Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Etliche wenige Bauern schüttelten die Köpfe,
und sagten einander leise ins Ohr.

Er hat der Gemeind nie nichts nachgefragt.
Jezt will er die Gemeind in den Koth hinein zie-
hen, in dem er steckt.

Aber die mehrern lärmten immer stärker, stürm-
ten und schwuren und fluchten, daß ihnen grad über-
morgen Gemeind seyn müsse.

Die Verständigern schwiegen, und sagten nur
ganz still unter einander. Wir wollen denn sehen,
wenn ihnen der Wein aus dem Kopf seyn wird.

Indessen trank der Vogt bedächtlich immer von
seinem gesottenen Wasser, und fuhr fort, die er-
hitzten Nachbaren wegen ihren Landesrechten in
Sorgen zu setzen.

Ihr wißt alle, sagt' er zu ihnen, wie unser
Altvater Rüpplj vor zweyhundert Jahren mit dem
grausamen Ahnherrn dieses Junkers zu kämpfen
hatte --

Dieser alte Rüpplj *) (mein Grosvater hat es
mir tausendmal erzählt) hatte zu seinem liebsten

Sprüch-
*) Rüpplj war ein ehrwürdiger Altvater von Bon-
nal, und hatte gegen einen alten Erbherrn von
Arnheim sich der Gemeind treulich angenom-
men, und Haab und Gut dran gesetzt, daß
das Dorf nicht einen Tag mehr Frohndienste
tragen müsse. Aber das Sprüchwort, das
ihm

Etliche wenige Bauern ſchuͤttelten die Koͤpfe,
und ſagten einander leiſe ins Ohr.

Er hat der Gemeind nie nichts nachgefragt.
Jezt will er die Gemeind in den Koth hinein zie-
hen, in dem er ſteckt.

Aber die mehrern laͤrmten immer ſtaͤrker, ſtuͤrm-
ten und ſchwuren und fluchten, daß ihnen grad uͤber-
morgen Gemeind ſeyn muͤſſe.

Die Verſtaͤndigern ſchwiegen, und ſagten nur
ganz ſtill unter einander. Wir wollen denn ſehen,
wenn ihnen der Wein aus dem Kopf ſeyn wird.

Indeſſen trank der Vogt bedaͤchtlich immer von
ſeinem geſottenen Waſſer, und fuhr fort, die er-
hitzten Nachbaren wegen ihren Landesrechten in
Sorgen zu ſetzen.

Ihr wißt alle, ſagt’ er zu ihnen, wie unſer
Altvater Ruͤpplj vor zweyhundert Jahren mit dem
grauſamen Ahnherrn dieſes Junkers zu kaͤmpfen
hatte —

Dieſer alte Ruͤpplj *) (mein Grosvater hat es
mir tauſendmal erzaͤhlt) hatte zu ſeinem liebſten

Spruͤch-
*) Ruͤpplj war ein ehrwuͤrdiger Altvater von Bon-
nal, und hatte gegen einen alten Erbherrn von
Arnheim ſich der Gemeind treulich angenom-
men, und Haab und Gut dran geſetzt, daß
das Dorf nicht einen Tag mehr Frohndienſte
tragen muͤſſe. Aber das Spruͤchwort, das
ihm
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0077" n="54"/>
          <p>Etliche wenige Bauern &#x017F;chu&#x0364;ttelten die Ko&#x0364;pfe,<lb/>
und &#x017F;agten einander lei&#x017F;e ins Ohr.</p><lb/>
          <p>Er hat der Gemeind nie nichts nachgefragt.<lb/>
Jezt will er die Gemeind in den Koth hinein zie-<lb/>
hen, in dem er &#x017F;teckt.</p><lb/>
          <p>Aber die mehrern la&#x0364;rmten immer &#x017F;ta&#x0364;rker, &#x017F;tu&#x0364;rm-<lb/>
ten und &#x017F;chwuren und fluchten, daß ihnen grad u&#x0364;ber-<lb/>
morgen Gemeind &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.</p><lb/>
          <p>Die Ver&#x017F;ta&#x0364;ndigern &#x017F;chwiegen, und &#x017F;agten nur<lb/>
ganz &#x017F;till unter einander. Wir wollen denn &#x017F;ehen,<lb/>
wenn ihnen der Wein aus dem Kopf &#x017F;eyn wird.</p><lb/>
          <p>Inde&#x017F;&#x017F;en trank der Vogt beda&#x0364;chtlich immer von<lb/>
&#x017F;einem ge&#x017F;ottenen Wa&#x017F;&#x017F;er, und fuhr fort, die er-<lb/>
hitzten Nachbaren wegen ihren Landesrechten in<lb/>
Sorgen zu &#x017F;etzen.</p><lb/>
          <p>Ihr wißt alle, &#x017F;agt&#x2019; er zu ihnen, wie un&#x017F;er<lb/>
Altvater Ru&#x0364;pplj vor zweyhundert Jahren mit dem<lb/>
grau&#x017F;amen Ahnherrn die&#x017F;es Junkers zu ka&#x0364;mpfen<lb/>
hatte &#x2014;</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;er alte Ru&#x0364;pplj <note xml:id="note-0077" next="#note-0078" place="foot" n="*)">Ru&#x0364;pplj war ein ehrwu&#x0364;rdiger Altvater von Bon-<lb/>
nal, und hatte gegen einen alten Erbherrn von<lb/>
Arnheim &#x017F;ich der Gemeind treulich angenom-<lb/>
men, und Haab und Gut dran ge&#x017F;etzt, daß<lb/>
das Dorf nicht einen Tag mehr Frohndien&#x017F;te<lb/>
tragen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Aber das Spru&#x0364;chwort, das<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ihm</fw></note> (mein Grosvater hat es<lb/>
mir tau&#x017F;endmal erza&#x0364;hlt) hatte zu &#x017F;einem lieb&#x017F;ten<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Spru&#x0364;ch-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0077] Etliche wenige Bauern ſchuͤttelten die Koͤpfe, und ſagten einander leiſe ins Ohr. Er hat der Gemeind nie nichts nachgefragt. Jezt will er die Gemeind in den Koth hinein zie- hen, in dem er ſteckt. Aber die mehrern laͤrmten immer ſtaͤrker, ſtuͤrm- ten und ſchwuren und fluchten, daß ihnen grad uͤber- morgen Gemeind ſeyn muͤſſe. Die Verſtaͤndigern ſchwiegen, und ſagten nur ganz ſtill unter einander. Wir wollen denn ſehen, wenn ihnen der Wein aus dem Kopf ſeyn wird. Indeſſen trank der Vogt bedaͤchtlich immer von ſeinem geſottenen Waſſer, und fuhr fort, die er- hitzten Nachbaren wegen ihren Landesrechten in Sorgen zu ſetzen. Ihr wißt alle, ſagt’ er zu ihnen, wie unſer Altvater Ruͤpplj vor zweyhundert Jahren mit dem grauſamen Ahnherrn dieſes Junkers zu kaͤmpfen hatte — Dieſer alte Ruͤpplj *) (mein Grosvater hat es mir tauſendmal erzaͤhlt) hatte zu ſeinem liebſten Spruͤch- *) Ruͤpplj war ein ehrwuͤrdiger Altvater von Bon- nal, und hatte gegen einen alten Erbherrn von Arnheim ſich der Gemeind treulich angenom- men, und Haab und Gut dran geſetzt, daß das Dorf nicht einen Tag mehr Frohndienſte tragen muͤſſe. Aber das Spruͤchwort, das ihm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/77
Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. [Bd. 1]. Berlin u. a., 1781, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard01_1781/77>, abgerufen am 24.04.2024.