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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

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sie unfehlbar vor den Vieren fort sollen, weil er auf
den Mittag wieder daheim seyn müsse.

Der Harschier war ernstlich betroffen über diesen
Bericht, und sagte: Das ist verflucht; aber was
ist zu machen, erwiederte der Mäurer?

Flink. Kann ich sie vielleicht noch einholen?

Mäurer. Auf des Martis Hügel siehest du ih-
nen ja auf eine halbe Stunde nach; da kannst du
sie, nachdem der Wind geht, zurückrufen, so
weit du sie siehest.

Dieser säumt sich jezt nicht, läuft schnell auf
den Hügel, ruft, pfeift und schreyt da, was er aus
dem Hals vermag; aber vergebens -- Sie hören
ihn nicht, gehn ihres Wegs fort, und sind ihm
bald aus den Augen.

Der Vogt aber, der noch nicht so weit entfernt
war, hörte das Rufen vom Hügel, kehrte sich um,
das Gewehr des Harschiers glänzte im Morgen-
strahl der Sonne, daß der Vogt ihn erkannte;
und es wunderte ihn, was der Harschier wolle; er
gieng zurück und der Harschier ihm entgegen.

Dieser erzählte ihm jezt, wie er gestern bis zum
Sterben Kopfweh gehabt und versäumt habe, dem
Mäurer anzusagen, daß man schon heute mit dem
Steinbrechen anfangen müsse.



§. 53.

ſie unfehlbar vor den Vieren fort ſollen, weil er auf
den Mittag wieder daheim ſeyn muͤſſe.

Der Harſchier war ernſtlich betroffen uͤber dieſen
Bericht, und ſagte: Das iſt verflucht; aber was
iſt zu machen, erwiederte der Maͤurer?

Flink. Kann ich ſie vielleicht noch einholen?

Maͤurer. Auf des Martis Huͤgel ſieheſt du ih-
nen ja auf eine halbe Stunde nach; da kannſt du
ſie, nachdem der Wind geht, zuruͤckrufen, ſo
weit du ſie ſieheſt.

Dieſer ſaͤumt ſich jezt nicht, laͤuft ſchnell auf
den Huͤgel, ruft, pfeift und ſchreyt da, was er aus
dem Hals vermag; aber vergebens — Sie hoͤren
ihn nicht, gehn ihres Wegs fort, und ſind ihm
bald aus den Augen.

Der Vogt aber, der noch nicht ſo weit entfernt
war, hoͤrte das Rufen vom Huͤgel, kehrte ſich um,
das Gewehr des Harſchiers glaͤnzte im Morgen-
ſtrahl der Sonne, daß der Vogt ihn erkannte;
und es wunderte ihn, was der Harſchier wolle; er
gieng zuruͤck und der Harſchier ihm entgegen.

Dieſer erzaͤhlte ihm jezt, wie er geſtern bis zum
Sterben Kopfweh gehabt und verſaͤumt habe, dem
Maͤurer anzuſagen, daß man ſchon heute mit dem
Steinbrechen anfangen muͤſſe.



§. 53.
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[251/0276] ſie unfehlbar vor den Vieren fort ſollen, weil er auf den Mittag wieder daheim ſeyn muͤſſe. Der Harſchier war ernſtlich betroffen uͤber dieſen Bericht, und ſagte: Das iſt verflucht; aber was iſt zu machen, erwiederte der Maͤurer? Flink. Kann ich ſie vielleicht noch einholen? Maͤurer. Auf des Martis Huͤgel ſieheſt du ih- nen ja auf eine halbe Stunde nach; da kannſt du ſie, nachdem der Wind geht, zuruͤckrufen, ſo weit du ſie ſieheſt. Dieſer ſaͤumt ſich jezt nicht, laͤuft ſchnell auf den Huͤgel, ruft, pfeift und ſchreyt da, was er aus dem Hals vermag; aber vergebens — Sie hoͤren ihn nicht, gehn ihres Wegs fort, und ſind ihm bald aus den Augen. Der Vogt aber, der noch nicht ſo weit entfernt war, hoͤrte das Rufen vom Huͤgel, kehrte ſich um, das Gewehr des Harſchiers glaͤnzte im Morgen- ſtrahl der Sonne, daß der Vogt ihn erkannte; und es wunderte ihn, was der Harſchier wolle; er gieng zuruͤck und der Harſchier ihm entgegen. Dieſer erzaͤhlte ihm jezt, wie er geſtern bis zum Sterben Kopfweh gehabt und verſaͤumt habe, dem Maͤurer anzuſagen, daß man ſchon heute mit dem Steinbrechen anfangen muͤſſe. §. 53.

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/276>, abgerufen am 28.03.2024.