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Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853.

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Beobachtung III.

J. Wardrop, Cases on the effects of a Wound in a Nerve. Medico¬
chirurgical Transactions. Vol. XII. Part. I. p. 209.

Ein junger Mann, welcher eine Stirnwunde bekommen hatte,
sah doppelt, indem das Auge der verletzten Seite nach Aussen
gekehrt war. Wardrop trennte den Nervus frontalis sinister
und als er die Bandage entfernte, hatte das Auge seine natür¬
liche Stellung wieder eingenommen, und Deshalb war auch das
Doppeltsehen verschwunden.

Physiologisches Resultat: Gesetz der gleichseitigen
Leitung. Reflex vom Nervus frontalis sinister auf N. abducens
sinister. Also ein reflectorischer Strabismus divergens. Sehr
interessant ist der Weg, den der Reflex genommen hat. Nicht im
Centralorgan vom Quintus zum Oculomotorius vorwärts, sondern
wiederum rückwärts zur Medulla oblongata, resp. zu den Wur¬
zeln des gleichseitigen Abducens. (Gesetz I. und IV.)

Beobachtung IV.

Dr. Ravin, Journal Universal des Sciences medicales. Avril 1820.

Thomas Gombert, 53 Jahre alt, hatte sich den Kopf mit
ziemlicher Kraft gegen eine breite Tafel gestossen. In Folge
dessen wurde die verletzte rechte Gesichtsseite von Tic dou¬
loureux und Convulsionen befallen, welche eine solche Inten¬
sität entwickelten, dass der Kranke seine gewohnten Beschäfti¬
gungen aufgeben musste. Der Arzt nahm die Durchschneidung
des Nervus frontalis dexter vor, worauf der Kranke äusserte:
"dass der Schmerz durch die Wunde hinausgehe". Die Con¬
vulsionen blieben so frequnt wie früher, hatten aber ihre Inten¬
sität verloren. Es wurde deshalb zur Radicalcur eine nochma¬
lige Operation vorgenommen und ein Schnitt von der Nase durch
die Weichtheile bis zur Schläfe geführt, welcher alle Stirnner¬
ven trennen musste. Hierauf verschwanden Neuralgie und Con¬
vulsionen vollständig und sind nun nach elf Monaten nicht zu¬
rückgekehrt.

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Beobachtung III.

J. Wardrop, Cases on the effects of a Wound in a Nerve. Medico¬
chirurgical Transactions. Vol. XII. Part. I. p. 209.

Ein junger Mann, welcher eine Stirnwunde bekommen hatte,
sah doppelt, indem das Auge der verletzten Seite nach Aussen
gekehrt war. Wardrop trennte den Nervus frontalis sinister
und als er die Bandage entfernte, hatte das Auge seine natür¬
liche Stellung wieder eingenommen, und Deshalb war auch das
Doppeltsehen verschwunden.

Physiologisches Resultat: Gesetz der gleichseitigen
Leitung. Reflex vom Nervus frontalis sinister auf N. abducens
sinister. Also ein reflectorischer Strabismus divergens. Sehr
interessant ist der Weg, den der Reflex genommen hat. Nicht im
Centralorgan vom Quintus zum Oculomotorius vorwärts, sondern
wiederum rückwärts zur Medulla oblongata, resp. zu den Wur¬
zeln des gleichseitigen Abducens. (Gesetz I. und IV.)

Beobachtung IV.

Dr. Ravin, Journal Universal des Sciences médicales. Avril 1820.

Thomas Gombert, 53 Jahre alt, hatte sich den Kopf mit
ziemlicher Kraft gegen eine breite Tafel gestossen. In Folge
dessen wurde die verletzte rechte Gesichtsseite von Tic dou¬
loureux und Convulsionen befallen, welche eine solche Inten¬
sität entwickelten, dass der Kranke seine gewohnten Beschäfti¬
gungen aufgeben musste. Der Arzt nahm die Durchschneidung
des Nervus frontalis dexter vor, worauf der Kranke äusserte:
„dass der Schmerz durch die Wunde hinausgehe“. Die Con¬
vulsionen blieben so frequnt wie früher, hatten aber ihre Inten¬
sität verloren. Es wurde deshalb zur Radicalcur eine nochma¬
lige Operation vorgenommen und ein Schnitt von der Nase durch
die Weichtheile bis zur Schläfe geführt, welcher alle Stirnner¬
ven trennen musste. Hierauf verschwanden Neuralgie und Con¬
vulsionen vollständig und sind nun nach elf Monaten nicht zu¬
rückgekehrt.

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[83/0105] Beobachtung III. J. Wardrop, Cases on the effects of a Wound in a Nerve. Medico¬ chirurgical Transactions. Vol. XII. Part. I. p. 209. Ein junger Mann, welcher eine Stirnwunde bekommen hatte, sah doppelt, indem das Auge der verletzten Seite nach Aussen gekehrt war. Wardrop trennte den Nervus frontalis sinister und als er die Bandage entfernte, hatte das Auge seine natür¬ liche Stellung wieder eingenommen, und Deshalb war auch das Doppeltsehen verschwunden. Physiologisches Resultat: Gesetz der gleichseitigen Leitung. Reflex vom Nervus frontalis sinister auf N. abducens sinister. Also ein reflectorischer Strabismus divergens. Sehr interessant ist der Weg, den der Reflex genommen hat. Nicht im Centralorgan vom Quintus zum Oculomotorius vorwärts, sondern wiederum rückwärts zur Medulla oblongata, resp. zu den Wur¬ zeln des gleichseitigen Abducens. (Gesetz I. und IV.) Beobachtung IV. Dr. Ravin, Journal Universal des Sciences médicales. Avril 1820. Thomas Gombert, 53 Jahre alt, hatte sich den Kopf mit ziemlicher Kraft gegen eine breite Tafel gestossen. In Folge dessen wurde die verletzte rechte Gesichtsseite von Tic dou¬ loureux und Convulsionen befallen, welche eine solche Inten¬ sität entwickelten, dass der Kranke seine gewohnten Beschäfti¬ gungen aufgeben musste. Der Arzt nahm die Durchschneidung des Nervus frontalis dexter vor, worauf der Kranke äusserte: „dass der Schmerz durch die Wunde hinausgehe“. Die Con¬ vulsionen blieben so frequnt wie früher, hatten aber ihre Inten¬ sität verloren. Es wurde deshalb zur Radicalcur eine nochma¬ lige Operation vorgenommen und ein Schnitt von der Nase durch die Weichtheile bis zur Schläfe geführt, welcher alle Stirnner¬ ven trennen musste. Hierauf verschwanden Neuralgie und Con¬ vulsionen vollständig und sind nun nach elf Monaten nicht zu¬ rückgekehrt. 6 *

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Zitationshilfe: Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pflueger_rueckenmark_1853/105>, abgerufen am 28.03.2024.