Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

Frage. Ein Missionär hat, glaube ich, andere Pflichten zu erfüllen als die, einen Gelehrten abzugeben.

Für meine Person habe ich den Herrn Missionären nur Dank zu zollen: sie kamen mir überall freundlich und liebevoll entgegen. Mir fiel ihre Lebensweise auch gewiß nur darum so auf, weil ich bei dem Namen "Missionär" unwillkürlich stets jener Männer gedenke, die zuerst ohne Unterstützung vom Heimathlande hinaus in die Welt traten, um die Lehre Christi zu verbreiten, und außer einem Wanderstabe nichts mit sich nahmen.

Bevor ich Oromia verlasse, muß ich noch erwähnen, daß diese Gegend für den Geburtsort Zoroasters gilt, der 5500 Jahre vor Chr. Geb. gelebt haben soll, und von welchem die Gebern oder Feueranbeter herstammen.

Am 1. Aug. ritt ich zehn Stunden bis nach dem Dörfchen Kutschie, das nahe am See Oromia liegt; letzteren bekamen wir den Tag über selten zu sehen, obwohl wir stets in seiner Nähe waren. Wir zogen durch große, fruchtbare Thäler, die einen reizenden Anblick gewährt hätten, wären sie nicht zwischen öden und nackten Hügeln und Bergen gelegen.

Auf der ganzen Reise, nicht nur von Mossul, sondern von Bagdad bis hieher, hatte ich keinen so guten Tag gehabt wie heute. Mein Führer war ein unvergleichlich guter Mensch, voll Aufmerksamkeit für mich und für alles ängstlich besorgt; er führte mich im Oertchen Kutschie in ein sehr reinliches Bauernhaus zu vortrefflichen Menschen. Man legte mir da alsogleich auf einer kleinen Terrasse einen schönen Teppich zurecht, brachte mir ein Becken mit Wasser gefüllt zum Waschen und auf einer lakirten Tasse

Frage. Ein Missionär hat, glaube ich, andere Pflichten zu erfüllen als die, einen Gelehrten abzugeben.

Für meine Person habe ich den Herrn Missionären nur Dank zu zollen: sie kamen mir überall freundlich und liebevoll entgegen. Mir fiel ihre Lebensweise auch gewiß nur darum so auf, weil ich bei dem Namen „Missionär“ unwillkürlich stets jener Männer gedenke, die zuerst ohne Unterstützung vom Heimathlande hinaus in die Welt traten, um die Lehre Christi zu verbreiten, und außer einem Wanderstabe nichts mit sich nahmen.

Bevor ich Oromia verlasse, muß ich noch erwähnen, daß diese Gegend für den Geburtsort Zoroasters gilt, der 5500 Jahre vor Chr. Geb. gelebt haben soll, und von welchem die Gebern oder Feueranbeter herstammen.

Am 1. Aug. ritt ich zehn Stunden bis nach dem Dörfchen Kutschié, das nahe am See Oromia liegt; letzteren bekamen wir den Tag über selten zu sehen, obwohl wir stets in seiner Nähe waren. Wir zogen durch große, fruchtbare Thäler, die einen reizenden Anblick gewährt hätten, wären sie nicht zwischen öden und nackten Hügeln und Bergen gelegen.

Auf der ganzen Reise, nicht nur von Mossul, sondern von Bagdad bis hieher, hatte ich keinen so guten Tag gehabt wie heute. Mein Führer war ein unvergleichlich guter Mensch, voll Aufmerksamkeit für mich und für alles ängstlich besorgt; er führte mich im Oertchen Kutschié in ein sehr reinliches Bauernhaus zu vortrefflichen Menschen. Man legte mir da alsogleich auf einer kleinen Terrasse einen schönen Teppich zurecht, brachte mir ein Becken mit Wasser gefüllt zum Waschen und auf einer lakirten Tasse

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0220" n="212"/>
Frage. Ein Missionär hat, glaube ich, andere Pflichten zu erfüllen als die, einen Gelehrten abzugeben.</p>
        <p>Für meine Person habe ich den Herrn Missionären nur Dank zu zollen: sie kamen mir überall freundlich und liebevoll entgegen. Mir fiel ihre Lebensweise auch gewiß nur darum so auf, weil ich bei dem Namen &#x201E;<hi rendition="#aq">Missionär</hi>&#x201C; unwillkürlich stets jener Männer gedenke, die zuerst ohne Unterstützung vom Heimathlande hinaus in die Welt traten, um die Lehre Christi zu verbreiten, und außer einem Wanderstabe nichts mit sich nahmen.</p>
        <p>Bevor ich <hi rendition="#aq">Oromia</hi> verlasse, muß ich noch erwähnen, daß diese Gegend für den Geburtsort Zoroasters gilt, der 5500 Jahre vor Chr. Geb. gelebt haben soll, und von welchem die Gebern oder Feueranbeter herstammen.</p>
        <p>Am 1. Aug. ritt ich zehn Stunden bis nach dem Dörfchen <hi rendition="#aq">Kutschié</hi>, das nahe am See Oromia liegt; letzteren bekamen wir den Tag über selten zu sehen, obwohl wir stets in seiner Nähe waren. Wir zogen durch große, fruchtbare Thäler, die einen reizenden Anblick gewährt hätten, wären sie nicht zwischen öden und nackten Hügeln und Bergen gelegen.</p>
        <p>Auf der ganzen Reise, nicht nur von <hi rendition="#aq">Mossul</hi>, sondern von <hi rendition="#aq">Bagdad</hi> bis hieher, hatte ich keinen so guten Tag gehabt wie heute. Mein Führer war ein unvergleichlich guter Mensch, voll Aufmerksamkeit für mich und für alles ängstlich besorgt; er führte mich im Oertchen <hi rendition="#aq">Kutschié</hi> in ein sehr reinliches Bauernhaus zu vortrefflichen Menschen. Man legte mir da alsogleich auf einer kleinen Terrasse einen schönen Teppich zurecht, brachte mir ein Becken mit Wasser gefüllt zum Waschen und auf einer lakirten Tasse
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212/0220] Frage. Ein Missionär hat, glaube ich, andere Pflichten zu erfüllen als die, einen Gelehrten abzugeben. Für meine Person habe ich den Herrn Missionären nur Dank zu zollen: sie kamen mir überall freundlich und liebevoll entgegen. Mir fiel ihre Lebensweise auch gewiß nur darum so auf, weil ich bei dem Namen „Missionär“ unwillkürlich stets jener Männer gedenke, die zuerst ohne Unterstützung vom Heimathlande hinaus in die Welt traten, um die Lehre Christi zu verbreiten, und außer einem Wanderstabe nichts mit sich nahmen. Bevor ich Oromia verlasse, muß ich noch erwähnen, daß diese Gegend für den Geburtsort Zoroasters gilt, der 5500 Jahre vor Chr. Geb. gelebt haben soll, und von welchem die Gebern oder Feueranbeter herstammen. Am 1. Aug. ritt ich zehn Stunden bis nach dem Dörfchen Kutschié, das nahe am See Oromia liegt; letzteren bekamen wir den Tag über selten zu sehen, obwohl wir stets in seiner Nähe waren. Wir zogen durch große, fruchtbare Thäler, die einen reizenden Anblick gewährt hätten, wären sie nicht zwischen öden und nackten Hügeln und Bergen gelegen. Auf der ganzen Reise, nicht nur von Mossul, sondern von Bagdad bis hieher, hatte ich keinen so guten Tag gehabt wie heute. Mein Führer war ein unvergleichlich guter Mensch, voll Aufmerksamkeit für mich und für alles ängstlich besorgt; er führte mich im Oertchen Kutschié in ein sehr reinliches Bauernhaus zu vortrefflichen Menschen. Man legte mir da alsogleich auf einer kleinen Terrasse einen schönen Teppich zurecht, brachte mir ein Becken mit Wasser gefüllt zum Waschen und auf einer lakirten Tasse

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sophie: A digital library of works by german-speaking women: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition (2013-06-28T07:11:29Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.) sind nicht konsequent wie in der Vorlage gekennzeichnet



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/220
Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/220>, abgerufen am 25.04.2024.