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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

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daß ihr euer Fleisch kreuzigen lernet. -- Es ist
nicht auszustehn, Vater! sagen die Kinder.

Es wird ja nicht lang währen, ihr Ketzern, geht
doch, sagt der Vater -- stoßt sie hinein, schließt die
Thüre, und ruft dann dem Vogt in die Stube.

Dieser sagte ihm den Bericht. Der Marx
aber dankt dem Vogt, und fragt: Bin ich Auf-
seher unter diesen Leuten?

Was denkst du, Marx? antwortete der Vogt.
Nein, Arbeiter bist du, wie die andern.

Marx. So! Herr Untervogt!

Vogt. Es steht dir frey; wenn du etwann
allenfalls die Arbeit nicht willst.

Marx. Ich bin freylich sonst solcher Ar-
beit nicht gewohnt. Aber weil's das Schloß
und den Herrn Pfarrer antrifft, so darf ich wohl
nicht anders, und will ich sie annehmen.

Vogt. Es wird sie gar freuen, und ich denke
fast, der Junker werde mich noch einmal zu dir
schicken, dir zu danken.

Marx. Ha! ich meyn's eben nicht so; aber
insgemein möchte ich doch nicht bey Jedermann
taglöhnen.

Vogt. Du hast sonst Brod!

Marx. Gott Lob! noch immer.

Vogt. Ich weiß wohl; aber wo sind deine
Kinder?

Marx.
J 4

daß ihr euer Fleiſch kreuzigen lernet. — Es iſt
nicht auszuſtehn, Vater! ſagen die Kinder.

Es wird ja nicht lang waͤhren, ihr Ketzern, geht
doch, ſagt der Vater — ſtoßt ſie hinein, ſchließt die
Thuͤre, und ruft dann dem Vogt in die Stube.

Dieſer ſagte ihm den Bericht. Der Marx
aber dankt dem Vogt, und fragt: Bin ich Auf-
ſeher unter dieſen Leuten?

Was denkſt du, Marx? antwortete der Vogt.
Nein, Arbeiter biſt du, wie die andern.

Marx. So! Herr Untervogt!

Vogt. Es ſteht dir frey; wenn du etwann
allenfalls die Arbeit nicht willſt.

Marx. Ich bin freylich ſonſt ſolcher Ar-
beit nicht gewohnt. Aber weil’s das Schloß
und den Herrn Pfarrer antrifft, ſo darf ich wohl
nicht anders, und will ich ſie annehmen.

Vogt. Es wird ſie gar freuen, und ich denke
faſt, der Junker werde mich noch einmal zu dir
ſchicken, dir zu danken.

Marx. Ha! ich meyn’s eben nicht ſo; aber
insgemein moͤchte ich doch nicht bey Jedermann
tagloͤhnen.

Vogt. Du haſt ſonſt Brod!

Marx. Gott Lob! noch immer.

Vogt. Ich weiß wohl; aber wo ſind deine
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Marx.
J 4
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[135/0160] daß ihr euer Fleiſch kreuzigen lernet. — Es iſt nicht auszuſtehn, Vater! ſagen die Kinder. Es wird ja nicht lang waͤhren, ihr Ketzern, geht doch, ſagt der Vater — ſtoßt ſie hinein, ſchließt die Thuͤre, und ruft dann dem Vogt in die Stube. Dieſer ſagte ihm den Bericht. Der Marx aber dankt dem Vogt, und fragt: Bin ich Auf- ſeher unter dieſen Leuten? Was denkſt du, Marx? antwortete der Vogt. Nein, Arbeiter biſt du, wie die andern. Marx. So! Herr Untervogt! Vogt. Es ſteht dir frey; wenn du etwann allenfalls die Arbeit nicht willſt. Marx. Ich bin freylich ſonſt ſolcher Ar- beit nicht gewohnt. Aber weil’s das Schloß und den Herrn Pfarrer antrifft, ſo darf ich wohl nicht anders, und will ich ſie annehmen. Vogt. Es wird ſie gar freuen, und ich denke faſt, der Junker werde mich noch einmal zu dir ſchicken, dir zu danken. Marx. Ha! ich meyn’s eben nicht ſo; aber insgemein moͤchte ich doch nicht bey Jedermann tagloͤhnen. Vogt. Du haſt ſonſt Brod! Marx. Gott Lob! noch immer. Vogt. Ich weiß wohl; aber wo ſind deine Kinder? Marx. J 4

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/160>, abgerufen am 19.04.2024.