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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

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Ach Gott! und in meiner nahen Stunde muß er
noch vor mein Fenster kommen und husten -- Es
ist Gottes Wille, daß ich ihm ganz, daß ich ihm
jezt verzeihe, und den letzten Groll überwinde, und
für seine Seele bete. Ich will es thun.

Gott du leitetest den Handel! Verzeih ihm.
Vater im Himmel! Verzeih ihm. Sie hört jezt
den Vogt laut reden, erschrickt und sagt:

Ach Gott, er ist zornig! O du armer Rudi!
Du kommst um meinetwillen unter seine Hände.
Sie hört ihn noch einmal reden, und sinkt in
Ohnmacht.

Der Rudeli springt aus der Stube zum Va-
ter und ruft ihm: Vater! Komm doch, komm
doch! die Großmutter ist glaub ich todt.

Der Rudi antwortete: Herr Jesus! Vogt ich
muß in die Stube.

Und der Vogt: Ja es thut Noth; das Un-
glück wird gar groß seyn, wenn die Hexe einmal
todt seyn wird.

Der Rudi hörte nicht, was er sagte, und war
schnell in der Stube.

Die Kranke erholte sich bald wieder, und wie
sie die Augen öffnete, sagte sie: Er war zornig,
Rudi? Er will dir gewiß nicht warten.

Rudi. Nein Mutter! es ist etwas recht Gu-
tes. Aber hast du dich auch wieder recht er-
holet?

Ja,

Ach Gott! und in meiner nahen Stunde muß er
noch vor mein Fenſter kommen und huſten — Es
iſt Gottes Wille, daß ich ihm ganz, daß ich ihm
jezt verzeihe, und den letzten Groll uͤberwinde, und
fuͤr ſeine Seele bete. Ich will es thun.

Gott du leiteteſt den Handel! Verzeih ihm.
Vater im Himmel! Verzeih ihm. Sie hoͤrt jezt
den Vogt laut reden, erſchrickt und ſagt:

Ach Gott, er iſt zornig! O du armer Rudi!
Du kommſt um meinetwillen unter ſeine Haͤnde.
Sie hoͤrt ihn noch einmal reden, und ſinkt in
Ohnmacht.

Der Rudeli ſpringt aus der Stube zum Va-
ter und ruft ihm: Vater! Komm doch, komm
doch! die Großmutter iſt glaub ich todt.

Der Rudi antwortete: Herr Jeſus! Vogt ich
muß in die Stube.

Und der Vogt: Ja es thut Noth; das Un-
gluͤck wird gar groß ſeyn, wenn die Hexe einmal
todt ſeyn wird.

Der Rudi hoͤrte nicht, was er ſagte, und war
ſchnell in der Stube.

Die Kranke erholte ſich bald wieder, und wie
ſie die Augen oͤffnete, ſagte ſie: Er war zornig,
Rudi? Er will dir gewiß nicht warten.

Rudi. Nein Mutter! es iſt etwas recht Gu-
tes. Aber haſt du dich auch wieder recht er-
holet?

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[98/0123] Ach Gott! und in meiner nahen Stunde muß er noch vor mein Fenſter kommen und huſten — Es iſt Gottes Wille, daß ich ihm ganz, daß ich ihm jezt verzeihe, und den letzten Groll uͤberwinde, und fuͤr ſeine Seele bete. Ich will es thun. Gott du leiteteſt den Handel! Verzeih ihm. Vater im Himmel! Verzeih ihm. Sie hoͤrt jezt den Vogt laut reden, erſchrickt und ſagt: Ach Gott, er iſt zornig! O du armer Rudi! Du kommſt um meinetwillen unter ſeine Haͤnde. Sie hoͤrt ihn noch einmal reden, und ſinkt in Ohnmacht. Der Rudeli ſpringt aus der Stube zum Va- ter und ruft ihm: Vater! Komm doch, komm doch! die Großmutter iſt glaub ich todt. Der Rudi antwortete: Herr Jeſus! Vogt ich muß in die Stube. Und der Vogt: Ja es thut Noth; das Un- gluͤck wird gar groß ſeyn, wenn die Hexe einmal todt ſeyn wird. Der Rudi hoͤrte nicht, was er ſagte, und war ſchnell in der Stube. Die Kranke erholte ſich bald wieder, und wie ſie die Augen oͤffnete, ſagte ſie: Er war zornig, Rudi? Er will dir gewiß nicht warten. Rudi. Nein Mutter! es iſt etwas recht Gu- tes. Aber haſt du dich auch wieder recht er- holet? Ja,

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/123>, abgerufen am 29.03.2024.