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Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.

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vorleuchten muß, führen zu den königlichen Gemächern. Beinahe in allen hindostanischen Palästen sollen die Aufgänge so finster sein, -- man glaubt sie dadurch den Feinden zu verbergen oder diesen den Eintritt wenigstens zu erschweren.

In dem Empfangssaale saß die Königin Jeswont-Rao-Holcar, eine bejahrte, kinderlose Witwe, an ihrer Seite ihr Adoptiv-Sohn Prinz Hury-Rao-Holcar, ein Jüngling von vierzehn Jahren mit sehr gutmüthigen Zügen und ausdrucksvollen Augen.

Uns wurden an ihrer Seite Plätze angetragen, die aus Polstern auf dem Boden bestanden. Der junge Prinz sprach gebrochen englisch, und die Fragen, die er an mich stellte, bewiesen, daß er in der Geographie gut bewandert war. Sein Mundschi *), ein Eingeborner, soll ein Mann von Geist und Kenntnissen sein. Ich konnte nicht umhin, ihm, nach Beendigung der Audienz, ein Compliment über die gelungene Erziehung des Prinzen zu machen.

Der Anzug der Königin und des Prinzen bestand in weißem Dakka-Musselin; der Prinz hatte einige Edelsteine und Perlen auf dem Turban, auf der Brust und den Armen. Die Königin trug ihr Gesicht unverschleiert, obwohl Herr Hamilton zugegen war.

Alle Gemächer und Gänge waren von Dienern überfüllt, die ohne die geringste Ceremonie auch in den

*) Mundschi heißt der königliche Lehrer, Schreiber oder Uebersetzer.

vorleuchten muß, führen zu den königlichen Gemächern. Beinahe in allen hindostanischen Palästen sollen die Aufgänge so finster sein, — man glaubt sie dadurch den Feinden zu verbergen oder diesen den Eintritt wenigstens zu erschweren.

In dem Empfangssaale saß die Königin Jeswont-Rao-Holcar, eine bejahrte, kinderlose Witwe, an ihrer Seite ihr Adoptiv-Sohn Prinz Hury-Rao-Holcar, ein Jüngling von vierzehn Jahren mit sehr gutmüthigen Zügen und ausdrucksvollen Augen.

Uns wurden an ihrer Seite Plätze angetragen, die aus Polstern auf dem Boden bestanden. Der junge Prinz sprach gebrochen englisch, und die Fragen, die er an mich stellte, bewiesen, daß er in der Geographie gut bewandert war. Sein Mundschi *), ein Eingeborner, soll ein Mann von Geist und Kenntnissen sein. Ich konnte nicht umhin, ihm, nach Beendigung der Audienz, ein Compliment über die gelungene Erziehung des Prinzen zu machen.

Der Anzug der Königin und des Prinzen bestand in weißem Dakka-Musselin; der Prinz hatte einige Edelsteine und Perlen auf dem Turban, auf der Brust und den Armen. Die Königin trug ihr Gesicht unverschleiert, obwohl Herr Hamilton zugegen war.

Alle Gemächer und Gänge waren von Dienern überfüllt, die ohne die geringste Ceremonie auch in den

*) Mundschi heißt der königliche Lehrer, Schreiber oder Uebersetzer.
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[45/0053] vorleuchten muß, führen zu den königlichen Gemächern. Beinahe in allen hindostanischen Palästen sollen die Aufgänge so finster sein, — man glaubt sie dadurch den Feinden zu verbergen oder diesen den Eintritt wenigstens zu erschweren. In dem Empfangssaale saß die Königin Jeswont-Rao-Holcar, eine bejahrte, kinderlose Witwe, an ihrer Seite ihr Adoptiv-Sohn Prinz Hury-Rao-Holcar, ein Jüngling von vierzehn Jahren mit sehr gutmüthigen Zügen und ausdrucksvollen Augen. Uns wurden an ihrer Seite Plätze angetragen, die aus Polstern auf dem Boden bestanden. Der junge Prinz sprach gebrochen englisch, und die Fragen, die er an mich stellte, bewiesen, daß er in der Geographie gut bewandert war. Sein Mundschi *), ein Eingeborner, soll ein Mann von Geist und Kenntnissen sein. Ich konnte nicht umhin, ihm, nach Beendigung der Audienz, ein Compliment über die gelungene Erziehung des Prinzen zu machen. Der Anzug der Königin und des Prinzen bestand in weißem Dakka-Musselin; der Prinz hatte einige Edelsteine und Perlen auf dem Turban, auf der Brust und den Armen. Die Königin trug ihr Gesicht unverschleiert, obwohl Herr Hamilton zugegen war. Alle Gemächer und Gänge waren von Dienern überfüllt, die ohne die geringste Ceremonie auch in den *) Mundschi heißt der königliche Lehrer, Schreiber oder Uebersetzer.

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Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/53>, abgerufen am 25.04.2024.