Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

zu bewundern. Ein Segler lag in einer kleinen Buch ganz ruhig vor Anker. Der Kommandant, ihn gewahrend gebot augenblicklich "Halt," ließ ein Boot aussetzen und beorderte einen Offizier nach dem Schiffe zu fahren, um zu sehen, was es hier mache. Bis hierher war alles so ziemlich in Ordnung, denn in Rußland, wo man jeder aus ländischen Fliege die Gränze weisen möchte, mußte man doch in Erfahrung bringen, was ein ganzes Schiff wolle. Nun kömmt aber das komische von der Sache. Der Offizier fuhr in die Nähe des Schiffes, bestieg es jedoch nicht, ließ sich auch keines der Schiffspapiere herab zeigen, sondern schrie bloß den Kapitän an, was er hier zu thun habe. Jener antwortete, daß ihn widrige Winde genöthige hätten, hier Anker zu werfen, und daß er auf einen günstigen warte, um da -- und dahin zu fahren. Diese Antwort genügte dem Offizier und dem Kommandanten volkommen. Mir kam es gerade so vor, als früge man jemanden, ob er ein ehrlicher Mensch oder ein Schurke sei, und als glaube man dann seiner Ehrlichkeit, wenn er sie selbst betheuert.

23. September. Wieder eine häßliche Nacht, -- nichts als Stürme und Regen. Wie dauerten mich die armen Kranken und auch die Gesunden, die auf dem Decke diesem Unwetter ausgesetzt waren!

Gegen Mittag erreichten wir Kertsch. Die Stadt von der See aus sehr gut zu übersehen, da sie sich im Halbkreise am Meeresgestade ausbreitet und an dem hinter ihr liegenden Hügel Mithridates etwas aufsteigt. Höher auf dem Hügel liegt das Museum, im Geschmacke eines griechischen Tempels, rund um mit Säulen umgeben. Die Spitze

zu bewundern. Ein Segler lag in einer kleinen Buch ganz ruhig vor Anker. Der Kommandant, ihn gewahrend gebot augenblicklich „Halt,“ ließ ein Boot aussetzen und beorderte einen Offizier nach dem Schiffe zu fahren, um zu sehen, was es hier mache. Bis hierher war alles so ziemlich in Ordnung, denn in Rußland, wo man jeder aus ländischen Fliege die Gränze weisen möchte, mußte man doch in Erfahrung bringen, was ein ganzes Schiff wolle. Nun kömmt aber das komische von der Sache. Der Offizier fuhr in die Nähe des Schiffes, bestieg es jedoch nicht, ließ sich auch keines der Schiffspapiere herab zeigen, sondern schrie bloß den Kapitän an, was er hier zu thun habe. Jener antwortete, daß ihn widrige Winde genöthige hätten, hier Anker zu werfen, und daß er auf einen günstigen warte, um da — und dahin zu fahren. Diese Antwort genügte dem Offizier und dem Kommandanten volkommen. Mir kam es gerade so vor, als früge man jemanden, ob er ein ehrlicher Mensch oder ein Schurke sei, und als glaube man dann seiner Ehrlichkeit, wenn er sie selbst betheuert.

23. September. Wieder eine häßliche Nacht, — nichts als Stürme und Regen. Wie dauerten mich die armen Kranken und auch die Gesunden, die auf dem Decke diesem Unwetter ausgesetzt waren!

Gegen Mittag erreichten wir Kertsch. Die Stadt von der See aus sehr gut zu übersehen, da sie sich im Halbkreise am Meeresgestade ausbreitet und an dem hinter ihr liegenden Hügel Mithridates etwas aufsteigt. Höher auf dem Hügel liegt das Museum, im Geschmacke eines griechischen Tempels, rund um mit Säulen umgeben. Die Spitze

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0294" n="286"/>
zu bewundern. Ein Segler lag in einer kleinen Buch ganz ruhig vor Anker. Der Kommandant, ihn gewahrend gebot augenblicklich &#x201E;Halt,&#x201C; ließ ein Boot aussetzen und beorderte einen Offizier nach dem Schiffe zu fahren, um zu sehen, was es hier mache. Bis hierher war alles so ziemlich in Ordnung, denn in Rußland, wo man jeder aus ländischen Fliege die Gränze weisen möchte, mußte man doch in Erfahrung bringen, was ein ganzes Schiff wolle. Nun kömmt aber das komische von der Sache. Der Offizier fuhr in die Nähe des Schiffes, bestieg es jedoch nicht, ließ sich auch keines der Schiffspapiere herab zeigen, sondern schrie bloß den Kapitän an, was er hier zu thun habe. Jener antwortete, daß ihn widrige Winde genöthige hätten, hier Anker zu werfen, und daß er auf einen günstigen warte, um da &#x2014; und dahin zu fahren. Diese Antwort genügte dem Offizier und dem Kommandanten volkommen. Mir kam es gerade so vor, als früge man jemanden, ob er ein ehrlicher Mensch oder ein Schurke sei, und als glaube man dann seiner Ehrlichkeit, wenn er sie selbst betheuert.</p>
        <p>23. September. Wieder eine häßliche Nacht, &#x2014; nichts als Stürme und Regen. Wie dauerten mich die armen Kranken und auch die Gesunden, die auf dem Decke diesem Unwetter ausgesetzt waren!</p>
        <p>Gegen Mittag erreichten wir <hi rendition="#aq">Kertsch</hi>. Die Stadt von der See aus sehr gut zu übersehen, da sie sich im Halbkreise am Meeresgestade ausbreitet und an dem hinter ihr liegenden Hügel Mithridates etwas aufsteigt. Höher auf dem Hügel liegt das Museum, im Geschmacke eines griechischen Tempels, rund um mit Säulen umgeben. Die Spitze
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[286/0294] zu bewundern. Ein Segler lag in einer kleinen Buch ganz ruhig vor Anker. Der Kommandant, ihn gewahrend gebot augenblicklich „Halt,“ ließ ein Boot aussetzen und beorderte einen Offizier nach dem Schiffe zu fahren, um zu sehen, was es hier mache. Bis hierher war alles so ziemlich in Ordnung, denn in Rußland, wo man jeder aus ländischen Fliege die Gränze weisen möchte, mußte man doch in Erfahrung bringen, was ein ganzes Schiff wolle. Nun kömmt aber das komische von der Sache. Der Offizier fuhr in die Nähe des Schiffes, bestieg es jedoch nicht, ließ sich auch keines der Schiffspapiere herab zeigen, sondern schrie bloß den Kapitän an, was er hier zu thun habe. Jener antwortete, daß ihn widrige Winde genöthige hätten, hier Anker zu werfen, und daß er auf einen günstigen warte, um da — und dahin zu fahren. Diese Antwort genügte dem Offizier und dem Kommandanten volkommen. Mir kam es gerade so vor, als früge man jemanden, ob er ein ehrlicher Mensch oder ein Schurke sei, und als glaube man dann seiner Ehrlichkeit, wenn er sie selbst betheuert. 23. September. Wieder eine häßliche Nacht, — nichts als Stürme und Regen. Wie dauerten mich die armen Kranken und auch die Gesunden, die auf dem Decke diesem Unwetter ausgesetzt waren! Gegen Mittag erreichten wir Kertsch. Die Stadt von der See aus sehr gut zu übersehen, da sie sich im Halbkreise am Meeresgestade ausbreitet und an dem hinter ihr liegenden Hügel Mithridates etwas aufsteigt. Höher auf dem Hügel liegt das Museum, im Geschmacke eines griechischen Tempels, rund um mit Säulen umgeben. Die Spitze

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sophie: A digital library of works by german-speaking women: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition (2013-06-28T07:11:29Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.) sind nicht konsequent wie in der Vorlage gekennzeichnet



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/294
Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/294>, abgerufen am 19.04.2024.