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Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.

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Arbeit versorgt und stets beaufsichtigt werden müssen, damit sie nicht in ihren Irrglauben zurückfallen.

Um Religionsvorträge begreiflich, um mit der Muttermilch eingesogenen Irrglauben wankend zu machen, reichen Predigten und Broschüren nicht hin. Die Missionäre müßten wie Väter, wie Freunde mit und unter dem Volke wohnen, mit ihm arbeiten, kurz seine Mühen und Freuden theilen, es durch einen musterhaften, bescheidenen Lebenswandel an sich ziehen und nach und nach mit einem faßlichen Unterricht belehren. Auch dürfte der Missionär sich mit keiner europäischen Missionärin verheirathen, und zwar aus folgenden Gründen: das europäische Mädchen, das sich zur Missionärin bildet, wählt diesen Stand häufig nur, um so schnell als möglich versorgt zu werden. Hat die junge europäische Frau einige Kinder, wird sie schwach und kränklich, dann kann sie ihrem Beruf nicht mehr nachkommen und bedarf einer Luftveränderung, wohl gar einer Reise nach Europa. Auch die Kinder sind Schwächlinge und müssen, spätestens in ihrem siebenten Lebensjahr, ebenfalls dahin gebracht werden. Der Vater begleitet sie mitunter und benützt diesen Vorwand, um auch wieder auf einige Zeit nach Europa zu kommen. Ist die Reise nach Europa nicht sogleich ausführbar, so wird eine andere nach irgend einem Gebirge, einer kühl, gelegenen Gegend gemacht, oder er nimmt Frau und Kinder zu dem Besuche einer Mela mit*). Dabei muß man wissen, daß diese Reisen

*) Mela heißen die indischen Religionsfeste, bei welchen sich Tausende von Menschen versammeln. Die Missionäre reisen oft Hunderte von Meilen weit herbei, um dem Volke zu predigen.

Arbeit versorgt und stets beaufsichtigt werden müssen, damit sie nicht in ihren Irrglauben zurückfallen.

Um Religionsvorträge begreiflich, um mit der Muttermilch eingesogenen Irrglauben wankend zu machen, reichen Predigten und Broschüren nicht hin. Die Missionäre müßten wie Väter, wie Freunde mit und unter dem Volke wohnen, mit ihm arbeiten, kurz seine Mühen und Freuden theilen, es durch einen musterhaften, bescheidenen Lebenswandel an sich ziehen und nach und nach mit einem faßlichen Unterricht belehren. Auch dürfte der Missionär sich mit keiner europäischen Missionärin verheirathen, und zwar aus folgenden Gründen: das europäische Mädchen, das sich zur Missionärin bildet, wählt diesen Stand häufig nur, um so schnell als möglich versorgt zu werden. Hat die junge europäische Frau einige Kinder, wird sie schwach und kränklich, dann kann sie ihrem Beruf nicht mehr nachkommen und bedarf einer Luftveränderung, wohl gar einer Reise nach Europa. Auch die Kinder sind Schwächlinge und müssen, spätestens in ihrem siebenten Lebensjahr, ebenfalls dahin gebracht werden. Der Vater begleitet sie mitunter und benützt diesen Vorwand, um auch wieder auf einige Zeit nach Europa zu kommen. Ist die Reise nach Europa nicht sogleich ausführbar, so wird eine andere nach irgend einem Gebirge, einer kühl, gelegenen Gegend gemacht, oder er nimmt Frau und Kinder zu dem Besuche einer Mela mit*). Dabei muß man wissen, daß diese Reisen

*) Mela heißen die indischen Religionsfeste, bei welchen sich Tausende von Menschen versammeln. Die Missionäre reisen oft Hunderte von Meilen weit herbei, um dem Volke zu predigen.
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[210/0218] Arbeit versorgt und stets beaufsichtigt werden müssen, damit sie nicht in ihren Irrglauben zurückfallen. Um Religionsvorträge begreiflich, um mit der Muttermilch eingesogenen Irrglauben wankend zu machen, reichen Predigten und Broschüren nicht hin. Die Missionäre müßten wie Väter, wie Freunde mit und unter dem Volke wohnen, mit ihm arbeiten, kurz seine Mühen und Freuden theilen, es durch einen musterhaften, bescheidenen Lebenswandel an sich ziehen und nach und nach mit einem faßlichen Unterricht belehren. Auch dürfte der Missionär sich mit keiner europäischen Missionärin verheirathen, und zwar aus folgenden Gründen: das europäische Mädchen, das sich zur Missionärin bildet, wählt diesen Stand häufig nur, um so schnell als möglich versorgt zu werden. Hat die junge europäische Frau einige Kinder, wird sie schwach und kränklich, dann kann sie ihrem Beruf nicht mehr nachkommen und bedarf einer Luftveränderung, wohl gar einer Reise nach Europa. Auch die Kinder sind Schwächlinge und müssen, spätestens in ihrem siebenten Lebensjahr, ebenfalls dahin gebracht werden. Der Vater begleitet sie mitunter und benützt diesen Vorwand, um auch wieder auf einige Zeit nach Europa zu kommen. Ist die Reise nach Europa nicht sogleich ausführbar, so wird eine andere nach irgend einem Gebirge, einer kühl, gelegenen Gegend gemacht, oder er nimmt Frau und Kinder zu dem Besuche einer Mela mit *). Dabei muß man wissen, daß diese Reisen *) Mela heißen die indischen Religionsfeste, bei welchen sich Tausende von Menschen versammeln. Die Missionäre reisen oft Hunderte von Meilen weit herbei, um dem Volke zu predigen.

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Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/218>, abgerufen am 28.03.2024.