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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

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ter es nicht hätte sagen dürfen, daß er es schon
wisse, und wenn er so Verdruß von deinem Ge-
schwätze gehabt hätte?

Lise. Es würde mir sehr leid seyn; aber weder
du noch er haben doch kein Wort gesagt, daß es
Niemand wissen soll.

Mutter. Ja, ich will's dem Vater sagen,
wenn er heim kömmt. Wir müssen so zu al-
len Worten, die wir in der Stube reden, allemal
hinzusetzen: Das darf jezt die Lise sagen bey den
Nachbaren, und beym Brunnen erzählen -- aber
das nicht -- und das nicht -- und das wieder --
so weißst du denn recht ordentlich und richtig, wo-
von du plappern darfst.

Lise. Verzeih mir doch, Mutter! Ich meynte
es auch nicht so.

Mutter. Man hat es dir für ein und allemal
gesagt, daß du in nichts, was dich nicht angeht,
plaudern sollst; aber es ist vergeblich. Der Feh-
ler ist dir nicht abzugewöhnen, als mit Ernst, und
das erstemal, daß ich dich wieder bey so unbeson-
nenem Geschwätz antreffen werde, werde ich dich
mit der Ruthe abstrafen.

Die Thränen schossen der Lise in die Augen, da
die Mutter von der Ruthe redte. Die Mutter sah
es, und sagte zu ihr: Lise! die größsten Unglücke
entstehen aus unvorsichtigem Geschwätze, und dieser
Fehler muß dir abgewöhnt seyn.

So

ter es nicht haͤtte ſagen duͤrfen, daß er es ſchon
wiſſe, und wenn er ſo Verdruß von deinem Ge-
ſchwaͤtze gehabt haͤtte?

Liſe. Es wuͤrde mir ſehr leid ſeyn; aber weder
du noch er haben doch kein Wort geſagt, daß es
Niemand wiſſen ſoll.

Mutter. Ja, ich will’s dem Vater ſagen,
wenn er heim koͤmmt. Wir muͤſſen ſo zu al-
len Worten, die wir in der Stube reden, allemal
hinzuſetzen: Das darf jezt die Liſe ſagen bey den
Nachbaren, und beym Brunnen erzaͤhlen — aber
das nicht — und das nicht — und das wieder —
ſo weißſt du denn recht ordentlich und richtig, wo-
von du plappern darfſt.

Liſe. Verzeih mir doch, Mutter! Ich meynte
es auch nicht ſo.

Mutter. Man hat es dir fuͤr ein und allemal
geſagt, daß du in nichts, was dich nicht angeht,
plaudern ſollſt; aber es iſt vergeblich. Der Feh-
ler iſt dir nicht abzugewoͤhnen, als mit Ernſt, und
das erſtemal, daß ich dich wieder bey ſo unbeſon-
nenem Geſchwaͤtz antreffen werde, werde ich dich
mit der Ruthe abſtrafen.

Die Thraͤnen ſchoſſen der Liſe in die Augen, da
die Mutter von der Ruthe redte. Die Mutter ſah
es, und ſagte zu ihr: Liſe! die groͤßſten Ungluͤcke
entſtehen aus unvorſichtigem Geſchwaͤtze, und dieſer
Fehler muß dir abgewoͤhnt ſeyn.

So
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[176/0201] ter es nicht haͤtte ſagen duͤrfen, daß er es ſchon wiſſe, und wenn er ſo Verdruß von deinem Ge- ſchwaͤtze gehabt haͤtte? Liſe. Es wuͤrde mir ſehr leid ſeyn; aber weder du noch er haben doch kein Wort geſagt, daß es Niemand wiſſen ſoll. Mutter. Ja, ich will’s dem Vater ſagen, wenn er heim koͤmmt. Wir muͤſſen ſo zu al- len Worten, die wir in der Stube reden, allemal hinzuſetzen: Das darf jezt die Liſe ſagen bey den Nachbaren, und beym Brunnen erzaͤhlen — aber das nicht — und das nicht — und das wieder — ſo weißſt du denn recht ordentlich und richtig, wo- von du plappern darfſt. Liſe. Verzeih mir doch, Mutter! Ich meynte es auch nicht ſo. Mutter. Man hat es dir fuͤr ein und allemal geſagt, daß du in nichts, was dich nicht angeht, plaudern ſollſt; aber es iſt vergeblich. Der Feh- ler iſt dir nicht abzugewoͤhnen, als mit Ernſt, und das erſtemal, daß ich dich wieder bey ſo unbeſon- nenem Geſchwaͤtz antreffen werde, werde ich dich mit der Ruthe abſtrafen. Die Thraͤnen ſchoſſen der Liſe in die Augen, da die Mutter von der Ruthe redte. Die Mutter ſah es, und ſagte zu ihr: Liſe! die groͤßſten Ungluͤcke entſtehen aus unvorſichtigem Geſchwaͤtze, und dieſer Fehler muß dir abgewoͤhnt ſeyn. So

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/201>, abgerufen am 28.03.2024.