Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Sie werden schon kommen, Fritz! -- Hopsasa
und Heisasa, Zwetschgen sind nicht Feigen, sagt
der Vogt, streckt das Brenntsglas zum Fenster
hinaus, und ruft: Willst eins Bescheid thun,
Fritz?

Es ist mir noch zu früh, antwortete Fritz, ich
will warten, bis mehr Gesellschaft da ist.

Du bist immer der alte Schalk, sagte der
Vogt; aber glaub's, der gestrige Spaß wird
nicht so übel ausschlagen. Es fliegt kein Vögelein
so hoch, es läßt sich wieder nieder.

Ich weiß nicht, antwortete Fritz. Der Vo-
gel, den ich meyne, hat sich lange nicht herunter
gelassen. Aber wir reden vielleicht nicht vom glei-
chen Vogel. Willst's mithalten, Vogt! man ruft
zur Morgensuppe, und hiemit schob Fritz das
Fenster zu.

Das ist kurz abgebunden, murrete der Vogt
bey sich selbst, und schüttelte den Kopf, daß Haar
und Backen zitterten. Ich werde, denk' ich, des
Teufels Arbeit haben, bis das gestrige Henkerszeug
den Leuten allen wieder aus dem Kopf seyn wird;
So sagt er zu sich selber, schenkt sich ein -- trinkt --
sagt denn wieder -- Muth gefaßt! Kommt Zeit!
Kommt Rath! Heute ist's Samstag, die Kälber
lassen sich scheeren, ich gehe ins Barthaus, da
gibt sich um ein Glas Wein eins nach dem an-

dern.
C 2

Sie werden ſchon kommen, Fritz! — Hopſaſa
und Heiſaſa, Zwetſchgen ſind nicht Feigen, ſagt
der Vogt, ſtreckt das Brenntsglas zum Fenſter
hinaus, und ruft: Willſt eins Beſcheid thun,
Fritz?

Es iſt mir noch zu fruͤh, antwortete Fritz, ich
will warten, bis mehr Geſellſchaft da iſt.

Du biſt immer der alte Schalk, ſagte der
Vogt; aber glaub’s, der geſtrige Spaß wird
nicht ſo uͤbel ausſchlagen. Es fliegt kein Voͤgelein
ſo hoch, es laͤßt ſich wieder nieder.

Ich weiß nicht, antwortete Fritz. Der Vo-
gel, den ich meyne, hat ſich lange nicht herunter
gelaſſen. Aber wir reden vielleicht nicht vom glei-
chen Vogel. Willſt’s mithalten, Vogt! man ruft
zur Morgenſuppe, und hiemit ſchob Fritz das
Fenſter zu.

Das iſt kurz abgebunden, murrete der Vogt
bey ſich ſelbſt, und ſchuͤttelte den Kopf, daß Haar
und Backen zitterten. Ich werde, denk’ ich, des
Teufels Arbeit haben, bis das geſtrige Henkerszeug
den Leuten allen wieder aus dem Kopf ſeyn wird;
So ſagt er zu ſich ſelber, ſchenkt ſich ein — trinkt —
ſagt denn wieder — Muth gefaßt! Kommt Zeit!
Kommt Rath! Heute iſt’s Samſtag, die Kaͤlber
laſſen ſich ſcheeren, ich gehe ins Barthaus, da
gibt ſich um ein Glas Wein eins nach dem an-

dern.
C 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0058" n="35"/>
          <p>Sie werden &#x017F;chon kommen, Fritz! &#x2014; Hop&#x017F;a&#x017F;a<lb/>
und Hei&#x017F;a&#x017F;a, Zwet&#x017F;chgen &#x017F;ind nicht Feigen, &#x017F;agt<lb/>
der Vogt, &#x017F;treckt das Brenntsglas zum Fen&#x017F;ter<lb/>
hinaus, und ruft: Will&#x017F;t eins Be&#x017F;cheid thun,<lb/>
Fritz?</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t mir noch zu fru&#x0364;h, antwortete Fritz, ich<lb/>
will warten, bis mehr Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft da i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Du bi&#x017F;t immer der alte Schalk, &#x017F;agte der<lb/>
Vogt; aber glaub&#x2019;s, der ge&#x017F;trige Spaß wird<lb/>
nicht &#x017F;o u&#x0364;bel aus&#x017F;chlagen. Es fliegt kein Vo&#x0364;gelein<lb/>
&#x017F;o hoch, es la&#x0364;ßt &#x017F;ich wieder nieder.</p><lb/>
          <p>Ich weiß nicht, antwortete Fritz. Der Vo-<lb/>
gel, den ich meyne, hat &#x017F;ich lange nicht herunter<lb/>
gela&#x017F;&#x017F;en. Aber wir reden vielleicht nicht vom glei-<lb/>
chen Vogel. Will&#x017F;t&#x2019;s mithalten, Vogt! man ruft<lb/>
zur Morgen&#x017F;uppe, und hiemit &#x017F;chob Fritz das<lb/>
Fen&#x017F;ter zu.</p><lb/>
          <p>Das i&#x017F;t kurz abgebunden, murrete der Vogt<lb/>
bey &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, und &#x017F;chu&#x0364;ttelte den Kopf, daß Haar<lb/>
und Backen zitterten. Ich werde, denk&#x2019; ich, des<lb/>
Teufels Arbeit haben, bis das ge&#x017F;trige Henkerszeug<lb/>
den Leuten allen wieder aus dem Kopf &#x017F;eyn wird;<lb/>
So &#x017F;agt er zu &#x017F;ich &#x017F;elber, &#x017F;chenkt &#x017F;ich ein &#x2014; trinkt &#x2014;<lb/>
&#x017F;agt denn wieder &#x2014; Muth gefaßt! Kommt Zeit!<lb/>
Kommt Rath! Heute i&#x017F;t&#x2019;s Sam&#x017F;tag, die Ka&#x0364;lber<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich &#x017F;cheeren, ich gehe ins Barthaus, da<lb/>
gibt &#x017F;ich um ein Glas Wein eins nach dem an-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 2</fw><fw place="bottom" type="catch">dern.</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0058] Sie werden ſchon kommen, Fritz! — Hopſaſa und Heiſaſa, Zwetſchgen ſind nicht Feigen, ſagt der Vogt, ſtreckt das Brenntsglas zum Fenſter hinaus, und ruft: Willſt eins Beſcheid thun, Fritz? Es iſt mir noch zu fruͤh, antwortete Fritz, ich will warten, bis mehr Geſellſchaft da iſt. Du biſt immer der alte Schalk, ſagte der Vogt; aber glaub’s, der geſtrige Spaß wird nicht ſo uͤbel ausſchlagen. Es fliegt kein Voͤgelein ſo hoch, es laͤßt ſich wieder nieder. Ich weiß nicht, antwortete Fritz. Der Vo- gel, den ich meyne, hat ſich lange nicht herunter gelaſſen. Aber wir reden vielleicht nicht vom glei- chen Vogel. Willſt’s mithalten, Vogt! man ruft zur Morgenſuppe, und hiemit ſchob Fritz das Fenſter zu. Das iſt kurz abgebunden, murrete der Vogt bey ſich ſelbſt, und ſchuͤttelte den Kopf, daß Haar und Backen zitterten. Ich werde, denk’ ich, des Teufels Arbeit haben, bis das geſtrige Henkerszeug den Leuten allen wieder aus dem Kopf ſeyn wird; So ſagt er zu ſich ſelber, ſchenkt ſich ein — trinkt — ſagt denn wieder — Muth gefaßt! Kommt Zeit! Kommt Rath! Heute iſt’s Samſtag, die Kaͤlber laſſen ſich ſcheeren, ich gehe ins Barthaus, da gibt ſich um ein Glas Wein eins nach dem an- dern. C 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/58
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/58>, abgerufen am 24.04.2024.