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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

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mir an's Herz, daß wir euch das haben thun dür-
fen.

Lienhard. Iß doch jezt, Rudi!

Rudeli. Iß doch, Vater! wir wollen doch
essen, Vater!

Rudi. So bete eben.

Rudeli.

Speis Gott --
Tröst Gott --
Alle armen Kind
Die auf Erden sind
An Seel und Leib, Amen!

So betet der Knab, nimmt den Löffel, zittert,
weint und ißt.

So vergelt's euch Gott zu tausendmalen --
sagt der Vater, ißt auch, und Thränen fallen
über seine Wangen in seine Speise.

Sie assen aber das Essen nicht auf, sondern
stellten ein Blättlein voll den Kindern beyseits, die
schliefen, dann betete der Rudeli ab Tische:

Wer geessen hat
Gott danken soll;
Der uns gespeist hat
Abermal.
Ihm sey Lob, Preis und Dank gesagt,
Von nun an bis in Ewigkeit, Amen!

Als nun der Rudi ihnen noch einmal danken
wollte, entfuhr ihm ein Seufzer --

§. 38.

mir an’s Herz, daß wir euch das haben thun duͤr-
fen.

Lienhard. Iß doch jezt, Rudi!

Rudeli. Iß doch, Vater! wir wollen doch
eſſen, Vater!

Rudi. So bete eben.

Rudeli.

Speis Gott —
Troͤſt Gott —
Alle armen Kind
Die auf Erden ſind
An Seel und Leib, Amen!

So betet der Knab, nimmt den Loͤffel, zittert,
weint und ißt.

So vergelt’s euch Gott zu tauſendmalen —
ſagt der Vater, ißt auch, und Thraͤnen fallen
uͤber ſeine Wangen in ſeine Speiſe.

Sie aſſen aber das Eſſen nicht auf, ſondern
ſtellten ein Blaͤttlein voll den Kindern beyſeits, die
ſchliefen, dann betete der Rudeli ab Tiſche:

Wer geeſſen hat
Gott danken ſoll;
Der uns geſpeist hat
Abermal.
Ihm ſey Lob, Preis und Dank geſagt,
Von nun an bis in Ewigkeit, Amen!

Als nun der Rudi ihnen noch einmal danken
wollte, entfuhr ihm ein Seufzer —

§. 38.
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[189/0214] mir an’s Herz, daß wir euch das haben thun duͤr- fen. Lienhard. Iß doch jezt, Rudi! Rudeli. Iß doch, Vater! wir wollen doch eſſen, Vater! Rudi. So bete eben. Rudeli. Speis Gott — Troͤſt Gott — Alle armen Kind Die auf Erden ſind An Seel und Leib, Amen! So betet der Knab, nimmt den Loͤffel, zittert, weint und ißt. So vergelt’s euch Gott zu tauſendmalen — ſagt der Vater, ißt auch, und Thraͤnen fallen uͤber ſeine Wangen in ſeine Speiſe. Sie aſſen aber das Eſſen nicht auf, ſondern ſtellten ein Blaͤttlein voll den Kindern beyſeits, die ſchliefen, dann betete der Rudeli ab Tiſche: Wer geeſſen hat Gott danken ſoll; Der uns geſpeist hat Abermal. Ihm ſey Lob, Preis und Dank geſagt, Von nun an bis in Ewigkeit, Amen! Als nun der Rudi ihnen noch einmal danken wollte, entfuhr ihm ein Seufzer — §. 38.

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/214>, abgerufen am 28.03.2024.