Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

alleinunter ihnen, meine Reitgerte und theilte kleine Klapse aus. Dies half jederzeit, die Leute zogen sich ganz, oder wenigstens in weitere Kreise zurück. Nur hier schien ein sechzehnjähriger Junge meine Kühnheit bestrafen zu wollen: ich ging, wie ich es stets zu thun pflegte, an den Fluß, meine lederne Flasche zu füllen, Hände und Gesicht zu waschen und ein Fußbad zu nehmen. Der Junge schlich mir nach, hob einen Stein auf und drohte nach mir zu werfen. Furcht durfte ich natürlich nicht zeigen, ich stieg daher ganz gelassen in den Fluß und -- der Stein kam geflogen; doch merkte ich aus dem Wurfe, daß er mich mehr schrecken als treffen sollte: er war schwach geworfen und fiel einige Klaster vor mir zu Boden. Nach einem zweiten und dritten, gleich vorsichtigen Wurfe, zog sich der Junge zurück, wahrscheinlich weil er sah, daß ich seiner nicht achtete.

20. Juli. Gleich außerhalb Raid hatten wir noch einen ziemlich bedeutenden Berg auf schlechten und gefährlichen Wegen zu ersteigen, dann ging es auf ausgedehnten Hochebenen fort. Die hohen Gebirge traten mehr zurück, die Vordergebirge waren mit kurzem Gras bedeckt, nur an Bäumen war wieder großer Mangel. Wir begegneten sehr vielen und großen Heerden von Ziegen und Schafen. Letztere waren sehr groß, hatten dichte Wolle und Fettschwänze; die Wolle soll ausgezeichnet gut und fein sein.

Meine Furcht vor dieser Reise war nicht ganz grundlos gewesen, denn selten verging ein Tag in ungestörter Ruhe. So ereignete sich auch heute ein Vorfall, der mich nicht wenig erschreckte. Unsere Karavane bestand aus sechs Mann und vierzehn Lastthieren. Wir zogen ruhig unseres

alleinunter ihnen, meine Reitgerte und theilte kleine Klapse aus. Dies half jederzeit, die Leute zogen sich ganz, oder wenigstens in weitere Kreise zurück. Nur hier schien ein sechzehnjähriger Junge meine Kühnheit bestrafen zu wollen: ich ging, wie ich es stets zu thun pflegte, an den Fluß, meine lederne Flasche zu füllen, Hände und Gesicht zu waschen und ein Fußbad zu nehmen. Der Junge schlich mir nach, hob einen Stein auf und drohte nach mir zu werfen. Furcht durfte ich natürlich nicht zeigen, ich stieg daher ganz gelassen in den Fluß und — der Stein kam geflogen; doch merkte ich aus dem Wurfe, daß er mich mehr schrecken als treffen sollte: er war schwach geworfen und fiel einige Klaster vor mir zu Boden. Nach einem zweiten und dritten, gleich vorsichtigen Wurfe, zog sich der Junge zurück, wahrscheinlich weil er sah, daß ich seiner nicht achtete.

20. Juli. Gleich außerhalb Raid hatten wir noch einen ziemlich bedeutenden Berg auf schlechten und gefährlichen Wegen zu ersteigen, dann ging es auf ausgedehnten Hochebenen fort. Die hohen Gebirge traten mehr zurück, die Vordergebirge waren mit kurzem Gras bedeckt, nur an Bäumen war wieder großer Mangel. Wir begegneten sehr vielen und großen Heerden von Ziegen und Schafen. Letztere waren sehr groß, hatten dichte Wolle und Fettschwänze; die Wolle soll ausgezeichnet gut und fein sein.

Meine Furcht vor dieser Reise war nicht ganz grundlos gewesen, denn selten verging ein Tag in ungestörter Ruhe. So ereignete sich auch heute ein Vorfall, der mich nicht wenig erschreckte. Unsere Karavane bestand aus sechs Mann und vierzehn Lastthieren. Wir zogen ruhig unseres

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><hi rendition="#aq"><pb facs="#f0201" n="193"/>
allein</hi>unter ihnen, meine Reitgerte und theilte kleine Klapse aus. Dies half jederzeit, die Leute zogen sich ganz, oder wenigstens in weitere Kreise zurück. Nur hier schien ein sechzehnjähriger Junge meine Kühnheit bestrafen zu wollen: ich ging, wie ich es stets zu thun pflegte, an den Fluß, meine lederne Flasche zu füllen, Hände und Gesicht zu waschen und ein Fußbad zu nehmen. Der Junge schlich mir nach, hob einen Stein auf und drohte nach mir zu werfen. Furcht durfte ich natürlich nicht zeigen, ich stieg daher ganz gelassen in den Fluß und &#x2014; der Stein kam geflogen; doch merkte ich aus dem Wurfe, daß er mich mehr schrecken als treffen sollte: er war schwach geworfen und fiel einige Klaster vor mir zu Boden. Nach einem zweiten und dritten, gleich vorsichtigen Wurfe, zog sich der Junge zurück, wahrscheinlich weil er sah, daß ich seiner nicht achtete.</p>
        <p>20. Juli. Gleich außerhalb <hi rendition="#aq">Raid</hi> hatten wir noch einen ziemlich bedeutenden Berg auf schlechten und gefährlichen Wegen zu ersteigen, dann ging es auf ausgedehnten Hochebenen fort. Die hohen Gebirge traten mehr zurück, die Vordergebirge waren mit kurzem Gras bedeckt, nur an Bäumen war wieder großer Mangel. Wir begegneten sehr vielen und großen Heerden von Ziegen und Schafen. Letztere waren sehr groß, hatten dichte Wolle und Fettschwänze; die Wolle soll ausgezeichnet gut und fein sein.</p>
        <p>Meine Furcht vor dieser Reise war nicht ganz grundlos gewesen, denn selten verging ein Tag in ungestörter Ruhe. So ereignete sich auch heute ein Vorfall, der mich nicht wenig erschreckte. Unsere Karavane bestand aus sechs Mann und vierzehn Lastthieren. Wir zogen ruhig unseres
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[193/0201] alleinunter ihnen, meine Reitgerte und theilte kleine Klapse aus. Dies half jederzeit, die Leute zogen sich ganz, oder wenigstens in weitere Kreise zurück. Nur hier schien ein sechzehnjähriger Junge meine Kühnheit bestrafen zu wollen: ich ging, wie ich es stets zu thun pflegte, an den Fluß, meine lederne Flasche zu füllen, Hände und Gesicht zu waschen und ein Fußbad zu nehmen. Der Junge schlich mir nach, hob einen Stein auf und drohte nach mir zu werfen. Furcht durfte ich natürlich nicht zeigen, ich stieg daher ganz gelassen in den Fluß und — der Stein kam geflogen; doch merkte ich aus dem Wurfe, daß er mich mehr schrecken als treffen sollte: er war schwach geworfen und fiel einige Klaster vor mir zu Boden. Nach einem zweiten und dritten, gleich vorsichtigen Wurfe, zog sich der Junge zurück, wahrscheinlich weil er sah, daß ich seiner nicht achtete. 20. Juli. Gleich außerhalb Raid hatten wir noch einen ziemlich bedeutenden Berg auf schlechten und gefährlichen Wegen zu ersteigen, dann ging es auf ausgedehnten Hochebenen fort. Die hohen Gebirge traten mehr zurück, die Vordergebirge waren mit kurzem Gras bedeckt, nur an Bäumen war wieder großer Mangel. Wir begegneten sehr vielen und großen Heerden von Ziegen und Schafen. Letztere waren sehr groß, hatten dichte Wolle und Fettschwänze; die Wolle soll ausgezeichnet gut und fein sein. Meine Furcht vor dieser Reise war nicht ganz grundlos gewesen, denn selten verging ein Tag in ungestörter Ruhe. So ereignete sich auch heute ein Vorfall, der mich nicht wenig erschreckte. Unsere Karavane bestand aus sechs Mann und vierzehn Lastthieren. Wir zogen ruhig unseres

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sophie: A digital library of works by german-speaking women: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition (2013-06-28T07:11:29Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.) sind nicht konsequent wie in der Vorlage gekennzeichnet



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/201
Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/201>, abgerufen am 19.04.2024.