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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

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bot ihm Arner, noch Niemand kein Wort von der
Sache zu erzählen.

Indessen langte Wilhelm Aebi mit des Pfarrers
Briefen an.

Arner las sie, und die Geschichte des Hans
Wüsts rührte ihn am meisten. Die Unvorsichtigkeit
seines Großvaters, und das Unglück des Rudis gien-
gen ihm zu Herzen; aber die weise Handlungsart
des Pfarrers freute ihn in der Seele.

Er gab die Briefe sogleich seiner Therese, und
sagte: Das ist doch ein herrlicher Mann, mein Pfar-
rer in Bonnal. Menschenfreundlicher und sorgfäl-
tiger hätte er nicht handeln können.

Therese las die Briefe, und sagte: Das ist
eine erschreckliche Sache mit dem Wüst! Du
mußst dem Rudi wieder zu dem Seinigen helfen.
Säume doch nicht -- und wenn der Vogt sich
sträubt, die Matte zurückzugeben, so wirf ihn in
alle Löcher. Er ist ein Satan, dem du nicht scho-
nen mußst.

Ich will ihn aufknüpfen lassen, antwortete Arner.

Ach nein! du tödest Niemand, erwiederte The-
rese.

Meynst du, Therese? sagte Carl, und lächelte.

Ja, ich meyn's, sagte Therese, und küßte ih-
ren Carl.

Du würdest mich nicht mehr küssen, glaub ich,
wenn ich's thäte, Therese! sagte Carl.

Und
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bot ihm Arner, noch Niemand kein Wort von der
Sache zu erzaͤhlen.

Indeſſen langte Wilhelm Aebi mit des Pfarrers
Briefen an.

Arner las ſie, und die Geſchichte des Hans
Wuͤſts ruͤhrte ihn am meiſten. Die Unvorſichtigkeit
ſeines Großvaters, und das Ungluͤck des Rudis gien-
gen ihm zu Herzen; aber die weiſe Handlungsart
des Pfarrers freute ihn in der Seele.

Er gab die Briefe ſogleich ſeiner Thereſe, und
ſagte: Das iſt doch ein herrlicher Mann, mein Pfar-
rer in Bonnal. Menſchenfreundlicher und ſorgfaͤl-
tiger haͤtte er nicht handeln koͤnnen.

Thereſe las die Briefe, und ſagte: Das iſt
eine erſchreckliche Sache mit dem Wuͤſt! Du
mußſt dem Rudi wieder zu dem Seinigen helfen.
Saͤume doch nicht — und wenn der Vogt ſich
ſtraͤubt, die Matte zuruͤckzugeben, ſo wirf ihn in
alle Loͤcher. Er iſt ein Satan, dem du nicht ſcho-
nen mußſt.

Ich will ihn aufknuͤpfen laſſen, antwortete Arner.

Ach nein! du toͤdeſt Niemand, erwiederte The-
reſe.

Meynſt du, Thereſe? ſagte Carl, und laͤchelte.

Ja, ich meyn’s, ſagte Thereſe, und kuͤßte ih-
ren Carl.

Du wuͤrdeſt mich nicht mehr kuͤſſen, glaub ich,
wenn ich’s thaͤte, Thereſe! ſagte Carl.

Und
X
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[321/0346] bot ihm Arner, noch Niemand kein Wort von der Sache zu erzaͤhlen. Indeſſen langte Wilhelm Aebi mit des Pfarrers Briefen an. Arner las ſie, und die Geſchichte des Hans Wuͤſts ruͤhrte ihn am meiſten. Die Unvorſichtigkeit ſeines Großvaters, und das Ungluͤck des Rudis gien- gen ihm zu Herzen; aber die weiſe Handlungsart des Pfarrers freute ihn in der Seele. Er gab die Briefe ſogleich ſeiner Thereſe, und ſagte: Das iſt doch ein herrlicher Mann, mein Pfar- rer in Bonnal. Menſchenfreundlicher und ſorgfaͤl- tiger haͤtte er nicht handeln koͤnnen. Thereſe las die Briefe, und ſagte: Das iſt eine erſchreckliche Sache mit dem Wuͤſt! Du mußſt dem Rudi wieder zu dem Seinigen helfen. Saͤume doch nicht — und wenn der Vogt ſich ſtraͤubt, die Matte zuruͤckzugeben, ſo wirf ihn in alle Loͤcher. Er iſt ein Satan, dem du nicht ſcho- nen mußſt. Ich will ihn aufknuͤpfen laſſen, antwortete Arner. Ach nein! du toͤdeſt Niemand, erwiederte The- reſe. Meynſt du, Thereſe? ſagte Carl, und laͤchelte. Ja, ich meyn’s, ſagte Thereſe, und kuͤßte ih- ren Carl. Du wuͤrdeſt mich nicht mehr kuͤſſen, glaub ich, wenn ich’s thaͤte, Thereſe! ſagte Carl. Und X

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/346>, abgerufen am 29.03.2024.