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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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§. 37.
Ein Schaaf unter viel Böken.

Gegen den neunen kamen die Leuthe, die
er weibelte unter die Linde. Aber wer
will den Hauffen beschreiben, und sie abmah-
len; vom alten Meyer an, der über 30 Jahr
beym Vogt saß bis auf des Halloris Kind, das
vor drey Wochen das Unglük hatte seiner Mut-
ter den ersten Bazen zu stehlen, und ihn dem
Vogt zu bringen. Wer will diese 125 Men-
schen beschreiben, Männer, Weiber, und Kin-
der, und wer will den Unterschied treffen zwi-
schen denen die Spek bey ihm assen, denen die
Brandtenwein soffen, und denen die Butter
schlekten, und Caffee tranken. Wer will es aus-
drüken? wie sie einander an Leib und Seel,
an Händen und Füssen, an Nasen und Ohren
so ungleich, und dann wieder auf eine andere
Art einander gleich waren. --

Ich kann es nicht sagen, wie gleich und wie
ungleich es einander war das Lumpenvolk da.
Die einten zahlten ihn mit Geld, die andern
mit Baumwollen, von denen einige ihm altes
Eisen daran gaben, andere ihn mit Eiden und
Zeugnissen und ihrer Seelen Heil dafür zahl-
ten.

Ich eile mit dem Bild dieser Stunde unaus-

§. 37.
Ein Schaaf unter viel Boͤken.

Gegen den neunen kamen die Leuthe, die
er weibelte unter die Linde. Aber wer
will den Hauffen beſchreiben, und ſie abmah-
len; vom alten Meyer an, der uͤber 30 Jahr
beym Vogt ſaß bis auf des Halloris Kind, das
vor drey Wochen das Ungluͤk hatte ſeiner Mut-
ter den erſten Bazen zu ſtehlen, und ihn dem
Vogt zu bringen. Wer will dieſe 125 Men-
ſchen beſchreiben, Maͤnner, Weiber, und Kin-
der, und wer will den Unterſchied treffen zwi-
ſchen denen die Spek bey ihm aſſen, denen die
Brandtenwein ſoffen, und denen die Butter
ſchlekten, und Caffee tranken. Wer will es aus-
druͤken? wie ſie einander an Leib und Seel,
an Haͤnden und Fuͤſſen, an Naſen und Ohren
ſo ungleich, und dann wieder auf eine andere
Art einander gleich waren. —

Ich kann es nicht ſagen, wie gleich und wie
ungleich es einander war das Lumpenvolk da.
Die einten zahlten ihn mit Geld, die andern
mit Baumwollen, von denen einige ihm altes
Eiſen daran gaben, andere ihn mit Eiden und
Zeugniſſen und ihrer Seelen Heil dafuͤr zahl-
ten.

Ich eile mit dem Bild dieſer Stunde unaus-

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[169/0191] §. 37. Ein Schaaf unter viel Boͤken. Gegen den neunen kamen die Leuthe, die er weibelte unter die Linde. Aber wer will den Hauffen beſchreiben, und ſie abmah- len; vom alten Meyer an, der uͤber 30 Jahr beym Vogt ſaß bis auf des Halloris Kind, das vor drey Wochen das Ungluͤk hatte ſeiner Mut- ter den erſten Bazen zu ſtehlen, und ihn dem Vogt zu bringen. Wer will dieſe 125 Men- ſchen beſchreiben, Maͤnner, Weiber, und Kin- der, und wer will den Unterſchied treffen zwi- ſchen denen die Spek bey ihm aſſen, denen die Brandtenwein ſoffen, und denen die Butter ſchlekten, und Caffee tranken. Wer will es aus- druͤken? wie ſie einander an Leib und Seel, an Haͤnden und Fuͤſſen, an Naſen und Ohren ſo ungleich, und dann wieder auf eine andere Art einander gleich waren. — Ich kann es nicht ſagen, wie gleich und wie ungleich es einander war das Lumpenvolk da. Die einten zahlten ihn mit Geld, die andern mit Baumwollen, von denen einige ihm altes Eiſen daran gaben, andere ihn mit Eiden und Zeugniſſen und ihrer Seelen Heil dafuͤr zahl- ten. Ich eile mit dem Bild dieſer Stunde unaus-

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/191>, abgerufen am 25.04.2024.