14. bis 20., von der Durrah (Sorghum vulgare) das 36. bis 48. Korn 1). Das Kafirkorn wird uns unter den Feld- früchten nicht genannt, fehlte vielleicht im Alterthum 2) und würde in diesem Falle von Negern der Cultur gewonnen worden sein. Was man auch sagen mag, Herodot 3) behält Recht, dass nirgends als in Unterägypten die Erde um so wenige Mühe die Acker- früchte gewährte und die Saat vielfältiger zurückgab. So war denn dafür gesorgt, dass sich im Delta des Nils die Bevölkerung aufs höchste verdichten konnte. Gesorgt war aber auch anderer- seits, dass jene Vergünstigung der Natur in würdige Hände fallen sollte. Würde sich nämlich der nilotische Bewässerungs- und Be- fruchtungsapparat an der Westküste von Südafrika befunden haben, so hätte er sicherlich wohl ebenfalls Wunder, aber nicht so hohe Wunder der Gesittung verrichtet wie in Aegypten. Der Nil nämlich mündet hart vor der Landenge welche Asien mit Afrika verbindet. Seine Wohlthaten konnten sich also nie lange dem menschlichen Auge entziehen. Mochten Völkerbewegungen aus Afrika nach Asien gerichtet sein oder wurden Stämme aus dem bereits über- füllten Vorderasien nach Afrika gedrängt, immer gelangten sie an den Nil und zuletzt musste demjenigen Stamm der Besitz des Unterlandes zufallen und verbleiben, der es zu einer raschen Volksverdichtung am besten auszubeuten verstand. 2. Die Semiten. Dieser Stamm der mittelländischen Völker bewohnt Vorder- asien und Theile von Ostafrika. Er besitzt alle Merkmale der mittelländischen Völker, ist bärtiger als die Hamiten und häufiger als diese mit ausdrucksvollen Gesichtszügen, schmalen Lippen, hohen, meist gebogenen Nasen und scharf gezeichneten Brauen ausgestattet. Die Hautfarbe schwankt zwischen einer leichten Dunkelung bis zum tiefen Braun. An Schädelmessungen herrscht grosser Mangel. Nach der Welcker’schen Scala stehen die Juden an der Grenze der Mesocephalie, gehören aber noch unter die niedrigen Breitschädel. Die Araber dagegen nähern sich der 1) Heinrich Stephan, Das heutige Aegypten. Leipzig 1872. S. 82. 2) F. Unger, Botanische Streifzüge. Sitzungsberichte der Wiener Aka- demie. Wien. 1860. Bd. XXXVIII. S. 100. 3) lib. II, cap. 14.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 530. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/548>, abgerufen am 23.04.2024.