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Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.

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anbelangt, so übertrifft er hierin bei weitem seinen Vater, und leider hat er keinen sie verhindernden Minister an der Seite. Seine Regierung soll die eines Kindes sein: jetzt befiehlt er etwas, in der nächsten Stunde wiederruft er es. Was kann man auch von einem siebzehnjährigen Jünglinge erwarten, der wenig oder keine Erziehung genossen, den man mit fünfzehn Jahren verheirathet hat, der im siebzehnten Jahre unbeschränkter Beherrscher einer großen Provinz mit dem Einkommen einer Million Tomans (beiläufig vier eine halbe Million Gulden) wurde, und dem jedes Mittel zur Befriedigung der Sinne zu Gebote steht.

Der Prinz hat bis jetzt nur eine rechtmäßige Gemahlin, deren er vier haben kann; jedoch fehlt es nicht an schönen Freundinnen. In Persien herrscht die Sitte, daß, wenn der König oder Thronfolger hört, irgend einer seiner Unterthanen habe eine schöne Tochter, Schwester o. d. g. er das Mädchen begehren läßt. Die Eltern oder Verwandten sind über diese Botschaft sehr erfreut, denn ist das Mädchen wirklich schön, so wird sie auf jedem Fall gut versorgt. Gefällt sie nach einiger Zeit dem Könige oder Prinzen nicht mehr, so verheirathet er sie einem Minister oder sonst einem reichen Manne. Hat sie aber ein Kind, so wird sie gleichsam als rechtmäßige Frau betrachtet und bleibt beständig am Hofe. Sehr gedemüthigt und gekränkt dagegen findet sich eine Familie, wenn das Mädchen dem Regenten beim ersten Anblick mißfällt. Sie wird dann sogleich heimgeschickt, der Ruf ihrer Schöhneit ist verloren, und sie kann so leicht keine Ansprüche mehr auf eine gute Parthie machen.

anbelangt, so übertrifft er hierin bei weitem seinen Vater, und leider hat er keinen sie verhindernden Minister an der Seite. Seine Regierung soll die eines Kindes sein: jetzt befiehlt er etwas, in der nächsten Stunde wiederruft er es. Was kann man auch von einem siebzehnjährigen Jünglinge erwarten, der wenig oder keine Erziehung genossen, den man mit fünfzehn Jahren verheirathet hat, der im siebzehnten Jahre unbeschränkter Beherrscher einer großen Provinz mit dem Einkommen einer Million Tomans (beiläufig vier eine halbe Million Gulden) wurde, und dem jedes Mittel zur Befriedigung der Sinne zu Gebote steht.

Der Prinz hat bis jetzt nur eine rechtmäßige Gemahlin, deren er vier haben kann; jedoch fehlt es nicht an schönen Freundinnen. In Persien herrscht die Sitte, daß, wenn der König oder Thronfolger hört, irgend einer seiner Unterthanen habe eine schöne Tochter, Schwester o. d. g. er das Mädchen begehren läßt. Die Eltern oder Verwandten sind über diese Botschaft sehr erfreut, denn ist das Mädchen wirklich schön, so wird sie auf jedem Fall gut versorgt. Gefällt sie nach einiger Zeit dem Könige oder Prinzen nicht mehr, so verheirathet er sie einem Minister oder sonst einem reichen Manne. Hat sie aber ein Kind, so wird sie gleichsam als rechtmäßige Frau betrachtet und bleibt beständig am Hofe. Sehr gedemüthigt und gekränkt dagegen findet sich eine Familie, wenn das Mädchen dem Regenten beim ersten Anblick mißfällt. Sie wird dann sogleich heimgeschickt, der Ruf ihrer Schöhneit ist verloren, und sie kann so leicht keine Ansprüche mehr auf eine gute Parthie machen.

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anbelangt, so übertrifft er hierin bei weitem seinen Vater, und leider hat er keinen sie verhindernden Minister an der Seite. Seine Regierung soll die eines Kindes sein: jetzt befiehlt er etwas, in der nächsten Stunde wiederruft er es. Was kann man auch von einem siebzehnjährigen Jünglinge erwarten, der wenig oder keine Erziehung genossen, den man mit fünfzehn Jahren verheirathet hat, der im siebzehnten Jahre unbeschränkter Beherrscher einer großen Provinz mit dem Einkommen einer Million Tomans (beiläufig vier eine halbe Million Gulden) wurde, und dem jedes Mittel zur Befriedigung der Sinne zu Gebote steht.</p>
        <p>Der Prinz hat bis jetzt nur eine rechtmäßige Gemahlin, deren er vier haben kann; jedoch fehlt es nicht an schönen Freundinnen. In Persien herrscht die Sitte, daß, wenn der König oder Thronfolger hört, irgend einer seiner Unterthanen habe eine schöne Tochter, Schwester o. d. g. er das Mädchen begehren läßt. Die Eltern oder Verwandten sind über diese Botschaft sehr erfreut, denn ist das Mädchen wirklich schön, so wird sie auf jedem Fall gut versorgt. Gefällt sie nach einiger Zeit dem Könige oder Prinzen nicht mehr, so verheirathet er sie einem Minister oder sonst einem reichen Manne. Hat sie aber ein Kind, so wird sie gleichsam als rechtmäßige Frau betrachtet und bleibt beständig am Hofe. Sehr gedemüthigt und gekränkt dagegen findet sich eine Familie, wenn das Mädchen dem Regenten beim ersten Anblick mißfällt. Sie wird dann sogleich heimgeschickt, der Ruf ihrer Schöhneit ist verloren, und sie kann so leicht keine Ansprüche mehr auf eine gute Parthie machen.</p>
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[231/0239] anbelangt, so übertrifft er hierin bei weitem seinen Vater, und leider hat er keinen sie verhindernden Minister an der Seite. Seine Regierung soll die eines Kindes sein: jetzt befiehlt er etwas, in der nächsten Stunde wiederruft er es. Was kann man auch von einem siebzehnjährigen Jünglinge erwarten, der wenig oder keine Erziehung genossen, den man mit fünfzehn Jahren verheirathet hat, der im siebzehnten Jahre unbeschränkter Beherrscher einer großen Provinz mit dem Einkommen einer Million Tomans (beiläufig vier eine halbe Million Gulden) wurde, und dem jedes Mittel zur Befriedigung der Sinne zu Gebote steht. Der Prinz hat bis jetzt nur eine rechtmäßige Gemahlin, deren er vier haben kann; jedoch fehlt es nicht an schönen Freundinnen. In Persien herrscht die Sitte, daß, wenn der König oder Thronfolger hört, irgend einer seiner Unterthanen habe eine schöne Tochter, Schwester o. d. g. er das Mädchen begehren läßt. Die Eltern oder Verwandten sind über diese Botschaft sehr erfreut, denn ist das Mädchen wirklich schön, so wird sie auf jedem Fall gut versorgt. Gefällt sie nach einiger Zeit dem Könige oder Prinzen nicht mehr, so verheirathet er sie einem Minister oder sonst einem reichen Manne. Hat sie aber ein Kind, so wird sie gleichsam als rechtmäßige Frau betrachtet und bleibt beständig am Hofe. Sehr gedemüthigt und gekränkt dagegen findet sich eine Familie, wenn das Mädchen dem Regenten beim ersten Anblick mißfällt. Sie wird dann sogleich heimgeschickt, der Ruf ihrer Schöhneit ist verloren, und sie kann so leicht keine Ansprüche mehr auf eine gute Parthie machen.

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Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/239>, abgerufen am 19.04.2024.